Berlin. Bundesbauministerin Geywitz will am Einfamilienhaus festhalten und den Immobilienerwerb fördern. Dafür müsse man nicht nur neu bauen.

Sie war eine Überraschung des neuen Kabinetts: Die Brandenburgerin Klara Geywitz (SPD) ist als Ministerin für das neu geschaffene Ministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bau verantwortlich.

Die Vertraute von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht vor einer schwierigen Aufgabe: Wohnungen sind vielerorts knapp, die Mieten steigen, der Immobilienkauf ist für viele unerschwinglich geworden. Wie sie das ändern will, erläutert Klara Geywitz im Gespräch mit unserer Redaktion.

Frau Geywitz, 2019 haben Sie es verpasst, mit Olaf Scholz den SPD-Parteivorstand zu bilden. Hätten Sie gedacht, dass Sie zwei Jahre später unter einem Bundeskanzler Olaf Scholz als Ministerin in der Regierung sitzen?

Klara Geywitz: Nein, das habe ich überhaupt nicht gedacht. Meine Erfahrung in der Politik ist, dass man zwar versuchen kann, Pläne zu machen, dass es aber meistens vergebene Mühe ist.

Eine vernünftige Wohnung zu mieten ist für viele Menschen unerschwinglich geworden. Manche Familie muss mehr als die Hälfte des Einkommens dafür aufwenden. Wie wollen Sie diese Entwicklung stoppen?

Geywitz: Erstens werden wir in Deutschland wieder deutlich mehr Wohnungen bauen, 400.000 pro Jahr. Als erste Amtshandlung habe ich dafür eine Milliarde Euro für den sozialen Wohnungsbau freigegeben, eine zweite Milliarde wird dieses Jahr folgen. Diese Förderung werden wir verstetigen. Zweitens wird das Bundesjustizministerium die Mietpreisbremse verlängern. Drittens werden wir als Bauministerium erarbeiten, wie Kommunen schnellstmöglich wieder ein Vorkaufsrecht an Grundstücken in Milieuschutzgebieten erhalten können.

Der Bau von mehr Wohnungen dauert lange. Wer heute schon unter hohen Mieten leidet, dem nützt die Aussicht auf eine langfristige Besserung wenig …

Geywitz: Wir helfen kurzfristig denjenigen, die besonders betroffen sind. Zum Jahreswechsel ist für mehr als eine Million Bürgerinnen und Bürger ein höheres Wohngeld in Kraft getreten. Außerdem wird es einen einmaligen Heizkostenzuschuss für Wohngeldbezieher ab 135 Euro geben.

Die Verbraucherzentralen halten den Betrag für zu niedrig.

Geywitz: Ein Forschungsinstitut hat die zusätzlichen Heizkosten anhand der zu erwartenden Preissteigerungen genau berechnet. Dieser Empfehlung sind wir gefolgt.

Die Bauwirtschaft läuft auf Volllast. Dennoch wollen Sie, dass 400.000 Wohnungen mehr gebaut werden als unter der Vorgängerregierung. Wie soll das bitte gelingen?

Geywitz: Zu Zeiten Helmut Schmidts wurden in der alten und kleineren Bundesrepublik deutlich mehr als 400.000 Wohnungen pro Jahr gebaut. Wenn das damals möglich war, schaffen wir das auch. Aber ja, es gibt Hindernisse. Manche Baumaterialien sind knapp, der Fachkräftemangel belastet die Bauwirtschaft zusätzlich. Wir setzen das Signal, dass die Investitionen kein Strohfeuer sind, sondern dauerhaft sein werden, die Branche also Kapazitäten aufbauen kann. Um das Ziel zu erreichen, brauchen wir Fläche, Fachkräfte und Materialien. Deshalb werde ich im Frühjahr ein Bündnis für bezahlbares Wohnen einberufen, um diese Voraussetzungen zu schaffen.

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) dringt auf eine Verschärfung der Mietpreisbremse und will den Wohnungsbau ankurbeln.
Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) dringt auf eine Verschärfung der Mietpreisbremse und will den Wohnungsbau ankurbeln. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Beim Thema Flächenverbrauch steht Ihr Koalitionspartner auf der Bremse. Die grüne Bundesumweltministerin Steffi Lemke warnt vor Naturzerstörung …

Geywitz: Es ist ein großes Problem, wenn wir immer mehr Flächen versiegeln. Wenn wir den Zubau ressourcensparend schaffen wollen, müssen wir einen Fokus auf den Umbau und Umnutzungen legen.

Was heißt das für die Zukunft des Einfamilienhauses?

Geywitz: Es gibt von einigen einen Kampf gegen das frei stehende Einfamilienhaus, weil es den meisten Platz verbraucht. Als Mutter von drei Kindern weiß ich aber, wie schön es ist, wenn die Kinder im Garten spielen. Das Einfamilienhaus ist ein Traum von vielen. Wir sollten versuchen, ihn zu ermöglichen. Dafür braucht es aber nicht nur den Neubau.

Sondern?

Geywitz: In vielen Einfamilienhäusern leben Seniorinnen und Senioren, die nur noch das Erdgeschoss nutzen, und die obere Etage steht leer. Sie würden umziehen, wenn es eine barrierefreie Wohnung mit guter Infrastruktur in der Nachbarschaft gibt. Dann könnte das Einfamilienhaus in die nächste Generation neuer Familien übergehen. Wir werden die Hürden für den Erwerb von Eigentum durch eigenkapitalersetzende Darlehen senken und damit Wohneigentum erschwinglicher machen. Das kann auch eine Förderung für den Erwerb alter Häuser sein.

Sie versprechen 100.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr – das ist viermal mehr als bisher. Verbände rechnen dafür mit Kosten von bis zu zwölf Milliarden Euro, der Bund steuert aber nur zwei Milliarden Euro bei.

Geywitz: Sozialwohnungen fördert ja nicht nur der Bund, sondern auch die Länder. Ich will diese Summe verstetigen und zugleich neue Lösungen finden. Möglicherweise müssen wir im Bereich der Förderung andere Wege gehen. Darüber werde ich mit den Ländern beraten.

Beim Klimaschutz hinkt der Gebäudesektor hinterher. Nun wird saniert. Wie teuer wird Wohnen?

Geywitz: Wir müssen unsere Klimaziele auch in den Gebäuden erreichen. Nur ist die derzeitige Betrachtungsweise des CO2-Ausstoßes von Gebäuden unterkomplex. Es geht dabei nur um den Energieverbrauch und die Dämmung. Baumaterialien spielen keine Rolle, obwohl ein Haus aus Lehm sehr viel CO2-freundlicher ist als eines aus Beton. Einfach alles über den höchsten Energiestandard zu regeln, hilft nicht weiter.

Warum nicht?

Geywitz: Beim höchsten Energiestandard kann man die Fenster im Haus beispielsweise nicht mehr öffnen, das ist nicht für alle Wohnformen ideal. Vor allem aber können Hausbesitzer einen großen Anteil leisten, die CO2-Emissionen zu reduzieren, etwa mit einer Solaranlage auf dem Dach. Wir müssen dafür dringend den Mieterstrom attraktiver machen.

Wie soll das gelingen?

Geywitz: Das aktuelle Modell schreckt viele ab, da sich Vermieter als Energieversorger anmelden müssen. Wer als privater Kleinvermieter nur ein, zwei Dächer bewirtschaftet, scheut den bürokratischen Aufwand. Ich setze darauf, dass diese Pro­bleme in einem schnellen Klimapaket von Bundesklimaminister Robert Habeck gelöst werden und wir das Potenzial des Mieterstroms heben.

Wer nicht überteuert mieten will, hat früher gekauft. Jetzt sind die Baupreise in nur einem Jahr um 14,4 Prozent gestiegen, so viel wie seit 1970 nicht mehr. Was heißt das für den privaten Bauherrn und den staatlichen Bauherrn?

Geywitz: Früher waren dafür die Zinsen relativ hoch. Derzeit ist die Finanzierung günstiger als in den 90ern. Das tröstet individuell aber wenig. Wir müssen an die Baunebenkosten ran. Man könnte etwa die Grunderwerbsteuer mit unterschiedlichen Hebesätzen, etwa für den sozialen Wohnungsbau oder für das privat genutzte Haus, anpassen.

Hamburg will die Grunderwerbsteuer auf 5,5 Prozent erhöhen, in anderen Ländern wie Nordrhein-Westfalen liegt sie jetzt schon bei 6,5 Prozent. Das verteuert den Immobilienkauf, anstatt ihn erschwinglicher zu machen.

Geywitz: Die Grunderwerbsteuer können die Länder selbst beeinflussen. Die Länder haben unterschiedliche Anforderungen, etwa im sozialen Wohnungsbau. Wollen die Länder die Gelder abrufen, benötigen sie dafür Geld. Die Länder können die Einnahmen der Grunderwerbsteuer auch für sozialen Wohnraum einsetzen. Dann widersprechen sich die Grunderwerbsteuer und die Bezahlbarkeit von Wohnen nicht.

Sie werben für das „serielle“ Bauen. Ist das die Rückkehr der gesichtslosen Plattenbauten?

Geywitz: Wir sind in der Entwicklung wesentlich weiter. Das serielle Bauen hat viele Vorteile. Die Planungsphase kann beschleunigt, Bauteile industriell gefertigt und so Kosten eingespart werden. Auch verringern sich Bauzeit und Baulärm. Und die Recyclingquote kann erheblich verbessert werden. Meine Botschaft ist: Nur Mut, serielles Bauen muss nicht hässlich sein und geht auch mit nachhaltigen Baustoffen.

Manche fühlen sich von Plattenbauten oder auch mehrgeschossigen Reihenhäusern im Stil der 70er-Jahre abgeschreckt.

Geywitz: Wir sind in einer privilegierten Situation, dass wir über die Ästhetik der Gebäude diskutieren können. Für viele DDR-Bürger war der neue Plattenbau in den 70er-Jahren eine deutliche Erhöhung ihres eigenen Wohnkomforts. Sie konnten erstmals in einem Neubaublock mit Warmwasser, Toilette in der Wohnung und Heizung eine Wohnung bekommen. Viele schätzen diese Wohnform noch heute.

Ist es dann richtig, dass viele Plattenbauten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR abgerissen werden?

Geywitz: Das Problem ist, dass wir keine gleichmäßige Verteilung der Bevölkerung haben. Es nützt herzlich wenig, wenn ich einem Münchener sage, dass es in Eisenhüttenstadt noch Platz und Wohnungen gibt. Wenn Städte schrumpfen, ist es sinnvoll, den nicht mehr gebrauchten Bestand abzubauen. Aber: Demografie ist kein Schicksal. Durch Homeoffice wird das Umland derzeit attraktiver.

In Berlin hat sich eine Mehrheit für die Enteignung großer Wohnungskonzerne ausgesprochen. Sind diese Konzerne die Hauptschuldigen der Wohnungsnot?

Geywitz: Die Wohnungsnot hat unterschiedliche Ursachen. In Deutschland wurde über mehrere Jahre versäumt, in den Wohnungsbau zu investieren. Aufgrund einer lang andauernden Niedrigzinsphase sind Immobilien verstärkt zu Anlageobjekten geworden, das hat eine Preisentwicklung nach oben in Gang gesetzt. Außerdem gibt es den Trend zur Urbanisierung, der für hohe Nachfrage in den Städten sorgt. In einer Phase, in der die öffentliche Hand Geld brauchte, wurden viel staatlicher Wohnraum und Grundstücke verkauft. Der Staat hatte damit große Steuerungsverluste. Durch das Vorkaufsrecht der Kommunen muss der Staat wieder steuern können.

Sozialverbände und der Mieterbund dringen auf einen bundesweiten Mietenstopp. Wollen Sie das auch?

Geywitz: Wir haben uns auf eine Verlängerung der Mietpreisbremse, die Kappungsgrenze in angespannten Wohnungsmärkten bei elf Prozent in drei Jahren und einen Mietspiegel, der die letzten sieben Jahre einbezieht, geeinigt.

Die Wirkung der Mietpreisbremse ist umstritten. In einigen Bundesländern ist sie gar nicht mehr in Kraft. Außerdem gibt es viele Schlupflöcher, etwa wenn Wohnungen mö­bliert vermietet werden.

Geywitz: Der Bundesjustizminister wird einen Gesetzesvorschlag zur Verlängerung der Mietpreisbremse vorlegen. Mein Haus wird die Interessen der Mieterinnen und Mieter in diesem Gesetzgebungsverfahren einbringen.

Wie wohnen Sie privat?

Geywitz: Ich lebe in einem alten Haus, das unter Denkmalschutz steht, in der Potsdamer Innenstadt.

Wie stehen Sie zur Impfpflicht?

Geywitz: Ich habe großen Respekt vor der individuellen Entscheidung der Abgeordneten. Ich selbst bin geimpft und habe auch meine Kinder gefragt, ob sie sich impfen lassen wollen. Die schwerwiegende Entscheidung der Impfpflicht liegt in den Händen des Parlaments.