Berlin. Die Ampel-Parteien diskutieren über den Kohleausstieg. Ob der Ausstieg bis 2030 kommen könnte und mit welchen Wegen er schaffbar ist.

Als die Kohlekommission 2019 verkündete, dass das letzte Kohlekraftwerk in Deutschland 2038 die Lichter ausmachen würde, wurde das gefeiert als das Ende eines gesellschaftlichen Großkonflikts. Lange hatten die Verhandler aus vielen Teilen der Gesellschaft diskutiert und gestritten, zähe Abende und quälende Sitzungen hinter sich gebracht.

Doch am Ende stand ein Kompromiss – und, so dachte man, die Gewissheit, wie es das Ende der Kohle aussehen würde. Doch wenige Jahre später wackelt diese Gewissheit. „Idealerweise“ komme der Ausstieg schon 2030, heißt es im Sondierungspapier der Ampelparteien. Die wenigen Silben sind dehnbar genug, die Spannungen auszuhalten, die das Thema zwischen SPD, FDP und Grünen verursacht. Denn wann und wie Deutschland endgültig aus der Kohle aussteigen will, [darüber beraten sie gerade].

Kohleverbrennung: Diese Wege könnten zu ihrem Ende führen

Geeinigt auf ein Ende der Kohleverstromung 2038, mit mehreren Stufen, in denen die Kraftwerke abgeschaltet werden sollen. Festgehalten im später verabschiedeten Kohleausstiegsgesetz ist außerdem die Möglichkeit, den Ausstieg ohne weitere Entschädigungen auf 2035 vorzuziehen. Doch Expertinnen und Experten rechnen nicht damit, dass Mitte der 2030er Jahre noch Kohle in Deutschland verbrannt werden wird.

„Um das Jahr 2030 wird es keine Kohleverstromung mehr geben können, wenn wir auch nur in die Nähe der Klimaziele kommen wollen“, sagte Felix Matthes, Forschungskoordinator für Energie- und Klimapolitik am Öko-Institut in Berlin. Die Frage sei nicht, ob der Kohleausstieg bis zum Ende des Jahrzehnts kommen werde, sondern wie.

Grundsätzlich gibt es zwei Wege, die zum Ende der enorm klimaschädlichen Kohleverbrennung in Deutschland führen können. Eine Option: Der Gesetzgeber könnte erneut vorgeben, wann Schluss ist mit der Kohle, nur früher als bisher. Beim Umweltbundesamt bevorzugt man den anderen Weg, über den europäischen Emissionshandel.

Kohlestrom könnte bald nicht mehr wirtschaftlich sein

Die steigenden Preise über den Handel mit Emissionsrechten hätten schon 2019 und 2020 Kohleverstromung unattraktiver gemacht, sagt UBA-Präsident Dirk Messner unserer Redaktion. Eine weitere Verschärfung des Emissionshandels, wie sie die EU-Kommission jetzt plant, werde dazu beitragen, die Kohleverstromung in Deutschland früher zu beenden. „Es ist gut möglich, dass es dazu gar keine Novelle des Ausstiegsgesetzes brauchen wird“, sagt Messner.

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„Ein marktgetriebener Ausstieg wäre auch die elegantere Lösung, denn mit einem neuen Ausstieggesetz macht man einen gesellschaftlichen Großkonflikt wieder auf.“ Dann könnten eventuell die Betreiber der Kraftwerke Ansprüche auf weitere Entschädigungen erheben.
Auch Energieexperte Matthes ist sicher, dass die Preise des europäischen Emissionshandels bis Ende des Jahrzehnts soweit steigen könnte, dass Kohlestrom schlicht nicht mehr wirtschaftlich ist und so aus dem Markt gedrängt wird.

„Ob es erstrebenswert ist, das nur über den Emissionshandel zu machen, steht auf einem anderen Blatt“, sagt er. Berechenbarer und deshalb auch für die betroffenen Gebiete und Menschen besser planbar sei ein politisch flankierter früherer Ausstieg. „Das gibt es Spektrum von Instrumenten, über die jetzt genau diskutiert wird“, sagt Matthes. Eine neue Runde von Entschädigungszahlungen sei jedenfalls nicht die Lösung.

Übergangsweise werden wohl Gaskraftwerke nötig sein


Dass Kohleregionen sich auf ein fixes Ausstiegsdatum besser vorbereiten können, ist laut Matthes aber nicht der einzige Grund, die Jahreszahl für das Ende der Kohle in den Koalitionsvertrag zu schreiben. Denn unbestritten ist zwar, dass ein Ausstieg aus der Kohle nur möglich ist, wenn parallel so schnell wie möglich die Kapazitäten für erneuerbare Energien ausgebaut werden.

Weil Sonne und Wind aber nicht immer zur Verfügung stehen und grüner Wasserstoff als wetterunabhängige Stromquelle bis 2030 noch nicht in ausreichen vorhanden sein wird, werden übergangsweise wohl Gaskraftwerke nötig sein.

„Wenn man ernsthaft den Kohleausstieg 2030 ins Auge fasst, dann wird man eine ganze Reihe zusätzlicher Kraftwerke bauen müssen, die man einfach ein und ausschalten kann“, sagt er. „Die muss man aber zeitgerecht beschaffen, weil sie sehr lange Vorlaufzeiten haben.“ Und an dieser Stelle mache es einen Unterschied, ob es ein fixes Ausstiegsdatum gibt oder nicht.

Parteien halten sich noch bedeckt


Die Ampel-Verhandler geben sich bei dem Thema bedeckt. Verhandler von FDP und SPD wollten Fragen zum Thema nicht beantworten, mit Verweis auf die laufenden Gespräche. Oliver Krischer, Klima- und Energieexperte der Grünen und Leiter der grünen Verhandlungsgruppe zum Thema, erklärte „de facto“ habe schon die geschäftsführende Bundesregierung den Ausstieg bis 2030 besiegelt: „Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes wurden die Sektorziele im Sommer angeschärft, dadurch darf im Jahr 2030 nur noch eine geringe Menge CO2 im Strombereich ausgestoßen werden“, erklärte Krischer.

„Und bei diesem CO2 Budget haben Kohlekraftwerke keinen Platz mehr, das kann man nur mit anderen Technologien einhalten.“ Das müssten auch keine Gaskraftwerke sein, es gebe verschiedenen Optionen.