Berlin. Sechs Wochen vor der Wahl verliert die Union weiter. Eine Chance für SPD-Kandidat Olaf Scholz – dem immer mehr das Kanzleramt zutrauen.

  • Im neuen ZDF-Politbarometer verliert die Union bei der Sonntagsfrage weiter an Zustimmung
  • Die SPD legt dagegen leicht zu – insbesondere wird aber Kanzlerkandidat Olaf Scholz immer beliebter
  • Was die Umfrage aussagt und welche Koalitionen aktuell möglich wären im Überblick

Es sind nur noch noch wenige Wochen bis zur Bundestagswahl. Die heiße Wahlkampfphase ist eröffnet, alle drei Kanzlerkandidaten touren derzeit durch Deutschland um auf Stimmenfang zu gehen. Doch für CDU und CSU scheint die Rechnung derzeit nicht wie erhofft aufzugehen. In der neuesten Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF-Politbarometer verliert die Union weiter an Zustimmung.

Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die CDU/CSU nur noch auf 26 Prozent, das ist ein Minus von zwei Prozent im Vergleich zu den Werten von vor 14 Tagen. Bereits am Mittwoch (11. August) hatten die Meinungsforschungsinstitute Forsa und Kantar der Union große Verluste vorhergesagt. Laut diesen Umfragen könnte die Union gar nur mit 22 beziehungsweise 21 Prozent rechnen.

ZDF-Politbarometer: SPD und Grüne gleichauf

Laut Projektion der Forschungsgruppe Wahlen würde stattdessen die SPD dazugewinnen: Die Sozialdemokraten könnten demnach mit 19 Prozent (plus drei) rechnen, ihr bester Wert seit fast drei Jahren. Gleichauf mit der SPD liegen die Grünen: Für sie würden an diesem Sonntag ebenfalls 19 Prozent stimmen. Allerdings verlor die Partei von Annalena Baerbock und Robert Habeck genau wie die Union zwei Prozentpunkte an Zustimmung.

Die AfD käme der Umfrage nach auf elf Prozent (unverändert), die FDP auf elf Prozent (plus eins), die Linke auf sieben Prozent (unverändert) und die anderen Parteien zusammen auf sieben Prozent (unverändert), darunter keine Partei, die mindestens drei Prozent erreichen würde.

Neue Umfrage zur Bundestagswahl: Nur Dreier-Bündnisse möglich, FDP ist Kanzlermacher

Rechnerisch hätte somit kein Zweierbündnis eine Mehrheit im Bundestag. Für eine Regierungskoalition kämen nur Dreier-Koalitionen in Frage. Reichen würde es für die sogenannte „Deutschland-Koalition“ aus CDU/CSU, SPD und FDP, ein Jamaika-Bündnis (CDU/CSU, Grüne und FDP) oder die „Ampel“ mit Grünen, SPD und FDP.

Nach der aktuellen Umfrage ist die FDP damit zurück in ihrer Schlüsselrolle als Kanzlermacher. Am Ende würde es an Christian Lindner und seiner Partei liegen, zu entscheiden, welche Dreier-Koalition zustande käme.

Während die Forsa-Umfrage einige von einem linken Bündnis auf Bundesebene träumen ließ, räumt die ZDF-Projektion das wieder aus: Für Grün-Rot-Rot beziehungsweise Rot-Grün-Rot würde es nicht reichen.

Olaf Scholz immer beliebter – könnte er doch noch Kanzler werden?

Trotzdem dürfte die Stimmung im Willy-Brandt-Haus, der Bundeszentrale der SPD, an diesem Freitag hoffnungsvoll sein. Denn im Gegensatz zu den anderen Parteien scheinen die Sozialdemokraten auf das richtige Pferd gesetzt zu haben: Ihr Kanzlerkandidat Olaf Scholz gewinnt Woche um Woche an Beliebtheit.

Im Fall einer Direktwahl zum Kanzler oder zur Kanzlerin könnte der SPD-Kanzlerkandidat aktuell sogar mit einem Zustimmungswert von 44 Prozent rechnen. Das ist ein Zuwachs um zehn Prozentpunkte. Dagegen stürzte Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet um acht Prozentpunkte auf nur 21 Prozent Zustimmung ab. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock erreicht 16 Prozent (minus vier). Ob sich Scholz' Erfolg noch mehr auf die Zustimmungswerte der SPD auswirken wird, bleibt abzuwarten.

Hat gut lachen: Olaf Scholz, SPD-Kanzlerkandidat und Bundesminister der Finanzen.
Hat gut lachen: Olaf Scholz, SPD-Kanzlerkandidat und Bundesminister der Finanzen. © dpa

Bei der Frage, wer als Regierungschef oder -chefin geeignet ist, erreicht Scholz laut ZDF-Politbarometer sogar 59 Prozent (plus fünf). Laschet halten nur noch 28 Prozent als Kanzler für geeignet (minus sieben). 67 Prozent gaben explizit an, ihn nicht für geeignet zu halten. Baerbock trauen 23 Prozent die Regierungsführung zu (minus zwei), 70 Prozent tun dies nicht.

Mehr zum Thema Bundestagswahl 2021 in unserem Newsletter. Jetzt anmelden!

Bundestagswahl: Wie wahrscheinlich ist eine Ampel-Koalition?

Nimmt man das ZDF-Politbarometer als Grundlage, so könnte Scholz derzeit aber nur in einer Ampel-Koalition mit Grünen und FDP Kanzler werden. Dafür müsste die SPD ihr Ergebnis noch leicht verbessern – oder die Grünen, die derzeit ebenfalls auf 19 Prozent kommen, Scholz den Vortritt lassen.

Ob diese Koalition überhaupt zustande kommen könnte, ist fraglich: Streitthemen gibt es zwischen SPD, Grünen und FDP reichlich, und zwar unabhängig davon, ob nun SPD-Mann Olaf Scholz oder Grünen-Frau Annalena Baerbock ins Kanzleramt einzieht. Beispiele sind die Vermögenssteuer und das Tempolimit auf Autobahnen – hier sind SPD und Grüne jeweils dafür und die FDP ist dagegen.

Gesellschaftspolitisch sind die Unterschiede zwischen Liberalen, Grünen und Sozialdemokraten geringer. So wollen alle drei Parteien das Elterngeld ausbauen, Hartz IV grundlegend reformieren, die Rechte sexueller Minderheiten stärken und die Freigabe von Cannabis für Erwachsene mindestens erproben.

Die Forschungsgruppe Wahlen befragte von Dienstag bis Donnerstag 1.252 zufällig ausgewählte Wahlberechtigte. Die Fehlerquote wurde je nach Prozentwert mit zwei bis drei Prozentpunkten angegeben.

Wahlumfragen sind generell immer mit Unsicherheiten behaftet. Unter anderem erschweren nachlassende Parteibindungen und immer kurzfristigere Wahlentscheidungen den Meinungsforschungsinstituten die Gewichtung der erhobenen Daten. Grundsätzlich spiegeln Umfragen nur das Meinungsbild zum Zeitpunkt der Befragung wider und sind keine Prognosen auf den Wahlausgang.

Lesen Sie auch: Diese Parteien sind zur Bundestagswahl 2021 zugelassen

(mit dpa)