Jerusalem. Die rechtskonservative Likud-Partei des Oppositionsführers wird bei der fünften Wahl in vier Jahren voraussichtlich stärkste Kraft.

Was vor zwei Jahren noch unvorstellbar gewesen war, wurde in Israel Realität: Das rechtsextreme Bündnis “Religiöse Zionisten” wird durch die Wahlen am Dienstag drittstärkste Kraft im Parlament. Der Zusammenschluss zweier rechtsextremer Parteien dürfte nun Teil einer Regierung unter dem Rechtskonservativen Benjamin Netanjahu werden. Das ist ein Tabubruch in der israelischen Politik.

Die Kreise rund um den mehrfach verurteilten Parteiführer Itamar Ben Gvir, einem fanatischen Araberhasser mit einer Vorliebe für Schusswaffen, gelten unter israelischen Geheimdienstlern als Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Immer wieder wurde Ben Gvir von der Polizei vorgeworfen, Spannungen im Land anzuheizen. Nun sieht es so aus, als könnte Ben Gvir, der wegen seiner Gewaltbereitschaft sogar vom Armeedienst ausgeschlossen war, Israels nächster Polizeiminister werden.

Wie konnte es dazu kommen? Noch vor wenigen Jahren galt Ben Gvir als Person, an die niemand anstreifen will: Ein rabiater Hetzer, der nur an Krawall interessiert ist. Doch dann kam Ministerpräsident in Schwierigkeiten, er wurde wegen Betrugs, Bestechlichkeit und Untreue angeklagt. Immer mehr einstige Verbündete kehrten Netanjahu den Rücken zu, vor 18 Monaten musste er die Macht abgeben. Seither sitzt Netanjahu in der Opposition.

Israels Premierminister Lapid kann wohl keine Regierung bilden

Der 73-Jährige wusste, dass er Verbündete braucht, um bei dieser Wahl eine Mehrheit zu schaffen. Er setzte auf Ben Gvir, überredete ihn zu einem Wahlbündnis mit dem Nationalreligiösen Bezalel Smotrich, damit sie mit vereinten Kräften den Einzug ins Parlament schaffen. Ben Gvir machte Netanjahu klar, dass er für diese Gefälligkeit einen hohen Preis verlangt: ein prestigereiches Ministeramt. Nun scheint dieser Deal aufzugehen: Netanjahu hat eine satte Mehrheit, und Ben Gvir gelang der Schritt aus dem Schmähwinkel ins Zentrum der politischen Bühne. Statt “Tod den Arabern” ruft er nun “Tod den Terroristen” ins Mikrofon. Für Netanjahus Anhänger reicht das, um Ben Gvir als geläutert anzusehen.

Die Fernsehstationen halfen ordentlich mit bei Ben Gvirs Wahlkampagne. Als klar wurde, dass Ben Gvir Chancen auf ein Regierungsamt hat, wurde er von Sender zu Sender gereicht, niemand bekam so viel Interviewzeit wie er. Mit seinen rabiaten Sprüchen sorgt er für Quoten, auch in sozialen Medien wird er gerne geteilt. Er will israelische Araber deportieren lassen, wenn sie “unloyal” seien – was immer das heißen mag. Dabei handelt es sich bei den Arabern nicht um eine kleine Minderheit, sondern immerhin um ein Fünftel der Bevölkerung und eine wichtige Säule der israelischen Wirtschaft. Die hohe Präsenz in den Medien verhalf Ben Gvir zum Wahlsieg: Die Religiösen Zionisten verbesserten sich von fünf auf voraussichtlich 14 Mandate.

Auch die strengreligiösen jüdischen Parteien legten zu. Die Chancen stehen nun gut, dass Israel nun eine Regierung bekommt, die ausschließlich von rechtskonservativen bis rechtsradikalen und streng religiösen Parteien regiert wird. Israelische Araber wären darin gar nicht vertreten, Frauen wären stark unterrepräsentiert.

Ministerpräsident Jair Lapid gibt seine Stimme ab.
Ministerpräsident Jair Lapid gibt seine Stimme ab. © Jack Guez/Pool AFP/dpa

Der aktuelle Premierminister, Jair Lapid von der Mitte-Linkspartei Jesh Atid, konnte zwar stark ebenfalls stark zulegen, das ging jedoch auf Kosten anderer Parteien aus dem Anti-Netanjahu-Lager. Es ist daher unwahrscheinlich, dass Lapid eine neue Regierung bilden kann.

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Israel: Fünf Wahlen in weniger als vier Jahren

Es war die fünfte Wahl in weniger als vier Jahren. Dass so oft gewählt wurde, liegt daran, dass keine der vergangenen Wahlen ein klares Ergebnis brachte. Zwar war Netanjahus Likud-Partei immer die stärkste Partei, doch fehlten ihr ausreichend Koalitionspartner für eine Mehrheitsregierung. Viele Parteien haben eine Koalition mit Netanjahu dezidiert ausgeschlossen. Sie werfen ihm vor, dass er sein ganzes politisches Handeln nur seinen persönlichen Zwecken unterordnet und sehen seine aktuelle Korruptionsanklage als Beweis dafür.

Diese Anklage könnte ein Ablaufdatum haben, wenn es nach Netanjahu und den Rechtsextremen geht: Sie wollen ein Gesetz beschließen, das die Anklage eines amtierenden Ministerpräsidenten verbietet.

Außerdem wollen sie den Untreue-Paragrafen aus dem Gesetzbuch streichen – wohl nicht ganz zufällig einen jener Tatbestände, den die Staatsanwälte Netanjahu vorwerfen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.