Erfurt. Den “Gordischen Knoten“ in Thüringen lösen - dabei soll die CDU-Politikerin Lieberknecht dem Linken Ramelow helfen. Doch über den Weg zu Neuwahlen und eine Übergangsregierung wird in Erfurt weiter gestritten.

Zwischen Linke, SPD und Grünen sowie der CDU gibt es Meinungsverschiedenheiten über den Zeitpunkt einer Neuwahl in Thüringen.

Vor einem erneuten Treffen der vier Parteien zur Beilegung der Regierungskrise machte die CDU-Fraktion deutlich, dass eine Neuwahl erst der letzte Schritt nach der Bildung einer Übergangsregierung mit der ehemaligen CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht an der Spitze sein sollte.

Lieberknecht ist nach CDU-Angaben grundsätzlich bereit, bei der Lösung des "Gordischen Knotens" zu helfen - zuvor müssten sich die vier Parteien jedoch auf einen gemeinsamen Fahrplan verständigen.

Ex-Regierungschef Bodo Ramelow hatte vorgeschlagen, noch vor einer Wahl Lieberknechts den Weg für eine Neuwahl freizumachen. Für die Vorbereitung einer erneuten Landtagswahl seien mindestens 70 Tage nötig.

In den Verhandlungen mit der CDU sei noch "viel Musik", sagte ein Vertreter der SPD am Abend. Ob die Gespräche an der Frage des Zeitpunkts für Neuwahlen scheitern oder ob ein Kompromiss möglich ist, blieb zunächst offen.

Für eine Neuwahl ist im Landtag eine Zwei-Drittel-Mehrheit der 90 Abgeordneten nötig. Linke, SPD und Grüne kommen zusammen nur auf 42 Sitze im Parlament. Gebraucht wird damit die Unterstützung der CDU mit ihren 21 Sitzen.

Die CDU-Fraktion ging zunächst nur teilweise auf Ramelows Überraschungsangebot ein, Lieberknecht an die Spitze einer "technischen Regierung" mit nur drei Ministern zu setzen. Für Stabilität brauche es eine Regierung des Übergangs, sagte CDU-Landes- und Fraktionschef Mike Mohring. "Wir begrüßen, dass Bodo Ramelow vorgeschlagen hat für so eine Regierung Christine Lieberknecht vorzuschlagen." Sein Angebot greife aber zu kurz.

"Wir finden, um diese Stabilität zu erreichen, braucht es eine Regierung, die vollständig besetzt und parteiübergreifend von berufenen Experten bestellt wird", so Mohring. Nach seinen Angaben steht aus CDU-Sicht zunächst eine stabile Regierungsarbeit und ein Haushalt für 2021 im Vordergrund. Der 48-Jährige sagte, dass ein solcher Haushalt von einer Übergangsregierung nicht nur aufgestellt, sondern auch vom aktuellen Landtag beschlossen werden müsste. Die CDU sehe darin einen Weg zu Stabilität, den "überhastete Neuwahlen" nicht bringen würden, so ein Abgeordneter.

Die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans kritisierten das CDU-Vorgehen in der Thüringer Regierungskrise. Jedes Zuwarten und jede Verzögerung ohne eine handlungsfähige Landesregierung untergrabe das Vertrauen in die Demokratie. "Nach den jüngsten Erfahrungen sollten die Wählerinnen und Wähler mit schnellen Neuwahlen - wie von Thüringens SPD-Landeschef Wolfgang Tiefensee von Anfang an vorgeschlagen - wieder für eine handlungsfähige, demokratische Regierungsmehrheit sorgen."

Die 61-jährige Lieberknecht war von 2009 bis 2014 Regierungschefin in Thüringen und führte damals eine Koalition von CDU und SPD an. Nach der Landtagswahl 2014 entschied sich die SPD für ein Bündnis mit den Linken und den Grünen. So kam es zum Machtwechsel, obwohl die CDU damals stärkste Fraktion im Landtag blieb. Lieberknecht wird schon seit vielen Jahren ein gutes Verhältnis zu Ramelow nachgesagt.

Bei Ramelows Wunschkoalitionspartnern SPD und Grüne stieß sein Vorschlag, Lieberknecht an die Spitze einer Übergangsregierung zu setzen, auf Zustimmung. Auch von seiner Partei im Bund erhielt Ramelow Rückendeckung. Der Linken-Vorsitzende Bernd Riexinger appellierte an die Thüringer CDU, die vorgeschlagene Übergangsregierung zu unterstützen. Das sei "der beste und intelligenteste Vorschlag", um zügig zu Neuwahlen zu kommen, erklärte Riexinger. Grünen-Chef Robert Habeck nannte den Vorschlag "sinnvoll". "Er kann die Tür öffnen, um aus der Regierungskrise zu kommen und geordnete Neuwahlen zu ermöglichen", sagte Habeck.

Bislang steckte die CDU in einem Dilemma. Sie ist an einen Parteitagsbeschluss gebunden, der eine Koalition oder ähnliche Zusammenarbeit sowohl mit der AfD als auch der Linken ausschließt. Sie will deshalb den Linken Ramelow nicht zum Ministerpräsidenten wählen. Ramelow, dessen rot-rot-grünes Bündnis keine Mehrheit hat, bestand aber bislang darauf, mit absoluter Mehrheit ins Amt gewählt zu werden, um nicht von AfD-Stimmen abhängig zu sein - also mit Hilfe der CDU oder der FDP.

Zuvor war der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Stimmen von AfD, CDU und FDP zum Ministerpräsidenten gewählt worden, nach bundesweiter Empörung aber zurückgetreten. Er ist noch geschäftsführend im Amt.