Berlin. Mit Merz hat die CDU den dritten Vorsitzenden in drei Jahren gewählt. Der neue Chef kämpfte nach der Wahl mit seinen Emotionen.

Es ist kurz nach Mittag, als Friedrich Merz öffentlich mit den Tränen ringt. Eben hat die übergroße Mehrheit der Delegierten des CDU-Digital-Parteitags den 66-Jährigen zu ihrem neuen Bundesvorsitzenden gewählt. Das Ergebnis könnte kaum besser sein: 915 von 983 Delegierten haben Merz die Stimme gegeben, 16 haben sich enthalten. Er kommt damit auf eine Zustimmung von fast 95 Prozent. Merz ist überwältigt.

Für einen Augenblick an diesem Samstag wird der neue starke Mann an der Parteispitze von seinen Gefühlen übermannt. So kannte ihn die Öffentlichkeit bislang nicht. „Ich nehme das Wahlergebnis an und bin tief bewegt und beeindruckt“, sagt Merz mit brüchiger Stimme, als er im Berliner Konrad-Adenauer-Haus ans Mikrofon tritt, „herzlichen Dank!“ Er wolle die Arbeit jetzt „mit Kraft und Herz zugleich“ anpacken, sagt er und fängt sich schnell wieder. Er hat sein Ziel endlich erreicht.

Friedrich Merz: Aller guten Dinge sind drei

Drei Versuche hatte der Wirtschaftsfachmann und ehemalige Unionsfraktionschef unternommen, um auf jenen Posten zu kommen, um den er so beharrlich gekämpft hat. Bei seiner ersten Kandidatur um den CDU-Vorsitz im Jahr 2018 unterlag Merz gegen Annegret Kramp-Karrenbauer, 2021 dann gegen den bisherigen Amtsinhaber und gescheiterten Kanzlerkandidaten Armin Laschet. Diesmal hat es für Merz geklappt, selbst wenn seine Wahl formal immer noch nicht in trockenen Tüchern ist. Aus rechtlichen Gründen muss das Ergebnis noch per Briefwahl schriftlich bestätigt werden. So sind die Regularien bei Online-Parteitagen. Am 31. Januar wird ausgezählt.

Dennoch ist an Merz‘ Erfolg nicht mehr zu rütteln. Selbst CSU-Chef Markus Söder, der am Samstagnachmittag live aus Bayern zugeschaltet ist, um Merz seine Glückwünsche übermitteln, klingt da ein bisschen neidisch: „Das ist schon ein dickes Pfund“, sagt Söder über das Ergebnis, „so was hätte ich selbst gern mal gehabt“. Merz war der einzige Kandidat. Er war zuvor bei der ersten Mitgliederbefragung der CDU zum Parteivorsitz im Dezember für das Amt mit 62,1 Prozent nominiert worden.

Merz dämpft Erwartungen an die CDU

In seiner Antrittsrede umreißt Merz, wohin er die CDU in den kommenden Jahren führen will – und dämpft zugleich Erwartungen an rasche Erfolge. Die Union müsse als Opposition von heute den Anspruch an sich selbst stellen, wieder die Regierung von morgen sein zu können, fordert Merz. „Täuschen wir uns nicht, bis dahin kann es ein weiter Weg sein. Wie lang der Weg wirklich wird, liegt nicht allein an uns, aber auch an uns“, mahnt Merz. Die entscheidende Voraussetzung sieht er in der Teamarbeit.

Lesen Sie auch: "Merz im Schafspelz" - Kühnert warnt vor neuem CDU-Chef

„Wenn wir uns streiten, wenn wir in alle Himmelsrichtungen auseinanderlaufen, wenn wir ein unklares Bild abgeben“, dann werde es bis zu einer neuen Regierung „möglicherweise sehr lange dauern“, warnt Merz. Wenn die CDU dagegen schnell Tritt fasse und bei wichtigen Themen auf der Höhe der Zeit sei, „dann kann in der Niederlage auch zugleich ein neuer Anfang und eine neue Chance für uns liegen“. Er sei entschlossen, diese Chance zu nutzen. Die CDU sei liberal und offen für Neues, sozial und bewahrend zugleich, „das ist im besten Sinne des Wortes konservativ“.

Merz und Söder gehen auf Kuschelkurs

Zudem müsse die CDU für wirtschaftliche Kompetenz und soziale Verantwortung stehen und bei Themen wie Zukunft der Rente, Klima, Sicherheit und bei der Verteidigung demokratischer Werte klare Positionen beziehen. Auch das Verhältnis zur CSU müsse sich dauerhaft verbessern, mahnt Merz. Von Söder bekommt er hierfür eine Zusage. Das Verhältnis der beiden Schwesterparteien müsse anders werden „und es wird anders werden“, verspricht der zugeschaltete Söder. Er biete die Zusammenarbeit der CSU an.

Merz nutzt seine Rede auch, um Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) direkt zu attackieren. „Sie, Herr Scholz“, setzt Merz an, um dem Kanzler dann über mehrere Minuten mangelnde Führungsstärke etwa bei Impfpflicht, in der Ukraine-Krise und bei der Bekämpfung der Inflation vorzuwerfen. Es ist die neue Rolle von Merz als angehender Chef der größten Oppositionspartei.

CDU-Parteitag: Das ist die neue Führungsspitze

Neben März wählt der Parteitag auch die übrige Führungsspitze neu. Dem neuen CDU-Generalsekretär und einstigen Berliner Sozialsenator Mario Czaja bescheren die Delegierten ein ebenfalls sattes Ergebnis von fast 93 Prozent. Es zeigt sich: Die Partei ist nach dem historischen Wahldesaster bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr und dem Verlust des Kanzleramts bestrebt, ihrer neuen Führung den Rücken zur stärken. Das Bedürfnis nach Geschlossenheit scheint groß.

Czaja hebt in seiner Bewerbungsrede vor allem soziale Themen wie Renten, Kinderarmut, Wohnungsnot und die Gesundheitsversorgung auf dem Land hervor. „Wir müssen uns neu ausrichten“, sagte er mit Blick auf die Niederlage bei der Bundestagswahl. Es gelte, „Leerstellen zu füllen, die vorhanden sind“. Man müsse die Vergangenheit aufarbeiten, dann aber auch einen Punkt dahinter setzen. Die von Merz als künftige stellvertretende Generalsekretärin präsentierte Bundestagsabgeordnete Christina Stumpp kann aus formalen Gründen erst später auf einem Präsenzparteitag gewählt werden.

Von den fünf stellvertretenden Parteivorsitzenden erhält der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer mit 93 Prozent das beste Ergebnis. Die niedersächsische Bundestagsabgeordnete Silvia Breher, die als einzige erneut als Vize angetreten war, kommt auf 82 Prozent. Als weitere neue Vizes von Parteichef Merz wurden der Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann aus Nordrhein-Westfalen (82 Prozent), die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien (71 Prozent) und der Abgeordnete Andreas Jung aus Baden-Württemberg gewählt. Die langjährige Vize-Parteichefin und frühere Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner ist fortan neue Schatzmeisterin.