Reykjavik. Auf Island ist der erste Gletscher offiziell für „tot“ erklärt worden. Der Okjökull ist nur noch 15 Meter dick – und damit zu leicht.
Der Okjökull ist ein prominentes Opfer der Erderwärmung: Island hat den Gletscher offiziell für „tot“ erklärt. Es ist das erste Mal. Zur Begründung hieß es: Das Eis auf dem 700 Jahre alten „Ok“ sei stark abgeschmolzen, daher erfülle er formal nicht mehr die Kriterien für einen Gletscher.
Eigentlich hatte der Okjökull schon vor fünf Jahren seinen Status als Gletscher verloren. Aktuell misst er nur noch 15 Meter Eisdicke. Damit ist er zu leicht geworden, um sich vorwärtszuschieben. Das Eis eines „echten“ Gletschers muss 40 bis 50 Meter dick sein – und sich unter seinem Eigengewicht bewegen.
Wie aber kam es zur Schmelze? Die Wissenschaftler kennen den Schuldigen: Der menschengemachte Klimawandel habe dem „Ok“ den Garaus gemacht, erklärten Forscher bei einer Abschiedszeremonie für den Okjökull.
Eine Gedenktafel für den toten Okjökull
„Ein Brief an die Zukunft“, stand darauf. Die Tafel soll an den „gestorbenen“ Gletscher erinnern, aber vor allem auch eine Warnung sein. Auf ihr steht: „In den nächsten 200 Jahren ist zu erwarten, dass alle unsere wichtigsten Gletscher den gleichen Weg gehen. Diese Gedenktafel dient dazu, anzuerkennen, dass wir wissen, was vor sich geht und was zu tun ist.“
Cymene Howe hat das Sterben des Gletschers begleitet. Die Anthropologin und Filmemacherin von der amerikanischen Rice-Universität hat im vergangenen Jahr mit ihrem Kollegen Dominic Boyer die Dokumentation „Not Ok“ über den Okjökull veröffentlicht „Dies wird das weltweit erste Denkmal für einen Gletscher sein, der durch den Klimawandel verloren gegangen ist“, sagte Howe.
Mehr als 9000 Milliarden Tonnen Eis sind verloren
Rund 100 Menschen nahmen an der Trauerfeier für den Gletscher teil, darunter die isländische Ministerpräsidentin Katrín Jakobsdóttir. „Ok war der erste namentlich benannte isländische Gletscher, der geschmolzen ist wegen der Art und Weise, wie Menschen die Atmosphäre des Planeten verändert haben“, sagte Boyer. „Alle Gletscher Islands werden sein Schicksal teilen, wenn wir nicht jetzt handeln, um die Treibhausgasemissionen radikal zu reduzieren.“
Schmelzende Gletscher auf der ganzen Welt verlieren jährlich rund 335 Milliarden Tonnen Eis. Das berichten Forscher aus Zürich, die Satellitenmessungen und Beobachtungen vor Ort ausgewertet haben.
Der federführende Forscher Michael Zemp von der Universität Zürich sagte im April, die Welt verliere damit jährlich rund drei Mal das verbleibende Gletschervolumen der Europäischen Alpen. Die Gletscher hätten zwischen 1961 und 2016 mehr als 9000 Milliarden Tonnen Eis verloren.
Die größten Süßwasserreserven der Welt
Die Folgen sind verheerend: Schmelzen Gletscher, gehe auch ihre Funktion als Wasserspeicher verloren: „Diese Eisflächen sind die größten Süßwasserreserven des Planeten“, sagte Boyer. Schon Anfang des Monats hatte der Weltklimarat IPCC in einem Sonderbericht festgestellt, dass der weltweite Temperaturanstieg über den Landflächen im Vergleich zur vorindustriellen Zeit bereits bei 1,53 Grad liegt.
Island habe seit den 1990er Jahren bereits mehr als zehn Prozent seiner gesamten Gletschermasse verloren, hatte die Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung, Antje Boetius, im Juni gesagt, als sie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu einem Staatsbesuch nach Island begleitete.
Die Schmelze auf Island lässt den Meeresspiegel steigen
„Die Gletscherschmelze erhöht den Meeresspiegel ungemein“, warnte Boetius. Allein das bisherige Schmelzen der isländischen Gletscher habe den Meeresspiegel weltweit um einen Millimeter ansteigen lassen. Das erscheint wenig. Doch Boetius hat einen anschaulichen Vergleich: „Wenn alle Menschen der Welt gleichzeitig ins Meer springen, dann steigt der Spiegel nicht einmal um einen Millimeter.“
Das Klima soll auch Thema bei einem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf Island sein. Am Dienstag ist ein Arbeitsmittagessen mit den Regierungschefs der nordischen Länder Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden geplant. Am frühen Montagabend wollte sich Merkel bereits mit Islands Regierungschefin Katrín Jakobsdóttir treffen. Beide Frauen werden auch über den „Ok“ sprechen – den Vulkan, auf dessen Haupt einmal ein Gletscher thronte.