Washington. Wütend schimpfte Trump über die FBI-Razzia in seinem Anwesen Mar-a-Lago. Doch der Einsatz könnte ihm nutzen – oder vor Gericht bringen.

Die Nachricht kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel: Völlig überraschend drangen am Montag Agenten des US-Bundeskriminalamts FBI in Mar-a-Lago, Florida in den privaten Wohnsitz des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump ein. Sie knackten einen Tresor, in dem Trump offenbar vertrauliche Dokumente verwahrte, die er illegal aus dem Weißen Haus entfernt haben soll.

Die spektakuläre Razzia wirft nun die Frage auf: Plant das Justizministerium seines Nachfolgers Joe Biden, den 45. Präsidenten anzuklagen und vor Gericht zu stellen? Oder beflügelt die Razzia Trump? Könnte es ihm gelingen, seinen Kopf ein weiteres Mal aus der Schlinge zu ziehen, und nutzt er die Aufregung, um seine Anhänger zu mobilisieren und den Weg für eine weitere Präsidentschaftskampagne zu pflastern?

Trump schimpfte über "Belagerung"

Am frühen Nachmittag ging es Schlag auf Schlag. Trump hielt sich in seinem Wolkenkratzer Trump Tower im Norden Manhattans auf, als bewaffnete Agenten der Sicherheitsdiensts Secret Service die Zufahrtsstraßen zu seinem Anwesen in Palm Beach weiträumig absperrten. Mit "safe crackers" öffneten sie einen Tresor in seinem Privatquartier und entfernten mehrere Kartons mit Dokumenten.

Sobald er die die Nachricht von der Razzia erhielt, blies der abgewählte Präsident prompt zum Angriff. Trump veröffentlichte auf seinem Netzwerk Truth Social eine Erklärung, in der er "den radikalen Linken" die Schuld an dem "Einbruch" gab. Eine "große Gruppe von FBI-Agenten" habe sein "wunderschönes Zuhause in Mar-a-Lago belagert, durchsucht und besetzt".

Polizisten stehen vor dem Eingang des Mar-a-Lago-Anwesens des ehemaligen US-Präsidenten Trump.
Polizisten stehen vor dem Eingang des Mar-a-Lago-Anwesens des ehemaligen US-Präsidenten Trump. © Wilfredo Lee/AP/dpa

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Die Biden-Regierung würde das Justizministerium, dem das FBI untersteht, "als Waffe einsetzen", um ihn in zwei Jahren an einer weiteren Präsidentschaftskandidatur zu hindern.

Andere Republikaner schlugen sich umgehend auf Trumps Seite und wiederholten abgedroschene Parolen über eine angebliche "Hexenjagd". Sie forderten, dass das FBI "Rechenschaft ablegen muss für eine Razzia, deren einzige Motivation darin besteht, den früheren Präsidenten zu diskreditieren".

Einmalige Aktion in der Geschichte der USA

Die Behörden hüllen sich in Schweigen. Justizminister Merrick Garland wollte nicht sagen, ob er die Razzia persönlich angeordnet hatte. Dass Garland grünes Licht gegeben hat, ist aber so gut wie sicher. Denn eine vergleichbare Aktion gegen einen ehemaligen Präsidenten hat es noch nie gegeben, nicht einmal gegen Richard Nixon, der 1974 im Gefolge des Watergate-Skandals seinen Rücktritt eingereicht hatte.

Rechtsexperten sind jedenfalls überzeugt, dass der Chef des Justizressorts die Razzia gegen den 45. Präsidenten nicht nur abgesegnet hat, sondern Garland das FBI vermutlich sogar persönlich angewiesen haben muss, nach Palm Beach zu fliegen.

Unter den Dokumenten befinden sich offenbar Briefe, die Trump von seinem Vorgänger Barack Obama und dem nordkoreanischen Staatschef Kim Jong-Un erhalten hatte. Politische Beobachter in Washington vermuten, dass es sich bei den beschlagnahmten Unterlagen auch um belastende SMS und Aufzeichnungen von Telefonaten handeln könnte, die Trump am 6. Januar 2021, dem Tag des Aufstands, mit wichtigen Republikanern führte.

FBI war schonmal bei Trump

Obwohl es sich um die erste unangekündigte Razzia gegen einen ehemaligen Präsidenten handelte, ist Mar-a-Lago der Kripo keineswegs fremd. Bereits im Juni waren FBI-Agenten ebenfalls dort erschienen, um nach Dokumenten zu fahnden. Damals begrüßte Trump die Beamten sogar in seinem privaten Esszimmer und plauderte mit ihnen, ehe sie 15 Kartons mit Papieren konfiszierten. Auch darunter befanden sich nach Angaben des Nationalarchivs Dokumente, die als "vertraulich" klassifiziert waren und in Washington hätten bleiben müssen.

Rechtsexperten weisen darauf hin, dass das Entfernen solcher Dokumente eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren nach sich ziehen könnte. Im Falle einer Verurteilung dürfte sich der Ex-Präsident nie wieder um ein öffentliches Amt bewerben. Aber es kann noch Monate dauern, bis feststeht, ob es zu einer Anklage kommt.

Trump könnte Anklage drohen

Unklar ist nämlich auch, zu welchen Verflechtungen es zwischen den parallel laufenden Ermittlungen kommen könnte, die das Justizressort eingeleitet hat. Schließlich laufen getrennte Untersuchungen zu Trumps Rolle bei der Anzettelung des blutigen Aufstands im Kapitol und nun seinen Umgang mit Dokumenten, die aufgrund des "Presidential Records Act“ in Washington hätten bleiben müssen.

Garland hat sich jedenfalls als Strippenzieher erwiesen, der unauffällig hinter den Kulissen agiert. Er zählt mittlerweile zu den mächtigsten Akteuren in Washington. Zwar hatte der angesehene Jurist in einem Memo geschrieben, dass er einen Präsidentschaftskandidaten grundsätzlich nicht anklagen würde. So gesehen könnte sich Trump gegen ein Strafverfahren schützen, indem er einfach seine Kandidatur bekannt gibt.

Nach den Kongressanhörungen zum Aufstand am Kapitol ruderte er aber zurück und sagte, dass er "ohne Ansehen der Person jeden Menschen verfolgen wird, der im Verdacht des Staatsverrats steht", eine klare Anspielung auf den früheren Präsidenten.

Sollte Garland hingegen nicht über genügend Beweise verfügen, um ein Strafverfahren einzuleiten, ob im Zusammenhang mit dem blutigen Putschversuch oder den vertraulichen Dokumenten, dann befürchten viele Demokraten, gäbe es Rückenwind für Trump. Die spektakuläre Razzia könnte seine politische Basis beflügeln und einer zweiten Präsidentschaftskampagne am Ende sogar helfen.

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Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.