Berlin. CDU-Chef Friedrich Merz will auch Vorsitzender der Unionsfraktion werden. Wie konservativ ist der künftige Oppositionsführer wirklich?

Er hat lange auf dieses Ziel hingearbeitet. Nun steht Friedrich Merz kurz davor, der neue starke Mann in der Union zu werden. Vor zwei Wochen wurde Merz offiziell CDU-Vorsitzender. An diesem Dienstag stellt sich der 66-Jährige als Chef der Unionsfraktion im Bundestag zur Wahl.

Möglich wurde das, weil Amtsinhaber Ralph Brinkhaus Ende Januar seinen vorzeitigen Rückzug angekündigt hatte. Sollte die Mehrheit der Abgeordneten wie erwartet für Merz stimmen, wird er Oppositionsführer. Er kehrt damit auf jenen Posten zurück, von dem Angela Merkel ihn vor rund 20 Jahren verdängt hatte.

Merz hat von jeher polarisiert. Er steht für klare Kante und scharfes Profil. In seiner politischen Laufbahn bekam er schon viele Etikette angeheftet, vor allem von seinen politischen Gegnern. „Neoliberal“, „konservativ, „Mann von gestern“ sind einige davon. Doch was davon ist Klischee und welche Positionen vertritt Merz tatsächlich? Eine Analyse.

CDU-Chef Friedrich Merz.
CDU-Chef Friedrich Merz. © Kay Nietfeld/dpa

Vater, Mutter, Kinder - Ist sein Familienbild tatsächlich so konservativ?

Im Kern vertritt Merz hier traditionelle Positionen. Auf dem CDU-Bundesparteitag im Januar sagte Merz: „Wir verteidigen die bürgerliche Gesellschaft und Familie“. Die Partei stehe auf einem „soliden Fundament“ und werde „nicht einfach dem Zeitgeist hinterherlaufen“. Allerdings ist Merz weniger dogmatisch als in jüngeren Jahren und als es ihm seine Kritiker unterstellen.

Im November, kurz nachdem er seine dritte Kandidatur für den CDU-Vorsitz erklärt hatte, gestand Merz: „Ich hatte zu wenig Zeit für meine Kinder. Das möchte ich meinen jüngeren Kolleginnen und Kollegen heute anders ermöglichen. Auszeiten, die sich junge Eltern für ihre Kinder nehmen, dürfen nicht länger als Karriereknick im Lebenslauf gesehen werden.“ Merz ist seit 1981 mit Ehefrau Charlotte verheiratet, sie haben drei erwachsene Kinder.

Wie hält es Friedrich Merz mit der Kirche?

Merz ist gläubiger Katholik und betonte immer wieder das Christliche als zentralen Markenkern der CDU. Darin unterscheidet sich Merz von der Protestantin und einstigen Parteichefin und Kanzlerin Angela Merkel, die ihren Glauben in der Öffentlichkeit selten thematisierte und auch keine sichtbare Nähe zu den christlichen Kirchen pflegte.

Merz bekennt sich dagegen sehr klar. „Wir brauchen diese beiden großen Kirchen in Deutschland als Stabilitätsanker für unsere Gesellschaft“, betonte Merz erst Anfang Februar. An anderer Stelle betonte er: „Das C gibt uns Orientierung, Halt und Demut.“ Lesen Sie auch: Brinkhaus will Kontaktbeschränkungen für Geimpfte

Ist Merz gesellschaftspolitisch von gestern?

Auf diesem Feld hat Merz seine größten Schwächen. Er fremdelet mit Themen wie Homosexualität und Frauenquote. Er äußerte sich mehrfach skeptisch zur Quote. Etliche Frauen in der Union sind deshalb nicht gut auf Merz zu sprechen, auch wenn er selbst bei sich kein „Frauenproblem“ sieht.

„Wenn das so wäre, hätten mir meine Töchter schon längst die gelbe Karte gezeigt und meine Frau mich vor 40 Jahren nicht geheiratet“, betonte er vor einem Jahr. Dennoch ist unbestritten, dass die Union im Vergleich zu anderen Parteien größere Schwierigkeiten hat, Frauen für sich zu interessieren.

Markus Söder (links) und Friedrich Merz bei einem Spaziergang.
Markus Söder (links) und Friedrich Merz bei einem Spaziergang. © dpa | Peter Kneffel

Bei der Besetzung der neuen CDU-Spitze bemühte sich Merz zwar um mehr weibliche Gesichter. Von den fünf Partei-Vizes sind dennoch nur zwei Frauen. Mit Mario Czaja wurde auch der Posten des Generalsekretärs mit einem Mann besetzt.

Für Negativ-Schlagzeilen sorgte Merz, als er im September 2020 auf die Frage, ob er sich einen homosexuellen Bundeskanzler vorstellen könnte, antworte: „Solange sich das im Rahmen der Gesetze bewegt und solange es nicht Kinder betrifft“, sei das kein Thema für die öffentliche Diskussion.

Seine direkte gedankliche Verknüpfung mit Straftaten sahen viele als Beleg für ein rückständiges Gesellschaftsbild von Merz an. In der Folgezeit versuchte Merz mehrfach, diesem Eindruck entgegenzutreten.

Ende Dezember zeigte er sich in einem Interview offen für Adoptionen von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare. „Manche homosexuellen Paare sind vermutlich bessere Eltern als manche heterosexuellen“, sagte Merz. Früher habe er das kritisch gesehen.

Friedrich Merz: Wie marktradikal ist er?

Merz hat unter anderem durch sein 2003 vorgestelltes, radikal vereinfachtes Bierdeckel-Steuerreformmodell sowie später durch seine langjährige Tätigkeit in der Finanzwelt das Etikett eines Wirtschaftsliberalen. Er war Aufsichtsratschef der deutschen Abteilung der US-Fondsgesellschaft Blackrock. Merz’ politische Kontakte machten ihn zum gefragten Lobbyisten.

Er war zudem Vize-Präsident des Wirtschaftsrats der CDU. Eine Nähe zur Finanzthemen ist gegeben. Aus dem CDU-Sozialflügel kamen Anfang des Jahres starke Bedenken, Merz könne die CDU als deren Vorsitzender zu wirtschaftsliberal aufstellen. Diese Kritik hat Merz offenbar sehr ernst genommen. Er holte den Berliner CDU-Sozialpolitiker Czaja an seine Seite.

Zudem betonte er im Lauf seiner Kandidatur mehrfach, dass die CDU unter ihm das Soziale nicht aus dem Blick verlieren werde. „Wir sind Anwalt der Schwachen, die unsere solidarische Hilfe brauchen“, sagt er etwa auf dem letzten Bundesparteitag.

Ein funktionierender Sozialstaat funktioniere aber nur über eine konkurrenzfähige Wirtschaft. An anderer Stelle betonte er, Deutschland brauche gezielte Einwanderung in den Arbeitsmarkt, aber nicht in die Sozialsysteme.

Ist Merz der reiche Ex-Wirtschaftsboss?

Er würde es wohl anders formulieren. Aber letztlich: Ja, er ist es, auch wenn Reichtum ein relativer Begriff ist. Nach eigenen Angaben hat Merz in der freien Wirtschaft zuletzt rund eine Millionär Euro im Jahr verdient.

Verglichen mit anderen Chefs der großen Finanzwelt zählt er damit nicht zu den Top-Verdienern. Trotzdem sorgte er vor einigen Jahren für Verwunderung, als er sich in einem Interview als Angehöriger der „gehobenen Mittelschicht“ bezeichnete. Es sollte wohl bescheiden klingen.