Berlin. Scholz, Laschet und Baerbock treten am Sonntag wieder bei einem Triell an. Das verrät die Körpersprache der Kanzlerkandidaten über sie.

Wer Kanzler oder Kanzlerin werden will, muss die stärksten Inhalte liefern. Aber auch mit Körpersprache und rhetorischer Finesse lassen sich Stimmen gewinnen. Wie performen die drei Kanzlerkandidaten in diesen Bereichen?

Die Bundestagswahl rückt immer näher. Im Rennen um das Kanzleramt beginnt für Annalena Baerbock, Olaf Scholz und Armin Laschet der Endspurt. Im zweiten Triell am Sonntagabend haben alle drei die nächste Chance, bei den Wählerinnen und Wählern entscheidende Sympathiepunkte zu sammeln. Eine immens wichtige, aber keine einfache Aufgabe: Gerade bei TV-Auftritten müssen die Kandidaten nicht nur mit inhaltlichen Argumenten überzeugen – das Augenmerk der Zuschauer liegt auch auf der der Körpersprache und der Kommunikation.

Was sind die Stärken der jeweiligen Kandidaten in den Bereichen Gestik, Mimik und Rhetorik? Was die Schwächen? Und auf welche charakteristischen Eigenschaften können Zuschauerinnen und Zuschauer beim Triell achten? Zwei Experten geben Auskunft.

Von nüchtern bis kumpelhaft: Die Rhetorik der Kandidaten

"Annalena Baerbock liegt der argumentative Nahkampf", sagt Moritz Kirchner, Kommunikationstrainer und Diplom-Psychologe in Potsdam. Für ihn wirkt die Spitzendkandidatin der Grünen dann souverän, wenn sie frei redet und in den offenen Schlagabtausch mit Laschet und Scholz tritt. Eine weitere Stärke: "Sie wählt eine zielgruppenspezifische Ansprache, die eng mit ihrer Biografie verknüpft ist." Als rhetorische Schwäche konstatiert der Coach jedoch, dass unter den einstudierten Passagen ihre Schlagfertigkeit leide.

Außerdem sei leicht erkennbar, ob Baerbock auf eine Frage eine Antwort habe (Kirchner: "Dann ist sie sehr präzise") oder nicht ("Dann bewegt sie sich manchmal bei den Werten grüner Politik, aber nicht unbedingt bei der konkreten Frage"). Kirchner rät der Kandidatin, die inhaltliche Kritik an der Bundesregierung im Endspurt etwas zurückzudrehen und verstärkt für die "Chancen einer grünen Regierung und deren konkreter Politik" einzutreten. So könnten auch Nicht-Grün-Wähler leichter begeistert werden.

SPD-Kandidat Scholz setzt auf Seriösität und Ruhe

Die Wahlkampagne von Olaf Scholz wird vor allem von den Worten Respekt und Anerkennung begleitet. Das schaffe Vertrauen bei den Wählerinnen und Wählern, sagt Kirchner. Auch die sachliche, vom Pathos befreite Wortwahl käme dem SPD-Politiker zugute: "Scholz‘ seriöser Stil, bis hin zur Langeweile, verleiht ihm etwas staatsmännisches." Dadurch könne er, "ältere Menschen, die eher zur Union tendieren, für sich gewinnen."

Bei inhaltlichen Angriffen mache Scholz ebenfalls eine gute Figur: "Er hat die rhetorische Gabe, selbst scharfe Kritik souverän zu parieren". Was Scholz verbessern könne? Mal "aus sich rausgehen, Emotionen zeigen", empfiehlt Kirchner. Andererseits, so der Experte, warum in dieser Situation den Ton ändern? "Läuft ja in den Umfragen für Scholz und die SPD." Dennoch bleibe abzuwarten, ob die scholzische Methode der ständigen Versachlichung von Themen auch im morgigen Triell bei den Zuschauern gut ankommen wird. "Wenn er das wiederholen kann, ist das eine starke Leistung", sagt Kirchner.

Experte: Laschet kommuniziert mittlerweile konfrontativer

Stabilität und Verlässlichkeit – zwei Begriffe, die Laschet häufig verwendet und damit laut Kirchner im Sinne einer konservativen Partei handle. Der Spitzenkandidat der Union trete gegenüber Baerbock und Scholz mittlerweile "konfrontativer und kantiger" auf, analysiert Kirchner. Einstudierte Textteile trage er, anders als seine Kontrahentin von den Grünen, besonders souverän vor. Auch mit seinem rheinischen, bisweilen kumpelhaften Ton könne er bei den Wählern punkten.

Laschets Schwächen in der Kommunikation: "Das Gefühl vieler Menschen, dass Politiker häufig keine konkreten Antworten haben, bedient er definitiv am meisten von den Kandidaten", so Kirchner. Bei der Formulierung der politischen Ziele der Union sieht der Experte bei Laschet auch nach wie vor "massive Probleme". Aus Kirchners Sicht müsse der CDU-Politiker in den kommenden Triellen folgendes beweisen: Kann er seine Emotionen im Griff behalten, wenn er inhaltlich konfrontiert wird und schafft er es, die Fragen zur Politik seiner Partei präziser zu beantworten?

"Man kann nicht zu viel Gestik machen": Die Körpersprache der Kandidaten

Bei zukünftigen Kanzlern oder Kanzlerinnen sind in puncto Körpersprache vor allem drei Dinge wichtig, erklärt Michael Moesslang, Coach für Präsentation, Körpersprache und Rhetorik. "Er oder sie muss auf jeden Fall souverän, sympathisch und staatsmännisch wirken." Annalena Baerbock habe prinzipiell eine gute Gestik und auch Mimik, findet Moesslang.

"Beim Triell hat Baerbock sehr aufrecht gewirkt und sie hat die Hände nicht an der Seite festgeklammert, sondern auf das Rednerpult gelegt." Aber: Ihr Auftreten habe auch häufig einstudiert gewirkt, "insbesondere, wenn sie Richtung Laschet oder Scholz gezeigt hat." Für den Experten sei das nicht zwangsläufig etwas Schlechtes, je natürlicher allerdings ein Auftritt rüberkäme, desto glaubhafter sei er auch. "Wenn wir jemandem zuhören, dann prüfen wir unterbewusst die Aufrichtigkeit der Person", erläutert Moesslang.

Wirkt etwas einstudiert oder künstlich, "dann vertrauen wir dem Menschen automatisch weniger." Um die Zuschauer von sich zu überzeugen, sollte Baerbock beim kommenden Triell darauf achten, authentischer und damit sympathischer rüberzukommen. Moesslang rät der Grünen-Spitzendkandidatin daher auch mehr zu lächeln.

Scholz zeigt wenig Gefühl bei Auftritten - ein Problem?

SPD-Mann Scholz hingegen hätte das Problem, dass er häufig zu wenig Gestik und Mimik zeige. Studien legen allerdings nahe, so Experte Moesslang, dass Menschen durch eine lebendige Körpersprache glaubhafter wirken. "Bei Scholz fehlt jedoch diese gestische Unterstreichung des Gesagten", so Moesslang und ergänzt: "Man kann nicht zu viel Gestik machen." Wie Rhetorik-Experte Kirchner attestiert auch Moesslang Scholz ein "staatsmännisches" Auftreten. "Er bleibt sehr ruhig und stellt seine Erfahrungswerte in den Vordergrund."

Unions-Kandidat Laschet kommt durch seine Körpersprache sehr sympathisch rüber, sagt Moesslang. Was er besonders gut mache? Er lächle viel. Auch insgesamt findet der Experte, kann Laschet mit seiner Gestik punkten. Er sollte jedoch aufpassen, dass ihm seine Mimik nicht entgleite, wenn er nicht rede und die Fernsehkameras ihn dennoch einblenden würden. "Dann hat er oft einen fast schon verzweifelt traurigen Blick", sagt Moesslang. "Der ist ihm nicht bewusst. Und das ist einer der Punkte, durch den ihn die Menschen dann nicht mehr als staatsmännisch einstufen."

Auffallend sei außerdem der häufig erhobene Zeigefinger: Manchmal passe diese Geste, sie habe jedoch auch immer etwas "dominantes und belehrendes". In Bezug auf Laschets Körpersprache im ersten Triell merkt Moesslang außerdem noch an: "Ich hatte so zwei-, dreimal das Gefühl, dass er auf einen Zettel schaut." Künftig sollte Laschet vor allem seine Haltung ändern: "Er stand oft mit abgeknicktem Knie oder auf einem Bein da und es wirkte so, als würde er sich am Rednerpult festhalten. Darauf müsste er achten."