Berlin. Die CDU in Thüringen ist schwer getroffen – von einer Revolte gegen Fraktionschef Mike Mohring und von einer beängstigenden Umfrage.

  • Die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen hat nun auch Konsequenzen für Mike Mohring
  • Nach einer Revolte aus den eigenen Reihen wird der CDU-Fraktionschef sein Amt aufgeben
  • Das Chaos in der Thüringen-CDU verschreckt laut einer neuen Umfrage sehr viele Wähler
  • Auch die FDP-Fraktion Thüringen will aufgrund der Ereignisse eine Neuwahl
  • Thomas Kemmerich wolle dadurch den Makel der Wahl mithilfe der AfD beseitigen
  • Einen Fehler will der Politiker mit der Annahme seiner Wahl allerdings nicht gemacht haben

Der CDU-Fraktionschef im Thüringer Landtag, Mike Mohring, gibt sein Amt auf. „Die CDU-Fraktion hat sich auf Neuwahlen zum Fraktionsvorstand mit neuen Personen Ende Mai verständigt“, schrieb der Generalsekretär der CDU Thüringen, Raymond Walk, am Freitag auf Twitter. „Mike Mohring wird nicht wieder antreten.“

Zuvor hatte bereits CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer nach einer Präsidiumssitzung in Berlin bestätigt, dass Mohring bei einer Krisensitzung in der Erfurter Fraktion in der Nacht zum Freitag seinen Rücktritt in Aussicht gestellt habe.

Der Fraktionschef war nach dem Wahldebakel am Mittwoch angeschlagen. Zur offenen Revolte kam es aber erst zwei Tage später, nachdem Mohring vor dem CDU-Bundespräsidium seine Pläne für seine politische Zukunft weiter im Unklaren gelassen hatte.

Selbst alte Weggefährten stellten sich öffentlich gegen ihn. Mohrings früherer Parlamentarischer Geschäftsführer Volker Emde warf ihm in einer Pressemitteilung Wortbruch vor.

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Kramp-Karrenbauer: Mohring hat Rücktritt angeboten

Bis in die Nacht hinein hatte Kramp-Karrenbauer mit den Parteikollegen in Thüringen verhandelt. Sie hatte der Thüringer CDU noch etwas Zeit geben wollen, um auf parlamentarischem Weg und damit ohne Neuwahl aus der Krise zu finden. Sollten die parlamentarischen Möglichkeiten nicht funktionieren, sei eine Neuwahl unausweichlich, machte sie in der Nacht zum Freitag nach fünfstündigen Krisengesprächen in Erfurt deutlich.

Sie sagte zudem, dass die CDU im Thüringer Landtag in Zukunft keinen Kandidaten unterstützen werde, der im Landtag keine erkennbare Mehrheit habe. Kramp-Karrenbauer nahm SPD und Grüne in die Pflicht und hatte vorgeschlagen, dass diese beiden Parteien einen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten vorschlagen.

Das Chaos in der Thüringer CDU hat offenbar sehr viele Wähler verschreckt. Nach einer am Freitag veröffentlichten Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL und n-tv würde die Partei bei Neuwahlen momentan fast die Hälfte ihrer Stimmen verlieren. Die Linke des bisherigen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow würde hingegen deutliche Zugewinne verbuchen. Die FDP käme nicht einmal mehr in den Landtag.

Die Umfrage-Ergebnisse zu einer möglichen Neuwahl in Thüringen:

  • Die Linke: 37 Prozent (31,0 Prozent im Oktober 2019)
  • AfD: 24 Prozent (23,4 Prozent)
  • SPD: 9 Prozent (8,2 Prozent)
  • Die Grünen: 7 Prozent (5,2 Prozent)
  • CDU: 12 Prozent (21,7 Prozent)
  • FDP: 4 Prozent (5 Prozent)

Merkel- Kemmerichs Wahl ist unverzeihlich

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    Der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion von CDU und CSU, Carsten Linnemann, schlug unterdessen zur Lösung der Krise einen parteiunabhängigen Ministerpräsidenten vor.

    Der Chef der Jungen Union, Tilman Kuban, sagte der dpa: „Eine breitgetragene Regierung, ohne die AfD, zum Beispiel aus Gerichtspräsidenten, Wissenschaftlern, Unternehmern und Gewerkschaftern wäre der richtige Weg.“ Österreich habe gezeigt, dass so „ein Modell im Übergang für Ruhe sorgt und funktioniert. Dafür braucht es Personen, die jetzt Lust haben Thüringen zu gestalten und aus dieser schwierigen Lage rauszuholen

    Thüringen-Wahl ist Zerreißprobe für die Große Koalition

    Die Ereignisse in Thüringen belasten nach Ansicht der SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans auch die Große Koalition. „Es gibt eine Menge Fragen, die beantwortet werden müssen, um das Vertrauensverhältnis zu klären“, sagte Esken der Deutschen Presse-Agentur. Derzeit wüssten sie nicht, „woran wir sind mit der CDU“. Um das zu klären, hat die SPD für Samstag einen Koalitionsausschuss durchgesetzt.

    Thüringens SPD-Vorsitzender Wolfgang Tiefensee reagierte zurückhaltend darauf, dass die CDU in seinem Bundesland zunächst auf parlamentarischem Weg und damit ohne Neuwahl einen Ausweg aus der Krise nach der Ministerpräsidenten-Wahl finden will. „Das nehme ich zur Kenntnis“, sagte Tiefensee am Freitagmorgen im rbb-inforadio. „Ich nehme auch zur Kenntnis, dass es offenbar die Bereitschaft gibt, über neue Formen der Kooperation mit Rot-Rot-Grün nachzudenken. Jetzt bin ich gespannt, was genau daraus folgt.“

    Thomas Kemmerich gibt sein Amt auf

    Schon am Donnerstagnachmittag hatte sich FDP-Chef Christian Lindner zur umstrittenen Wahl von Thomas Kemmerich geäußert – und am Freitag die Vertrauensfrage im Parteivorstand in Berlin gestellt, um sich seines Rückhalts in der FDP zu vergewissern. Lindner erhielt bei 36 abgegebenen Stimmen 33 Ja-Stimmen und eine Nein-Stimme. Zwei Anwesende enthielten sich. Den Schaden, den die Partei durch die Kemmerich-Wahl davongetragen hat, macht das jedoch nicht wirklich kleiner.

    Die FDP-Fraktion Thüringen hatte zuvor bekanntgegeben, einen Antrag auf Auflösung des Landtags zur Herbeiführung einer Neuwahl stellen. Das teilte der neue Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP) am Donnerstag in Erfurt mit. Kemmerich will demnach sein Amt aufgeben.

    „Thomas L. Kemmerich will damit den Makel der Unterstützung durch die AfD vom Amt des Ministerpräsidenten nehmen“, hieß es zuvor in einer Mitteilung der Thüringer FDP-Fraktion.

    FDP stimmt am Freitag über Zukunft von Christian Lindner ab

    „Thomas Kemmerich hat die einzig richtige und mögliche Entscheidung getroffen. Innerhalb eines Tages hat er sich aus der Abhängigkeit der AfD befreit“, sagte Lindner. Eine Abhängigkeit von der AfD dürfe es für eine demokratische Partei in Deutschland nicht geben.

    „Es ist folgerichtig, binnen 24 Stunden ein solches Amt zurückzugeben“, sagte Lindner. Neuwahlen würden die Möglichkeit eröffnen, dass sich die Gesellschaft wieder versöhnen könne.

    „Ich würde mein Amt nicht fortsetzen können, wenn eine Gliederung, wenn auch nur eine regionale Gliederung, eine Abhängigkeit von der AfD in Kauf nimmt.“ Er will am Freitag im FDP-Parteivorstand die Vertrauensfrage stellen. Viele Kritiker sagen, dass Lindner in der Thüringen-Krise versagt hat.

    Thomas Kemmerich will keinen Fehler gemacht haben

    Am Donnerstag hatte Kemmerich auf einer Pressekonferenz ausgesagt: „Demokraten brauchen demokratische Mehrheiten, die sich offensichtlich in diesem Parlament nicht herstellen lassen.“ Eine Zusammenarbeit mit der AfD habe es nicht gegeben, gebe es nicht und werde es nicht geben.

    „Gestern hat die AfD mit einem perfiden Trick versucht, die Demokratie zu beschädigen“, so Kemmerich. Die Frage, ob er politisch einen Fehler gemacht habe, verneinte er.

    Der Landtag in Thüringen kann sich nach dem Artikel 50 der Landesverfassung selbst auflösen. Dafür ist eine Mehrheit von zwei Drittel aller Abgeordneten notwendig. Den Antrag für eine solche Abstimmung muss mindestens ein Drittel der Landtags-Mitglieder stellen. Die AfD hat im Landtag knapp ein Viertel der Mandate – kann eine Neuwahl also nicht alleinig blockieren.

    Zudem kann der Ministerpräsident auch die sogenannte Vertrauensfrage stellen. Wenn er die Mehrheit aller Mitglieder verfehlt, kann das Parlament innerhalb von drei Wochen einen neuen Regierungschef wählen. Nach dem Ablauf dieses Zeitraums kommt es zu Neuwahlen.

    Wahl von Thomas Kemmerich – mehr zum Thema:

    Thomas Kemmerich, dessen Partei im Herbst nur knapp den Sprung in den Thüringer Landtag geschafft hatte, war am Mittwoch mit Stimmen von Liberalen, CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Kemmerich scheint finanziell zu profitieren: So viel Geld brachte Thomas Kemmerich der Eklat von Erfurt.

    Er hatte sich nur knapp gegen den bisherigen Regierungschef Bodo Ramelow von den Linken durchgesetzt. Es war das erste Mal, dass die AfD einem Ministerpräsident ins Amt half. Nach der Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten hatte es von zahlreichen Seiten Kritik gegeben. Auch Kanzlerin Merkel forderte in der Sache Neuwahlen. (les/dpa)