Den Haag. Die Niederlande beschließen Tempo 100 auf Autobahnen. Mark Rutte nennt es eine „beschissene Maßnahme“, die allerdings unumgänglich sei.

Die Niederlande führen nach Norwegen und Zypern eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 Kilometer pro Stunde auf allen Autobahnen ein – zumindest tagsüber.

Das sei zwar eine „beschissene Maßnahme“, jedoch sei das Tempolimit angesichts der notwendigen Senkung des Ausstoßes von Stickoxiden unumgänglich, sagte Ministerpräsident Mark Rutte am Mittwoch.

„Niemand findet das schön, aber es geht hier echt um höhere Interessen“, sagte der Regierungschef nach Angaben der niederländischen Nachrichtenagentur ANP weiter.

Niederlande führen Tempo 100 ein – Ab wann es gilt, noch unklar

Hintergrund ist, dass die Niederlande seit langem die EU-Grenzwerte für den Ausstoß von Stickoxiden überschreiten. Bei den Grenzwerten geht es in erster Linie um den Gesundheitsschutz der Bürger und darum Gesundheitsgefahren einzuschränken. Ruttes rechtsliberale Partei VVD hatte vor einigen Jahren noch maßgeblich dafür gesorgt, dass vielerorts das niederländische Autobahn-Tempolimit von 120 auf 130 erhöht wurde.

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Ab wann das am Dienstag von der Koalitionsregierung in Den Haag beschlossene neue Limit gelten soll, war zunächst noch unklar. Die Ministerin für Infrastruktur, Cora van Nieuwenhuizen, will laut ANP bis Ende Dezember einen konkreten Plan vorlegen. Ausnahmen von Tempo 100 soll es zwischen 19.00 und 6.00 Uhr geben. Aber nur für jene Autobahnabschnitte, auf denen bisher auch tagsüber maximal Tempo 130 erlaubt war.

Der niederländische Verkehrsclub ANBW - eine Partnerorganisation des deutschen ADAC - bezeichnete die Einführung von Tempo 100 als gewöhnungsbedürftig. Allerdings hätten 51 Prozent der Teilnehmer einer Umfrage unter ANBW-Mitgliedern die Maßnahme zum Schutz der Natur als positiv bezeichnet - im Vergleich zu 34 Prozent, die Tempo 100 ablehnten.

Rutte: Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte für Niederlande besonders schwierig

Grund für die Tempo-Kehrtwende sind anhaltend hohe Emissionen von Stickoxiden, die gemessen an der Fläche des Landes EU-Grenzwerte erheblich übersteigen. Das höchste Gericht und Beratungsgremium der Regierung der Niederlande, der Raad van State, hatte angesichts dessen im Mai große Bauvorhaben gestoppt und die Regierung vor die Wahl gestellt, wirksamere Maßnahmen zur Stickoxidreduzierung zu ergreifen oder diese Projekte zu streichen - darunter Tausende von Wohnungen, aber auch Infrastrukturbauten wie die Erweiterung von Autobahnen. Auch beim Bauen wird, etwa durch den Erdaushub, Stickstoff freigesetzt.

Rutte verwies darauf, dass die Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte für die Niederlande besonders schwierig sei. „Das ist eine Krise für unser Land und für die Regierung von bislang nicht gekanntem Ausmaß“, sagte er vor Reportern.

Greenpeace fordert auch Reduzierung des Nutztierbestands

Zu den Ursachen gehört Experten zufolge, dass die Niederlande nach der Inselrepublik Malta der am dichtesten besiedelte Staat in der EU ist und nur über wenig natürliche Ausgleichsflächen oder größere Naturschutzgebiete verfügt, in denen Stickoxid abgebaut wird.

Der „Stickstoffplan“ der Regierung sieht neben Tempo 100 eine Reihe weiterer Maßnahmen vor. Unter anderem soll in der Rinderhaltung mehr enzymreiches Futter verwendet werden, wodurch Kühe weniger Ammoniak abgeben sollen. Umweltorganisationen wie Greenpeace hatten auch eine Reduzierung des Nutztierbestandes gefordert, was zu Protestaktionen von Bauern führte.

Auch in Deutschland gibt es eine Diskussion über die Stickoxid-Grenzwerte. Die EU überprüfte Anfang des Jahres noch einmal die Vorschriften zu Grenzwerten von Stickoxid. (dpa/les )