Berlin. Der Berliner Virologe ist der profilierteste Experte zur Corona-Krise. Nun übt er harsche Kritik an der Berichterstattung.

  • Christian Drosten drohte mit Rückzug aus den Medien – am Mittwoch fiel sein NDR-Podcast dann gleich mal aus. Das allerdings aus gesundheitlichen Gründen
  • Am Donnerstag war der Podcast wieder wie gewohnt abrufbar
  • Der Virologe der Berliner Charité gehört zu den führenden Forschern, die den Krisenstab der Bundesregierung beraten
  • Ein Unterschied, den er jetzt noch einmal betont: Drosten ist medizinischer Berater für die Politiker - und kein Entscheidungsträger
  • Nachdem er für den Suizid des hessischen Finanzministers in einem Brief verantwortlich gemacht wurde, drohte er mit Konsequenzen
  • Er persönlich müsse sich mit Podcasts oder bei Twitter nicht exponieren. „Ich brauche das nicht“

Er ist das deutsche Gesicht der Corona-Krise. Er berät die Kanzlerin. Ein Wissenschaftler, dessen Rat das Leben von Millionen Menschen beeinflusst. Jetzt droht der Berliner Virologe Christian Drosten mit seinem Rückzug aus den Medien. In der 24. Folge seines NDR-Podcasts „Coronavirus Update“ beschwerte sich Drosten darüber, dass Medien wider besseren Wissens Streit zwischen Virologen inszenierten oder eine Allmacht der Wissenschaft in der Krise beschrieben.

In der Podcast-Folge am Mittwoch sprach der Virologe nicht: Das lag aber laut NDR daran, dass er erkältet sei und derzeit nicht genug Stimme habe, um mit dem Sender zu sprechen. Und nein: Es gehe nicht um eine Infektion mit dem Coronavirus, sagte die Moderatorin in der Mittwochs-Folge des Podcasts, der sich stattdessen mit einem Blick hinter die Kulissen des NDR beschäftigte. Am Donnerstag war der Podcast dann wieder wie gewohnt abrufbar. Drosten sprach darin unter anderem über verschiedene Ansätze der Impfstoff-Forschung.

In seiner Kritik geht es Drosten um die Medien. In Talkshows werde versucht, Konflikte zwischen Wissenschaftlern zu schüren. Dabei würden schiefe Bilder gezeichnet und Experten Dinge angehängt, die nicht stimmten: So habe er kürzlich eine E-Mail bekommen, in der er persönlich verantwortlich gemacht worden sei für den Suizid des hessischen Finanzministers Thomas Schäfer.

Christian Drosten: Virologen als Comic-Figur – „Mir wird schlecht dabei“

„Wenn solche Dinge passieren, dann ist das für mich schon ein Signal dafür, nicht, dass wir nah an der Grenze sind, sondern dass wir über eine Grenze von Vernunft schon lange hinaus sind in dieser mediengeführten öffentlichen Debatte“, sagte Christian Drosten.

Er beschwerte sich auch über Zeitungen, die Karikaturen von Virologen abdruckten. „Ich sehe mich selber als Comicfigur gezeichnet und mir wird schlecht dabei. Ich bin wirklich wütend darüber, wie hier Personen für ein Bild missbraucht werden, das Medien zeichnen wollen, um zu kontrastieren. Das muss wirklich aufhören.“

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    Der Chef-Virologe an der Berliner Charité hatte in der Vergangenheit dünnhäutig auf Journalistenfragen etwa nach Spielabsagen in der Fußball-Bundesliga oder dem dann verschobenen CDU-Bundesparteitag reagiert, weil diese seiner Meinung nach dem Ernst der Lage nicht gerecht würden. Drosten sprach aktuell von einem „Wohlfühlniveau“ in der Gesellschaft, das sich bei einer möglichen Verschärfung der Krise in den nächsten Wochen verändern werde. Das erwartet Christian Drosten in den nächsten Pandemie-Wochen.

    Drosten: Entscheidungen treffen Politiker

    Mit Blick auf die Debatte über eine Exit-Strategie aus den Abschottungsmaßnahmen lobte Drosten die Ansage von Kanzleramtsminister Helge Braun. Der CDU-Politiker und Merkel-Vertraute hatte betont, die von Bund und Länder getroffenen Maßnahmen würden zunächst bis zum 20. April nicht infrage gestellt. Dann müsse geschaut werden, wie sich Schulschließungen, Kontakt- und Versammlungseinschränkungen auf die Kurve der Coronavirus-Infizierten auswirke.

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    Das ist Christian Drosten:

    • Christian Drosten ist 1972 geboren. Er wuchs auf einem Bauernhof im Emsland auf.
    • In Dortmund und Münster studierte er Chemietechnik und Biologie, später noch Humanmedizin in Frankfurt am Main.
    • Später arbeitete er am Institut für Tropenmedizin am Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg. Dort etablierte er ein Forschungsprogramm zur molekularen Diagnostik tropischer Viruskrankheiten.
    • 2003 war Drosten einer der Entdecker des Sars-Virus. Zusammen mit einem anderen Forscher gelang ihm die Entwicklung eines diagnostisches Tests auf das Virus.
    • Von 2007 bis 2017 war er Leiter der Virologie in Bonn, seit 2017 arbeitet er an der Charité in Berlin.
    • Er wurde bereits mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.

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    Mit Nachdruck unterstrich der Virologe, dass Bund und Länder die Entscheidungen zur Eindämmung des Virus träfen. Nicht die Virologen. Die Wissenschaft habe dafür kein demokratisches Mandat. „Ein Wissenschaftler ist kein Politiker, der wurde nicht gewählt und der muss nicht zurücktreten.“

    Dennoch werde weiterhin in Medien ein Bild „des entscheidungstreffenden Wissenschaftlers“ produziert. „Wir sind hier langsam an einem Punkt, wo dann demnächst auch die Wissenschaft in geordneter Weise den Rückzug antreten muss, wenn das nicht aufhört“, warnte Drosten.

    Virologe Christian Drosten: Brauche kein Twitter und Podcasts

    Er persönlich müsse sich mit Podcasts oder bei Twitter nicht exponieren. „Ich brauche das nicht.“ Für einen Wissenschaftler sei so eine starke mediale Präsenz sogar gefährlich. „Es kann wirklich karriereschädigend sein, sich zu sehr in die Öffentlichkeit zu begeben. Denn in der Öffentlichkeit muss man simplifizieren und muss Dinge vereinfachen. Das steht einem Wissenschaftler eigentlich nicht gut.“ Er mache das aber, weil epidemische Coronaviren nun mal sein Spezialgebiet seien.

    Seit 2017 ist Drosten an der Charité Direktor des Instituts für Virologie. Mit seinem Team entwickelte er einen Corona-Test. Kritik, er mache mit dem von ihm entwickelten Testverfahren Geld, wies er zurück. 2005 erhielt er für seine Verdienste während der Sars-Epidemie das Bundesverdienstkreuz. Seit Wochen berät er gemeinsam mit dem Präsidenten des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, den Krisenstab der Bundesregierung.

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      Er könne „frei und weitgehend ohne Fehler über das weitere Themenumfeld dieses Problems sprechen“, sagte Drosten. Fragt sich nur, wie lange er das noch öffentlich macht. Am Dienstag immerhin ging Drosten mit der 25. Folge seines NDR-Podcasts online.