Berlin. „Huawei“ ist in der 5G-Technik führend. Das löst Ängste aus. Die China-Kritiker im Bundestag fordern einen Boykott des Konzerns.

Huawei spaltet die Partei von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Union. Teile ihrer Fraktion wollen den chinesischen High-Tech-Konzern vom Aufbau des 5G-Netzes ausschließen. „Es werden von Tag zu Tag mehr“, sagte der Abgeordnete Christoph Bernstiel (CDU) unserer Redaktion. „Wir wollen die Chinesen am liebsten raushalten“. Im Klartext: Einen Boykott. Aus Sicherheitsgründen.

Huawei nicht mal als Sponsor erwünscht

Der erste Achtungserfolg der China-Kritiker: Huawei soll auf dem anstehenden CDU-Partetag nicht als Sponsor zum Zuge kommen. Damit kommt die Parteiführung mehreren Anträgen von Delegierten zuvor. Vor allem wollen die Parlamentarier verhindern, dass die Kanzlerin Fakten schafft. Die Gruppe fordert eine Sondersitzung der Unionsfraktion, um über „Huawei“ zu diskutieren. Eine Entscheidung soll nicht „zwischen Tür und Angel fallen“. Noch in dieser Wochen wollen sie ihr weiteres Vorgehen abstimmen.

Chinesen technologisch führend in einem 200-Milliarden-Euro-Markt

Der Mobilfunkstandard 5G und das entsprechende Netzwerk gelten als eine der entscheidenden Infrastrukturen, um von künftigen Technologie-Innovationen profitieren zu können. Die EU-Kommission rechnet mit einem Markt, der 2025 ein Volumen von 225 Milliarden Euro umfassen soll. Dass ausgerechnet ein chinesisches Unternehmen führend ist, löst vor allen in den USA Ängste aus.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wünscht sich eine EU-Position zum Einsatz des chinesischen Netzwerkausrüsters Huawei beim Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes. Dafür will sie Ursula von der Leyen gewinnen, die zum 1. Dezember ihr Amt als EU-Kommissionspräsidentin antritt und die am Freitag zu Gesprächen in Berlin war.

Am Donnerstag will sich eine (Protest-) Gruppe von 50 CDU-Abgeordneten zusammenschließen. Ihre Gallionsfigur: der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen. Bei einer europäischen Lösung würde Merkel um eine nationale Regelung herumkommen und einen direkten Streit mit China vermeiden. Der Mobilfunkstandard 5G und das Netzwerk gelten als die entscheidenden Infrastrukturen, um von Technologie-Innovationen zu profitieren.

Über Huawei soll technologisch entschieden werden

Die offizielle Linie der Bundesregierung lautet allerdings: Über „Huawei“ werde nicht politisch, sondern rechtlich, technologisch entschieden.

Die Bundesnetzagentur und das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik haben einen Sicherheitskatalog für Netzwerkfirmen entworfen, die beim Aufbau des superschnellen Mobilfunknetzes mitmachen wollen – und zwar für alle Anbieter gleich, für Nokia, Ericsson, Cisco oder Samsung genauso wie für Huawei. Unter anderem sollen Netzwerkausrüster eine Erklärung abgeben, dass man ihnen vertrauen könne. Sich allein darauf zu verlassen, halten die Kritiker für blauäugig.

Die Sicherheitsbehörden laufen Sturm – „Backdoors“ unkontrollierbar

Sturm laufen vor allem die Sicherheitsbehörden, zunächst intern, hinter den Kulissen, zuletzt allerdings immer unverhohlener. So sagte der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, im Bundestag, die Infrastruktur könne kein Gegenstand für einen Konzern sein, „dem man nicht voll vertrauen kann.“

Bruno Kahl, Präsident des Bundesnachrichtendienstes hält eine Beteiligung des chinesischen Netzwerkausrüsters Huawei am Aufbau des neuen deutschen Mobilfunknetzes für riskant.
Bruno Kahl, Präsident des Bundesnachrichtendienstes hält eine Beteiligung des chinesischen Netzwerkausrüsters Huawei am Aufbau des neuen deutschen Mobilfunknetzes für riskant. © dpa | Michael Kappeler

Er sieht den Staatskonzern „in doch sehr großer Abhängigkeit von der kommunistischen Partei und vom Sicherheitsapparat.“ Hinzu kommt, dass die Möglichkeiten, Zulieferungen von Huawei komplett zu kontrollieren und durchzuchecken, sehr begrenzt seien, „um nicht zusagen: aussichtslos“, warnte Kahl.

Er spielt auf so genannte „Backdoors“ an, auf Hintertüren in einer Software, die es ermöglichen, unter Umgehung der normalen Zugriffssicherung Zugang zum Computer zu erlangen. Die Geheimdienste unterstellen China Industriespionage in großem Stil. Sie wähnen schon heute chinesische Hacker hinter den meisten Cyberattacken in Deutschland. Dem 5G-Netzwerk drohen vor allem drei Gefahren: Verlust der Vertraulichkeit (z. B. Spionage), der Verfügbarkeit (Abschaltung) und der Integrität (Datenmanipulation).

Die USA machen massiv Duck

Nachdem die USA massiv Druck auf Deutschland ausgeübt haben, machten sechs führende Unionsabgeordnete in einem Beitrag für das „Handelsblatt“ Mobil gegen „Huawei“. Die Politik der Bundesregierung „verkennt die strategische Reichweite des 5G-Netzausbaus: Es handelt sich um eine der wichtigsten Zukunftsentscheidungen, die in Deutschland und Europa aktuell zu treffen sind.“

Nicht weniger als die nationale Sicherheit und die technologische Souveränität Deutschlands und Europas stünden auf dem Spiel. Der Beitrag stammt unter anderem von den CDU-Politikern Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, Peter Beyer, Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, sowie vom Außenpolitiker Roderich Kiesewetter.

Zu den Kritikern gehört auch der Geheimdienst-Experte der CDU, Patrick Sensburg. Außen- und Sicherheitspolitiker haben in der Abneigung gegen Huawei verbündet.

Selbst die FDP fordert andere Maßstäbe, mehr als nur den freien Wettbewerb

Auch Metin Hakverdi, der China-Berichterstatter der SPD-Fraktion, warnt vor „völlig unkalkulierbaren Risiken“ und fügte hinzu: „Ein Persilschein für Frau Merkels Chinapolitik kommt nicht in Frage. Ob Frankreich, Italien , Schweden, Australien oder die USA. Unzählige unserer Verbündeten haben zurecht Misstrauen gegenüber Huawei.“

Der SPD-Digitalexperte Jens Zimmermann setzt sich dafür ein, sich nicht von einem Ausrüster abhängig zu machen. „Maximal ein Drittel der Technologien sollten von einem einzelnen Anbieter stammen“, sagte er unserer Redaktion. Huawei versuche mit Dumping-Preisen europäische Anbieter vom Markt zu drängen. „Damit Europa seine digitale Souveränität auch in Zukunft behält, ist es wichtig, den Anschluss bei dieser Schlüsseltechnologie nicht zu verlieren.“

Selbst die FDP, die sonst gegen jede Regulierung wettert, schließt sich den Bedenkenträgern an. Bei der kritischen Infrastruktur müssten „andere Maßstäbe“ gelten, nicht nur der freien Wettbewerb, sagte ihr Innenpolitiker Konstantin Kuhle unserer Redaktion.

Anfang September beschloss die FDP-Fraktion, „bei sicherheitskritischer Infrastruktur, wie beispielsweise 5G, sollte Europa bereit sein, auf die Nutzung chinesischer Technik zu verzichten, wie China auch bestimmte Bereiche von ausländischen Investitionen und Unternehmen ausnimmt.“

Wird die Messlatte so hoch gelegt, dass „Huawei“ sie reißen muss?

Kuhles Grünen-Kollege Konstantin von Notz wollte im Bundestag von Geheimdienstchef Kahl wissen, ob am Ende die Hürden so hoch gelegt werden, dass ein Huawei sie eines Tages reißen müsse. Kahl antwortete, zumindest eine Beteiligung an den kritischen Zusammenhängen sollte ausgeschlossen sein. Wo es um die Kernsicherheitsinteressen der Bundesrepublik gehe, solle Huawei draußen bleiben.

Offen aussprechen, will das keiner aus der Regierung, weder Merkel noch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Bei Innenminister Horst Seehofer (CSU) erinnern die Kritiker genüsslich daran, dass er aus Ingolstadt kommt, dem Stammsitz von Audi. Der Autohersteller verkauft längst mehr Fahrzeuge in China als in Deutschland...

Zwischenzeitlich waren keine Google-Updates auf Huawei-Geräten erlaubt. Im Handelskrieg verkündete Donald Trump Mitte Oktober ein Teilabkommen mit China.