Angehörige und Freunde nehmen in Kassel Abschied von Walter Lübcke. Noch immer ist unklar, wer den Regierungspräsidenten getötet hat.

Kassel Anfang Juni wurde der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke erschossen. Noch immer ist nicht klar, wer den 65-Jährigen getötet hat. An diesem Donnerstag nehmen die Angehörigen, Freunde und Weggefährten Abschied von ihm. Lübcke hinterlässt eine Frau und zwei erwachsene Kinder.

In der Kasseler Martinskirche gedachten am Nachmittag bei der Trauerfeier des getöteten Politikers. In seiner Predigt sprach der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, von einer „feigen Gewalttat“ und einem „unfassbaren Tod“.

Zur Grausamkeit der Tat komme die Ungewissheit, wer es gewesen sei, der Lübckes Leben kaltblütig und hinterrücks ein Ende gesetzt habe, sagte der Bischof in der Kasseler Martinskirche. Lübcke (65) war am 2. Juni spätabends vor seinem Wohnhaus mit einem Kopfschuss getötet worden. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln nach eigenen Angaben in alle Richtungen.

Fall Lübcke – Polizei geht fast 200 Hinweisen nach

Lübcke erschossen: Polizeibeamte durchsuchen die Nachbarschaft seines Wohnhauses.
Lübcke erschossen: Polizeibeamte durchsuchen die Nachbarschaft seines Wohnhauses. © Reuters | RALPH ORLOWSKI

Hein wandte sich in seiner Predigt auch scharf gegen Hasskommentare in den sozialen Netzwerken zum Tod des Kasseler Regierungspräsidenten. Dies sei nicht zum Aushalten gewesen, sagte er. „Und es war nötig, dass von höchster politischer Seite angesichts dieser Widerwärtigkeit in aller Deutlichkeit Abscheu bekundet wurde. Die Würde des Menschen, auch eines verstorbenen Menschen, muss unantastbar bleiben! Auch im Netz“, betonte Hein.

Walter Lübcke sei ein Mann des klaren Wortes, aber auch ein Mann der klaren Tat gewesen, würdigte der Bischof den Verstorbenen. Als im Sommer 2015 eine unübersehbar große Zahl von Flüchtlingen aus dem Vorderen Orient und aus Afghanistan nach Kassel und Umgebung gekommen sei, habe er dreimal nordhessische Aufnahmeeinrichtungen mit Lübcke zusammen besucht.

Sein Engagement für die Flüchtlinge habe dem Regierungspräsidenten allerdings nicht nur Freunde gebracht. Als sein „inneres Geländer“ habe Lübcke immer wieder die Orientierung an christlichen Werten wie Nächstenliebe und Wahrhaftigkeit bezeichnet. Regelmäßig sei er zu den Eröffnungsgottesdiensten der Kirchensynode nach Hofgeismar gekommen. „Er war evangelischer Christ – und machte keinen Hehl daraus. Ich glaube, er wäre auch ein guter Pfarrer gewesen“, sagte Hein.

Walter Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni auf der Terrasse seines Wohnhauses in Wolfhagen-Istha (Kreis Kassel) entdeckt worden. Er hatte eine Schussverletzung am Kopf und starb kurz darauf. Nach Angaben der Ermittler wurde der Schuss aus nächster Nähe abgegeben worden. Wer der Täter ist und was für ein Motiv er hatte ist bisher nicht klar.

  • Hintergrund:Der Fall Lübcke – Was wir bisher wissen und was nicht

Die Polizei ermittelt mit einer etwa 50-köpfige Sonderkommission ermittelt in dem Fall. Bisher sind bereits knapp 200 Hinweise eingegangen. Der Fall Lübcke war in der vergangenen Woche auch Thema in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“. „Wir ermitteln in alle Richtungen, alles andere ist Spekulation“, sagte der Sprecher des hessischen Landeskriminalamtes (LKA), Christoph Schulte.

Der frühere Landtagsabgeordnete Lübcke war ein politischer Spitzenbeamter. Er stand an der Spitze des Regierungspräsidiums Kassel, einer Art Mittelbehörde zwischen der Landesregierung und den Kommunen. Zwischenzeitlich war ein Verdächtiger befragt worden im Fall Lübcke: Polizei nahm wohl Sanitäter auf Nordsee-Fähre fest. (sdo/dpa)