Berlin. . Warum sind in einem bestimmten Stadtteil Berlins besonders viele Kinder nicht geimpft? Die Recherche führt in eine Kinderarztpraxis.

Fast hätte es der Junge nicht bis auf die Intensivstation geschafft. Das war im Februar 2015, zwei Tage, nachdem ein Kinderarzt Fieber und Hautausschlag festgestellt hatte. Das Herz stand still, der Kreislauf auch. Wiederbelebung. Dann wird es, ein Kitakind aus Reinickendorf, in die Kinderklinik der Charité verlegt, in einen graubraunen Betonkasten auf dem Virchow-Campus.

Die Ärzte verabreichen Adrenalin und ein Medikament gegen Herzschwäche. In einem Bericht, den später das Robert Koch Institut (RKI) veröffentlichen wird, schimmert Hoffnung zwischen medizinischen Wortungetümen. Verbesserung der Herzfunktionen, steht da, Blutdruckstabilisierung. Der Junge hatte eine Vorerkrankung am Herzen. Er war geimpft – aber nicht gegen Masern. Sieben Tage nach dem ersten Fieberausbruch ist er tot. Er wurde 18 Monate alt.

Keine hundert Meter entfernt, in einem Labor des RKI, wird später das Virus typologisiert. Ergebnis: Es gehört zum Virusstamm „R8-Rostov-am-Don“. Und damit zum größten Masernausbruch in Berlin seit Einführung der Meldepflicht. 1329 Menschen waren erkrankt, Kinder mussten mit schweren Lungenentzündungen über Wochen im Krankenhaus behandelt werden.

Die Masern sind eine Krankheit der Paradoxe