Den Haag. Wer war verantwortlich für den Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 über der Ostukraine mit 298 Toten vor fast neun Jahren? Ermittler weisen in Richtung Kreml. Doch wird es einen Prozess geben?

Der russische Präsident Wladimir Putin spielte nach Erkenntnissen internationaler Ermittler eine aktive Rolle beim Abschuss des Passagierflugzeuges MH17 im Juli 2014 über der Ostukraine. Das gehe aus abgehörten Telefongesprächen hervor, teilte das Ermittlerteam in Den Haag mit.

Es gebe „starke Hinweise“ darauf, dass Putin entschieden habe, den prorussischen Separatisten die Luftabwehrrakete zur Verfügung zu stellen, mit der die Maschine später abgeschossen wurde. Einen direkten Beweis, dass Putin auch dem Abschuss zugestimmt hat, haben die Ermittler aber nicht - auch nicht gegen andere Verdächtige.

Die Ermittler gaben an, dass die Beweise für eine strafrechtliche Verfolgung nicht ausreichten. Außerdem genieße Putin durch sein Amt Immunität und könne nicht strafrechtlich verfolgt werden. Die strafrechtlichen Ermittlungen wurden daher vorläufig eingestellt. „Wir haben unsere Grenzen erreicht“, sagte die Staatsanwältin Digna van Boetzelaer.

Alle 298 Passagiere starben

Die Boeing der Malaysia Airlines wurde im Juli 2014 über umkämpftem Gebiet mit einer russischen BUK-Luftabwehrrakete abgeschossen. Alle 298 Menschen an Bord starben. Russland hat stets jegliche Beteiligung an dem Abschuss der Boeing zurückgewiesen. Weil die meisten Opfer aus den Niederlanden kamen, findet die Aufarbeitung in dem Land statt.

In Den Haag spielten die Ermittler bei ihrer Pressekonferenz die abgehörten Telefongespräche ab. Zu hören war nicht nur, wie hohe Berater des Kremls, sondern auch der russische Präsident selbst mit Anführern der prorussischen Separatisten sprachen. Damit wollten die Ermittler eine Befehlskette aufzeigen, an deren Spitze Putin nach ihrer Einschätzung stand.

Kreml-Berater: Schwere Waffen? Muss „Nummer eins“ entscheiden

Die Ermittlungen ergaben auch, dass führende Vertreter der Separatisten im Donbass vor dem Flugzeugabschuss mehrfach den Kreml um Lieferung von schweren Waffen gebeten hatten. Kreml-Berater machten im Gespräch mit den Separatistenführern deutlich, dass dies von „Nummer eins“ entschieden werden müsse. Auch ein Gespräch mit Putin selbst wurde in Den Haag abgespielt, aus dem hervorgeht, dass er persönlich an dem Konflikt in der Ostukraine beteiligt war.

Der niederländische Premier Mark Rutte nannte die Schlussfolgerung der Ermittler „bitter“ - vor allem für die Angehörigen der 298 Opfer der Katastrophe. „Aber ich will ganz deutlich sein: Wir lassen nicht locker“, sagte der Premier in Den Haag.

Ermittler: „Die Antworten liegen in Russland“

Auch die Angehörigen der Opfer äußerten sich enttäuscht. Piet Ploeg, Vorsitzender der Vereinigung der Hinterbliebenen, sagte: „Viele von uns hatten mehr erwartet.“ Er hoffe, dass die Ermittlungsergebnisse in noch laufenden zivilen Verfahren genutzt werden könnten.

Die Ermittlungen hätten gestockt, weil Russland die Zusammenarbeit verweigert habe, sagte der Chef der niederländischen Kriminalpolizei, Andy Kraag. „Die Antworten liegen in Russland.“

Die Maschine war am 17. Juli 2014 auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur, als sie über umkämpftem Gebiet mit einer russischen Luftabwehrrakete vom Typ BUK abgeschossen wurde. Gegen drei Russen und einen Ukrainer - alle hatten damals führende Positionen bei den prorussischen Separatisten in der Ostukraine - wurde Anklage erhoben. Im vergangenen Jahr wurden drei von ihnen in einem Prozess schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt. Ein Mann wurde freigesprochen. Keiner der Angeklagten nahm an dem Prozess teil.