Berlin. Nach offiziellen Zahlen leben in Deutschland 162 verheiratete Kinder und Jugendliche. Tatsächlich könnten mehr Mädchen betroffen sein.

Kinderehen sind zwar in Deutschland verboten, dennoch gibt es sie. Das Ausländerzentralregister erfasst verheiratete Minderjährige, die nicht ursprünglich aus der Bundesrepublik stammen. Wie die Bundesregierung auf eine Anfrage der AfD-Fraktion mitteilt, sind darin derzeit 162 vermählte Kinder und Jugendliche aufgeführt. Die meisten davon, 70 an der Zahl, stammen aus Bulgarien.

Generell kommen dem Ausländerzentralregister zufolge die meisten der betroffenen Minderjährigen aus der Europäischen Union. Demnach handelt es sich überwiegend um Mädchen. In 2016 lag die Zahl der von der Behörde erfassten Kinderehen in Deutschland noch bei rund 1400. Im Jahr drauf trat das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen in Kraft, nach dem eine „Ehefähigkeit“ erst ab dem 18. Lebensjahr besteht.

Kinderehen werden nur in bestimmter Altersgruppe erfasst

Auf Grundlages dieses Gesetzes können Ehen von Minderjährigen aufgehoben werden. Aber: Bei 16- und 17-Jährigen kann davon abgesehen werden, sofern dies einen erheblichen Nachteil für die Jugendlichen hätte. Dies führte zu Kritik. Und so kommt es auch, dass nach einem Bericht von Terre den Femme von 97 gestellten Anträgen auf Eheaufhebung lediglich zehn auch zu einer Auflösung führten. Offiziell liegen der deutschen Regierung nach eigenen Angaben keine Informationen dazu vor, wie viele Kinderehen gerichtlich überprüft wurden.

Hinzu kommt, dass keine Kinderehen registriert werden, bei denen die Betroffenen unter 16 Jahre alt sind. Auch fallen jene Fälle aus dem Register, in denen die Ehe zwar in Minderjährigkeit geschlossen wurde, die Vermählten aber inzwischen die Volljährigkeit erreicht haben.

Härteklausel verhindert pauschale Ehe-Auflösungen

„Der gesetzliche Auftrag lautet, Kinderehen in Deutschland zu bekämpfen. In der Realität werden sie aber einfach für unwirksam erklärt und statistisch nicht erfasst“, kritisierte der AfD-Abgeordnete René Springer. Das Problem werde – zum Schaden der betroffenen Kinder – schlichtweg ignoriert.

Dies ist jedoch nach Ansicht mehrerer Experten zu kurz gedacht und gerade nicht zum Wohl der Kinder. So sagte etwa der Heidelberger Rechtsprofessor Thomas Pfeiffer bei einer Anhörung des Deutschen Bundestages, dass mit pauschalen Auflösungen von Ehen unter anderem „das Wohl der aus der Verbindung hervorgegangenen Kinder“ missachtet wird. Zumal sich Deutschland mit der Genfer Flüchtlingskonvention dazu verpflichtet habe, in der Heimat geschlossene Ehen anzuerkennen.

Auch die Kinderhilfsorganisation „Save the Children“ sprach sich bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes eindeutig für die Härteklausel aus, weil eine pauschale Nichtigkeitserklärung gegen die Kinderrechtskonvention verstoße. Die Organisation spricht sich daher für individualisierte Verfahren aus. Nützlich ist dafür ein Vergleich: Schon dreijährigen Kindern wird in Sorgerechtsverfahren eine Mitsprache eingeräumt. Dies müsse demnach auch für Jugendliche im Fall ihrer Ehe gelten.

Im Bürgerlichen Gesetzbuch heißt es dazu in Paragraf 1315 Abschnitt 1b: „Eine Aufhebung der Ehe ist ausgeschlossen, wenn auf Grund außergewöhnlicher Umstände die Aufhebung der Ehe eine so schwere Härte für den minderjährigen Ehegatten darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe ausnahmsweise geboten erscheint.“

(yah/dpa)