Berlin/Brüssel. Alle Welt konzentriert sich derzeit auf den Kampf gegen das Coronavirus. Auch die Nato will sich stärker engagieren.

Bei der Bewältigung der Corona-Krise will sich die Nato künftig stärker einbringen. "Die Nato ist in einer Gesundheitskrise nicht der Notarzt, sie hat aber eingespielte Mechanismen, die uns nutzen können", sagte Bundesaußenminister Heiko Maas am Donnerstag nach einer Videoschalte mit seinen Nato-Kollegen.

Generalsekretär Jens Stoltenberg betonte, das Bündnis sei für Krisen geschaffen worden - und könne in der Corona-Krise einen Beitrag leisten.

Maas verwies auf erprobte Abläufe bei der Nato, wie schnell auf Krisen zu reagieren sei sowie auf "das Know-how, dringend benötigtes Material zu beschaffen". Zudem könnten gemeinsam Kapazitäten im Lufttransport genutzt werden. "Wir können uns auch im Bündnis so abstimmen, dass wir gerade in Zeiten knapper werdender Ressourcen die Reibungsverluste kleinhalten", sagte der SPD-Politiker.

Die 30 Nato-Staaten entschieden am Donnerstag, die gemeinsame Hilfe nun besser zu koordinieren. Die Federführung soll bei Oberbefehlshaber Tod D. Wolters liegen. Er soll die militärische Unterstützung der Nato-Staaten ausbauen und beschleunigen, wie Stoltenberg sagte.

Es gehe darum, Kapazitäten im Lufttransport besser zu nutzen sowie Hilfsanfragen und -angebote einander zuzuordnen. In Abstimmung mit Eurocontrol soll Wolters zudem dafür sorgen, dass militärische Flüge mit medizinischer Ausrüstung Vorrang bekommen. Für Mitte April ist eine Sonderschalte der Verteidigungsminister geplant.

In einer gemeinsamen Erklärung betonten die Minister, dass die Nato trotz Corona-Krise nach wie vor ihren Hauptaufgaben nachkommen könne. "Unsere Fähigkeit, unsere Operationen durchzuführen sowie Abschreckung und Verteidigung gegen alle Bedrohungen zu gewährleisten, ist unbeeinträchtigt."

Innerhalb der Allianz besteht jedoch die Sorge, Gegner wie Russland könnten die Situation ausnutzen und verstärkt feindliche Aktivitäten ausüben. Auch über den richtigen Umgang mit Falschnachrichten aus Russland und China berät das Bündnis.

Maas betonte am Donnerstag, die Nato und auch die EU müssten sich gegen solche Desinformationen wehren. Es gebe einige, die versuchten, die aktuelle Lage propagandistisch auszunutzen, "um sich selber in einem besseren Licht erscheinen zu lassen". Sowohl innerhalb des Militärbündnisses als auch innerhalb der EU müsse auf Desinformationen, die einen staatlichen Hintergrund hätten, mit "Gegenmaßnahmen" reagiert werden, die auf Fakten basieren.

Vor allem Russland und China wird vorgeworfen, durch staatliche Propaganda Kapital aus der Corona-Krise schlagen zu wollen. Die EU-Kommission hatte kürzlich beklagt, viele Falschinformationen rund um das Coronavirus stammten aus Russland. Zum Teil seien die Quellen mit dem Kreml verbunden. Der Kampagne "EU vs Disinfo" zufolge wurde zwischen dem 22. Januar und dem 1. April in 26 Kreml-nahen Berichten behauptet, die EU scheitere am Umgang mit der Corona-Krise.

Maas machte am Donnerstag zudem deutlich, dass die Bundesregierung trotz Corona-Krise ihre Nato-Zusagen zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben einhalten werde. "Was die Zwei-Prozent-Vorgaben angeht gilt das, was wir bisher gesagt haben", sagte er. "Wir stehen zu unseren Zusagen." Die Nato hatte 2014 beschlossen, dass sich alle Mitgliedstaaten innerhalb von zehn Jahren dem Ziel annähern sollen, zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Die große Koalition hatte sich später auf 1,5 Prozent bis 2024 verständigt, im vergangenen Jahr waren es 1,38 Prozent.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (beide CDU) wollen das Zwei-Prozent Ziel nun bis Anfang der 2030er Jahre erreichen. Eine Festlegung der gesamten Bundesregierung gibt es aber noch nicht. Angesichts des erwarteten Konjunktureinbruchs wegen der Corona-Krise dürfte Deutschland dem Zwei-Prozent-Ziel zumindest in diesem Jahr automatisch ein Stück näher kommen - weil das BIP anders als in den letzten Jahren nicht weiter steigen, sondern fallen wird.

Die Außenminister stimmten am Donnerstag zudem einer vorherigen Entscheidung zu, den derzeit wegen Sicherheitsbedenken und Covid-19 ausgesetzten Ausbildungseinsatz im Irak auszuweiten. "Im Irak dürfen wir nicht nachlassen, der Kampf gegen den IS ist nicht gewonnen", sagte Maas. Auch die Bundeswehr könne sich künftig an der Mission beteiligen. Im Februar hatte die Nato entschieden, künftig Teile der US-geführten globalen Koalition gegen die Terrormiliz Islamischer Staat zu übernehmen.