Berlin. Sozialminister Hubertus Heil will Menschen mit weniger Geld entlasten. Kritik daran kommt ausgerechnet aus der eigenen Koalition.

Steigende Heizkosten, teure Benzinpreise, wachsende Kosten für Lebensmittel – es ist aktuell die große Herausforderung für die Bundesregierung: Sie muss vor allem den weniger stark verdienenden Menschen helfen, aufgrund von Kostenexplosion und hohen Inflationsraten nicht in Armut abzurutschen.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat nun ein jährliches „Klimageld“ vorgeschlagen. So will Heil Menschen in der Krise helfen – vor allem denen, die nicht reich sind. Menschen, die zuerst die steigenden Preise in ihrem Portemonnaie spüren. Lesen Sie dazu: Klimageld und Bürgergeld – Diese Entlastungen plant SPD-Minister Heil

Doch die Pläne des Ministers stoßen nicht nur auf Begeisterung. Es gibt auch deutliche Kritik – am schärfsten formuliert es die Opposition der Union. Doch gefährlich könnte Heil vor allem der Widerstand aus den Reihen der eigenen Regierungskoalition werden. Alle wichtigen Fragen und Antworten zur Debatte des Wochenendes:

Wem soll das „Klimageld“ helfen?

Nach Heils Vorstellungen sollen Alleinstehende vom „Klimageld“ profitieren, sofern sie weniger als 4000 Euro brutto im Monat verdienen. Auch Verheiratete erhalten die Zahlung, wenn sie gemeinsam weniger als 8000 Euro verdienen. Das „Klimageld“ wird demnach einmal im Jahr gezahlt.

Wie hoch die Geldspritze für jeden einzelnen sein wird, dazu sagte der Minister nichts. Details müssten nun zunächst innerhalb der Koalition geklärt werden – vor allem zwischen Heil, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner. Experten gehen davon aus, dass das Klimageld im Schnitt bei bis zu 200 Euro pro Kopf und Jahr liegen könnte.

Menschen mit wenig Einkommen verbrauchen weniger Energie als Reiche. Nun sollen gerade Bürger mit niedrigen und mittleren Einkommen entlastet werden.
Menschen mit wenig Einkommen verbrauchen weniger Energie als Reiche. Nun sollen gerade Bürger mit niedrigen und mittleren Einkommen entlastet werden. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Klimageld: Wie groß ist der Widerstand in der Koalition?

Genau dieser Christian Lindner könnte für Hubertus Heil und seine Klimageld-Pläne zum Problem werden. Lindners erste Reaktion ist kritisch. „Da Schulden und Steuererhöhungen ausgeschlossen sind, bin ich auf die Finanzierungsideen gespannt“, sagte er unserer Redaktion. „Viel näher als neue Töpfe einzurichten, liegt zudem, dass wir für das kommende Jahr eine Reform der Lohn- und Einkommenssteuer angehen.“ Heil hatte angekündigt, die Entlastungsmaßnahme aus den Einnahmen des Staates für Kohlendioxid zu finanzieren, die sogenannte CO2-Bepreisung.

Doch andere ranghohe Liberale bringen sich ebenfalls gegen Heils Pläne in Stellung. FDP-Vize Wolfgang Kubicki kritisierte „weitere Transferleistungen“, da die Kosten für die Bürokratie in die Höhe schnellen würden, ohne dass diese Aufwendung den Geringverdienern helfe. Und FDP-Fraktionsvize Johannes Vogel wandte sich gegen eine Einkommensgrenze beim Klimageld.

Rückhalt bekommt SPD-Minister Heil von den Grünen. „Es ist gut, dass Hubertus Heil nun Vorschläge macht, wie wir Geringverdienern und Grundsicherungsempfängern beistehen können“, sagte Parteichefin Ricarda Lang unserer Redaktion. „Über die konkrete Ausgestaltung gilt es, in der Koalition jetzt zu beraten.“ Es gehe darum, diejenigen besonders in den Blick zu nehmen, die längerfristige Belastungen auch mit Einmalzuschüssen nicht tragen könnten, sondern strukturelle Unterstützung benötigten.

Wann kommt das Klimageld?

Und offenbar hatte Arbeitsminister Heil schon mit Kritik aus der FDP gerechnet. Ihm sei es auch wichtig, dass das Klimageld schneller eingeführt werde, „als sich mancher in der Koalition das vorstellt“, sagte Heil. „Wenn es technisch möglich ist, sollten wir das soziale Klimageld zum 1. Januar 2023 umsetzen. Falls das nicht gelingt, müssen wir mit überbrückenden Einmalzahlungen arbeiten.“

Klimageld: Wie reagieren Wirtschaft und Verbände?

Der Mittelstandsverband BVMW lehnt das Klimageld ab. „Natürlich müssen Härtefälle unterstützt werden. Aber generell Geld zu geben, ohne Lebensumstände, regionale Gefälle und familiäre Situationen zu bewerten, kann nicht funktionieren“, sagte Markus Jerger, Vorsitzender des Bundesverband Der Mittelstand (BVMW). Eine willkürliche Grenze von 4000 Euro habe in München eine andere Bedeutung als im Osten von Mecklenburg-Vorpommern.

Rückhalt kommt von den Sozialverbänden. Der Paritätische Wohlfahrtsverband lobte das Klimageld als „einkommensorientiert und zielgenau“. Heils Vorstoß verzichte „auf die Gießkanne und entlastet die, die wirklich Entlastung brauchen“. Verena Bentele, Präsidentin des VdK, begrüßte die Pläne ebenfalls, mahnte zugleich: „Es darf nicht wieder so wie bei der Energiepreispauschale kommen, dass auch die Reichen profitieren, denn sie haben meist den höchsten Energieverbrauch.“

Wie stark steigen die Kosten für die Verbraucher an?

Angesichts des Ukraine-Kriegs sind die Verbraucherpreise in Deutschland geradezu sprunghaft und so stark angestiegen wie seit langen nicht mehr. Die Inflationsrate lag im April bei 7,4 Prozent. Die größten Preistreiber sind Nahrungsmittel und Energie. Nahrungsmittel haben sich im Vergleich zum Vorjahresmonat um 8,6 Prozent verteuert, Kraftstoffe – wie Benzin und Diesel - um 38,5 Prozent und Heizöl hat sich fast verdoppelt. Aber auch für Strom müssen die Bewohner 19,3 Prozent mehr bezahlen.

Inflation: Wer ist besonders von den steigenden Kosten betroffen?

Besonders betroffen sind grundsätzlich Einkommensschwächere und kinderreiche Familien mit geringen Einkommen. Da alle Essen und Trinken müssen, gerne in einer warmen Wohnung leben und viele auf Mobilität angewiesen sind, werden aber alle Einwohner die Preissteigerungen zu spüren bekommen. Zuerst beim Einkaufen, an der Tankstelle und nachgelagert bei den drohenden Nachzahlungen für Strom, Gas und Heizung.

Laut einer Studie der Technischen Hochschule Aachen muss ein durchschnittlicher Vierpersonenhaushalt, der mit Gas heizt, aktuell im Vergleich zu Anfang 2020 mit Mehrausgaben von 1.624 Euro auf ein Jahr kalkulieren. Demnach drohen 600.000 weitere Haushalte in Deutschland unter die Armutsgrenze zu rutschen.

Womit will die Politik den Menschen zusätzlich helfen?

Es bleibt nicht beim „Klimageld“. Die Bundesregierung will ab 2023 „Hartz IV“ durch das „Bürgergeld“ ersetzen. Dadurch könnten die Sozialhilfe-Sätze laut Arbeitsminister Heil pro Person und Monat etwa 40 bis 50 Euro höher sein als bisher. Und: Zwei Entlastungspakete hat die Bundesregierung bereits beschlossen, weitere Entlastungen sind geplant. Ab Juni gilt das 9-Euro-Monatsticket für Busse und Bahnen. Zugleich soll die Mineralölsteuer gesenkt werden, damit der Spritpreis an der Tankstelle nicht weiter steigt. Benzin wird um knapp 30 Cent pro Liter günstiger, Diesel um knapp 14 Cent.

Beide Maßnahmen – günstiges Ticket und Tankrabatt – sind zunächst für die drei Sommermonate geplant. Weitere Sonderzahlungen wie „Kinderbonus“ und „Energiepauschale“ sind für Spätsommer geplant. Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat nun noch etwas ins Spiel gebracht: ein „Energiegeld“ für Rentnerinnen und Rentnern: 300 Euro.

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.waz.de