Berlin. Die Mehrheit der Menschen will echten Klimaschutz - und weiß auch, was das heißt. Die Ampelregierung sollte das als Auftrag verstehen.

Mit gesellschaftlichen Attitüden verhält es sich manchmal ein wenig wie mit Gletschern: Steht man direkt davor, scheinen sie starr und unverrückbar, kein bisschen Dynamik ist mit dem bloßen Auge zu erkennen. Blickt man jedoch immer wieder darauf und vergleicht, wo sie heute, gestern und vor einigen Jahren waren, ist sehr wohl Bewegung zu sehen – und diese hat eine Kraft, die nicht zu unterschätzen ist.

Je mehr die Gletscher in den Alpen und anderswo abschmelzen und sich zurückziehen wegen des weltweiten Klimawandels, umso größer wird die Gruppe der Menschen, die überzeugt sind, dass man dieser Entwicklung endlich etwas entgegensetzen muss.

Die Daten des Umweltbundesamts zeigen deutlich, dass die Mehrheit der Menschen in Deutschland verstanden hat, was der Klimawandel ist und dass er existenziell unser Leben bedroht. Mehr noch: Eine Mehrheit der Menschen kennt die Wege, das zu ändern, und will diese auch gehen.

Vieles von dem, was da festgehalten ist, wäre vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen: Mehrheiten für mehr vegetarisches Essen in Kantinen, eine fahrleistungsabhängige Maut für Autos, selbst für das Tempolimit auf Autobahnen, das nach diesen Zahlen völlig ohne Not zum politischen Zankapfel gemacht wurde.

Auch wenn man da den einen oder anderen Prozentpunkt abziehen muss, weil Menschen in Umfragen gern Antworten geben, von denen sie wissen, dass ihr Gegenüber sie hören will, und auch wenn wollen noch nicht gleich machen ist: Die Bewegung ist da.

E-Autos, Veggie-Wurst und Solardächer boomen

Das zeigt sich auch konkret: Supermärkte können die veganen und vegetarischen Ersatzprodukte kaum so schnell nachlegen im Regal, wie sie in den Einkaufswägen landen, die Zahl der zugelassenen E-Autos steigt in Rekordhöhen, das Geschäft mit Solaranlagen auf dem eigenen Dach boomt.

Die Selbstverständlichkeit, mit der all das längst auch in Milieus angekommen ist, die der Jutebeutel und Vollkornkekse eher unverdächtig sind, ist auch der Erfolg der Umweltbewegung, die das Thema über Jahrzehnte in die Debatte gedrängt hat. Mit Ausdauer und Nachdruck und der Bereitschaft, sich zur Nervensäge zu machen.

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All das wird weiterhin nötig sein. Denn auch wenn der individuelle Lebensstil, hochgerechnet auf 80 Millionen Bundesbürger und -bürgerinnen, Gewicht hat, gibt es doch Hunderte Tonnen CO2, die sich nicht über den heimischen Einkaufszettel einsparen lassen.

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© Reto Klar | Reto Klar

Allein durch die Beteuerungen von Regierungen und auch Konzernen, klimaneutral werden zu wollen, ist noch nichts gewonnen. Und auch wenn diejenigen, die so lange wie noch möglich an einem fossilen Geschäftsmodell festhalten wollen, gerade im Hintertreffen sind, sollte man nicht unterschätzen, wie viel Einfluss sie noch haben.

Die Politik sollte ehrlich sagen, was Klimaschutz bedeutet

Für die Politik bleibt also genug zu tun. Die gute Nachricht aus der Befragung des Umweltbundesamts: Die Bundesregierung kann diese Arbeit angehen in dem Wissen, dass sie umsetzt, was eine große Mehrheit der Menschen in Deutschland will. Sie muss mit Konflikten um den Weg rechnen, nicht aber um das Ziel.

Und in diesen Konflikten, auch das ist eine Nachricht aus der Studie, kann und muss die Politik ehrlich darüber sprechen, was Klimaschutz am Ende für den Einzelnen bedeutet. Die Studienergebnisse sind ein Auftrag: Die allermeisten Teile der Gesellschaft hier wollen, dass endlich effektiver Klimaschutz gemacht wird. Es ist nicht zu übersehen, dass die Gletscher sich bewegen.