Berlin. „Die steigende Zahl von Angriffen ist besorgniserregend“: CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer will gefährdete Bürgermeister schützen lassen.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer fordert angesichts der steigenden Zahl von Angriffen gegen Kommunalpolitiker staatlichen Schutz für Betroffene. „Ich komme selbst aus der Kommunalpolitik und bin noch sehr eng vernetzt. Die steigende Zahl von Angriffen auf Kommunalpolitiker, Mandatsträger, Einsatzkräfte und selbst Mitglieder der Gemeindeverwaltung ist besorgniserregend“, sagte die CDU-Chefin unserer Redaktion.

Dies sei auch ein Ausdruck des sich verändernden Klimas in unserer Gesellschaft. „Es ist aber nicht der richtige Weg, Kommunalpolitiker zu bewaffnen. Ihr Schutz ist vielmehr eine staatliche Aufgabe. Wenn Kommunalpolitiker besonders gefährdet sind, dann müssen sie entsprechende staatliche Schutzmaßnahmen erhalten. Das kann man nicht davon abhängig machen, ob Politiker auf der Bundes-, Landes- oder der kommunalen Ebene tätig sind“, betonte Kramp-Karrenbauer.

Angriffe auf Politiker: Bürgermeister beantragt großen Waffenschein

Sie reagierte damit auf den Bürgermeister von Kamp-Lintfort, Chris­toph Landscheidt (SPD), der wegen Drohungen aus der rechten Szene einen Waffenschein beantragt hatte.

Landscheidt führte an, er werde seit dem Europa-Wahlkampf, „bei dem ich volksverhetzende Plakate habe abhängen lassen, massiv aus der rechten Szene bedroht“. Den Waffenschein habe er beantragt, um Angriffen gegen sich und seine Familie nicht schutzlos ausgeliefert zu sein. Er habe nicht vor, „bewaffnet durch die Straßen zu ziehen“.

Landscheidt klagt vor dem Düsseldorfer Verwaltungsgericht auf Erteilung eines großen Waffenscheins, nachdem ihm dieser von der zuständigen Behörde verweigert worden war. Der Kamp-Lintforter Bürgermeister, der selbst Richter war, beklagt, dass die „vorhandenen gesetzlichen und rechtlichen Möglichkeiten gegen Verfassungsfeinde und Straftäter“ nicht ausgeschöpft werden.

Demos in Kamp-Lintfort aus Solidarität mit Bürgermeister Landscheidt

Es sei nicht vertretbar, „wenn gegen Bürgermeister, die volksverhetzende Plakate abhängen, ihrerseits wegen Sachbeschädigung und Wahlfälschung ermittelt wird, während das Verfahren wegen Volksverhetzung und andere Delikte kurzerhand eingestellt wird“.

Aus Solidarität mit Landscheidt waren in der Stadt am Niederrhein am Sonnabend mehrere Hundert Menschen auf die Straße gegangen. Anlass für die Demonstration war eine gleichzeitige Kundgebung der Partei Die Rechte gegen Landscheidt.

Angriffe auf Amts- und Mandatsträger gestiegen

Die „Welt am Sonntag“ hatte berichtet, dass sich die Zahl der polizeilich erfassten Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger 2019 deutlich erhöht habe. Demnach wurden beispielsweise in Niedersachsen 167 solcher Straftaten regis­triert – 59 mehr als im Vorjahr. In Baden-Württemberg wurden im vergangenen Jahr 104 solcher Straftaten verzeichnet (2018: 81) und in Rheinland-Pfalz 44 (2018: 25).

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) rief angesichts der zunehmenden Angriffe auf Amts- und Mandatsträger zur Verteidigung der Demokratie auf. „Das demokratische Zusammenleben in unserer Gesellschaft ist bedroht“, erklärte Giffey über einen Sprecher in Berlin.

„Wenn Lokalpolitikerinnen und Lokalpolitiker ihre Arbeit nicht mehr machen können, ohne Angst vor Rechtsradikalen zu haben, macht das deutlich, wie stark der Extremismus unsere Demokratie schon heute gefährdet.“ Die Gesellschaft dürfe dies „nicht hinnehmen“, forderte Giffey.

Die Ministerin mahnte eine „harte Strafverfolgung“ an: „Niemand darf ungestraft Angst verbreiten und Menschen, die vor Ort Verantwortung tragen, angreifen.“ (gau/mün/san)

Angriffe auf Amts- und Mandatsträger – Mehr zum Thema

Jedes Jahr werden Hunderte Politiker zum Ziel von Gewalt. Erst vergangene Woche war in Niedersachsen ein Bürgermeister wegen rechtsextremer Übergriffe zurückgetreten. Nur wenige Tage später erhielt der Oldenburger Polizeichef nach AfD-Kritik Morddrohungen. Vor einem Monat waren Hamburgs Innensenator Grote und sein Sohn auf dem Weg zur Kita im Auto angegriffen worden.

Auch Grünen-Politikerin Claudia Roth erhielt Ende vergangenen Jahres Nazi-Morddrohungen, lässt sich davon aber nicht einschüchtern. Der tödliche Schuss eines Rechtsextremisten auf Walter Lübcke ist einer der prominentesten Fälle aus dem vergangenen Jahr.