Doha. Ausgerechnet der grüne Wirtschaftsminister muss auf große fossile Einkaufstour gehen. In Katar vermeldet Robert Habeck einen Erfolg.

Der Mann, der Robert Habeck aus der Klemme helfen soll, bleibt im Verborgenen. Dass der deutsche Vizekanzler und Wirtschaftsminister am Sonntag zu Gast war bei Emir Scheich Tamim bin Hamad Al-Thani, Regierungschef des Emirats Katar, wird allein durch offizielle Fotografen dokumentiert. Nur Bilder, die vom Palast in Doha abgesegnet wurden, schaffen es als Beleg für die Nachwelt nach draußen. Einen gemeinsamen Auftritt vor Journalisten und Journalistinnen gibt es nicht, Fragen schon gar nicht. Der Emir legt Wert darauf, die Kontrolle zu behalten.

Dass Al-Thani und seine Regierung die Sorte Partner sind, an die die Grünen gedacht haben, als sie erklärten, deutsche Außenpolitik solle in Zukunft wertegeleitet sein, darf bezweifelt werden. Das Emirat Katar steht immer wieder im Verdacht, radikalislamische Terrorgruppen zu finanzieren, den Taliban erlaubte man 2013, ein Büro in Doha zu gründen.

Katar: NGOs kritisieren Menschenrechtssituation

Dazu kommt die Menschenrechtssituation im Land: Amnesty International und andere Nichtregierungsorganisationen kritisieren seit langem die Lage der rund zwei Millionen Arbeitsmigranten im Land, von denen viele auf dem Bau arbeiten und zum Beispiel die Stadien für die Fußballweltmeisterschaft in diesem Jahr errichtet haben. Einem Bericht des britischen Guardian zufolge sind auf den Baustellen seit der Vergabe der WM an Katar im Jahr 2010 tausende von ihnen gestorben. Zwar gab es in den vergangenen Jahren Reformen, doch die würden nicht ausreichend umgesetzt, bemängeln Kritiker.

In der Bundesregierung war man deshalb bislang wenig motiviert, die wirtschaftlichen Beziehungen zum Emirat auszubauen. Doch das hat sich seit der Invasion Russlands in der Ukraine geändert. Denn Katar hat, was Deutschland derzeit dringend braucht: Große Mengen Gas. Lesen Sie auch: Energie in Deutschland: Russisches Gas erst 2027 ersetzbar

Nach Russland und dem Iran besitzt das kleine Fürstentum auf einer Halbinsel im Osten von Saudi-Arabien die größten Erdgasreserven weltweit. Kein anderes Land exportiert so viel Flüssiggas wie Katar, und in den kommenden Jahren will die Al-Thanis Regierung die Fördermengen noch einmal deutlich erhöhen.

Kommt das Gas für Deutschland zukünftig aus Katar?

Bislang geht vom katarischen Gas allerdings nichts nach Deutschland. Das soll in Zukunft anders werden. Denn der russische Überfall auf die Ukraine hat die energiepolitischen Pläne der Bundesregierung für die kommenden Jahrzehnte zunichte gemacht.

Das Gas, das im Übergang zu erneuerbaren Energien und grünem Wasserstoff sicherstellen sollte, dass in Deutschland auch bei Windstille und Wolken die Lichter nicht ausgehen, kommt derzeit noch etwa zur Hälfte aus Russland. Und wie lange es überhaupt noch ankommt, kann niemand sagen. Auch interessant: Energie: Belgien will Atomausstieg um zehn Jahre verschieben

Im Bundeswirtschaftsministerium ist man deshalb alarmiert. Auch wenn sich im Notfall nach Einschätzung des Thinktanks Agora Energiewende durch Energiesparmaßnahmen kurzfristig rund 160 bis 260 Terawattstunden einsparen ließen: Sollte Russland sich entscheiden, die Lieferungen zu stoppen, rechnet man in Habecks Haus mit gravierenden Folgen für Deutschland.

Robert Habeck (2.v.l.) und Saad Scharida al-Kaabi (2.v.r.), Energieminister von Katar, treffen sich zusammen mit Claudius Fischbach (l), Botschafter Deutschlands in Katar, im Hotel Sheraton zu einem Gespräch.
Robert Habeck (2.v.l.) und Saad Scharida al-Kaabi (2.v.r.), Energieminister von Katar, treffen sich zusammen mit Claudius Fischbach (l), Botschafter Deutschlands in Katar, im Hotel Sheraton zu einem Gespräch. © Bernd von Jutrczenka/dpa

Norwegen, Katar: Habeck reist auf der Suche nach Erdgas herum

Ausgerechnet der grüne Vizekanzler war deshalb in den vergangenen Wochen unterwegs, um fossiles Erdgas aufzutreiben, wo es nur geht. Vor Katar war er nach Norwegen gereist, brachte die Zusicherung des norwegischen Regierungschefs mit, die Förderkapazitäten zügig auszubauen. Auch Kanada und die USA stehen auf der Liste der Länder, von denen man sich Hilfe erhofft.

Statt durch Pipelines kommt das Gas aus diesen Ländern per Schiff: Liquified Natural Gas, kurz LNG, ist Erdgas, das so stark heruntergekühlt worden ist, dass es flüssig wird. In dieser Form kommt es dann auf dem Seeweg nach Europa, wo es in speziellen Terminals wieder in Gas umgewandelt wird, bevor es weitergeleitet werden kann.

Der Prozess ist aufwendig und teuer. In Deutschland verließ man sich deshalb lange lieber auf die Pipelines aus dem Osten und baute keine LNG-Terminals. Jetzt sollen im Eiltempo zwei entstehen. In eineinhalb bis zwei Jahren, hofft die Bundesregierung, sollen in Brunsbüttel und Stade LNG-Schiffe anlanden können. Wenn so es soweit ist, sollen sie auch Gas aus Katar bringen. Lesen Sie auch: Energiepreise: Droht den Stromversorgern selbst der Kollaps?

Habeck erzielt Erfolg beim Treffen in Katar

Dass das klappt, ist mit dem Besuch von Habeck in Katar ein gutes Stück wahrscheinlicher geworden. Habeck ist die Erleichterung anzumerken, als nach seinem Treffen mit dem Emir am Sonntag in die Mittagssonne von Doha blinzelt. „Großartigerweise“, sagt er, sei es gelungen, eine langfristige Energiepartnerschaft der beiden Länder zu vereinbaren. Die Unternehmen der Wirtschaftsdelegation, die Habeck in den Nahen Osten begleitet haben, „werden jetzt mit der katarischen Seite in die Vertragsverhandlungen tief einsteigen.“ Auch über konkrete Liefermengen und Jahreszahlen sei bereits gesprochen wurde.

Im besten Fall, erklärt der Wirtschaftsminister, bedeute das die vertragliche Absicherung, dass die Terminals, die nun neu entstehen, aus Katar beliefert werden. „Der Tag hat eine starke Dynamik bekommen“, sagt Habeck und klingt, als sei er selbst ein bisschen überrascht davon.

Katar setzt auf langfristige Verträge

Denn dass es ihm gelingen würde, mit festen Zusagen nach Hause zu fahren, war keineswegs sicher. Katar, das den Großteil seiner LNG-Produktion derzeit nach Asien liefert, setzt auf langfristige Verträge. In Deutschland aber, das 2045 klimaneutral sein will, haben fossile Energieträger ein fixes Haltbarkeitsdatum. Bis 2035 will die Bundesregierung Strom zu hundert Prozent aus erneuerbaren Quellen generieren. Ob die katarische Seite vor diesem Hintergrund überhaupt Interesse hat, nur für einige Jahre Gas nach Deutschland zu liefern, galt deshalb als unsicher. Doch nach dem Treffen sei klar: „Der Zeitraum reicht“, so Habeck. Auch interessant: Hohe Energiepreise: Wie die Regierung jetzt helfen will

Der Grüne ist nicht der einzige europäische Regierungsvertreter, der in diesen Wochen nach Katar reist. Im Emirat geben sich die Delegationen derzeit die Klinke in die Hand. Nicht immer ist da Zeit für einen repräsentativen Empfang.

Es kommt deshalb vor, dass Habeck seine Anliegen in der Ecke eines Konferenzraums im 15. Stock vortragen muss. In einem der zahlreichen Wolkenkratzer der Hauptstadt Doha trifft er am Sonntagmorgen seinen katarischen Amtskollegen. Mit dabei ist die hochrangige Wirtschaftsdelegation aus Deutschland, die die Reise begleitet. Wie Schulkinder sitzen da die Vorstandsvorsitzenden von RWE, Thyssenkrupp, Siemens Energy und andere aufgereiht an den Seiten des Raumes. An der Stirnseite des Raumes sitzt in Sandalen der Mann, dessen Ministerium sie hier empfängt, Scheich Mohammed bin Hamad bin Qassim Al-Thani, Wirtschaftsminister des Emirats Katar.

Unter anderem mit ihm, sagt Habeck später, habe er das Thema der Menschenrechte von Arbeitsmigranten besprochen. „Er hat den Raum nicht verlassen, sondern das wurde interessiert aufgenommen.“ Größeres Interesse hatten bei dieser Reise aber wohl beide Seiten an anderen Themen.

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Dieser Artikel ist zuerst auf Waz.de erschienen.