In Hochgeschwindigkeit werden jetzt LNG-Terminals gebaut – und siehe da, es geht. Musste dafür erst ein Krieg kommen? Ein Kommentar.

In Wilhelmshaven zeigt sich dieser Tage: Deutschland kann Großprojekte schnell, korrekt und effizient abwickeln – wenn alle wollen. Gut 230 Tage vom ersten Spatenstich bis zur ersten Lieferung sind spektakulär schnell für deutsche Verhältnisse und derartige Infrastrukturprojekte. Das ist die gute Seite.

Die andere ist dramatisch: Jahrelang hat sich Deutschland auf Gas aus Russland verlassen, 2021 kam mehr als die Hälfte des Bedarfs per Pipeline aus Sibirien. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine Ende Februar galt es, diese Menge zügig zu ersetzen, damit es in Deutschlands Wohnungen nicht kalt wird und der Industrie nicht das Gas abgedreht werden muss, was eine Wirtschaftskrise von ungekannten Ausmaßen ausgelöst hätte. Deshalb sollen bis Winter 2023/24 etwas mehr als ein Viertel des deutschen Gasverbrauchs über Flüssiggasterminals anlanden können.

Vorherige Regierungen haben den Aufbau von Alternativen nur halbherzig betrieben

Björn Hartmann, Wirtschaftskorrespondent
Björn Hartmann, Wirtschaftskorrespondent © Reto Klar | Reto Klar

Sicher, die Bundesrepublik hätte früher und mehr in erneuerbare Energien und in Alternativen zum Erdgas investieren müssen, Wasserstoff etwa. Ideen gab es genug. Die unionsgeführten Vorgängerregierungen der Ampelkoalition haben das nur halbherzig betrieben. Und für die Wirtschaft war der Druck, sich um Alternativen zum Gas zu bemühen, gering. Dafür lieferte Russland per Pipeline einfach zu billig.

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Das ist jetzt anders. Vor allem die Industrie ist gezwungen, Ersatz für Erdgas zu finden. Sehr wahrscheinlich wird das grüner Wasserstoff. Auch der muss eingeführt werden. Die schwimmenden und später auch stationären Flüssiggasterminals können für Wasserstoff genutzt werden.

Es ist bitter, dass erst ein Krieg in Europa nötig ist, bis jeder die Dringlichkeit erkannt hat, vom Erdgas loszukommen, in erneuerbare Energien zu investieren und Alternativen zu fördern. Dafür dürfte sich die Energiewende in Deutschland jetzt endlich radikal beschleunigen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.