Washington. Deutschland ist den Amerikanern zu abhängig von russischem Gas. Scholz' Zaudern beim Thema Nord Stream 2 sät in den USA weiter Zweifel.

Ziemlich beste Freunde: So lassen sich die Äußerungen von Olaf Scholz und Joe Biden nach ihrem Treffen zusammenfassen. Bei ihrem gemeinsamen Auftritt im Weißen Haus überhäuften sich der Kanzler und der US-Präsident gegenseitig mit Bekundungen des Vertrauens und der Geschlossenheit.

Nach den angespannten Trump-Jahren ist es für einen deutschen Kanzler natürlich schön, dass er sich in Washington nicht nur Gemecker über die Höhe seiner Verteidigungsausgaben oder die Exportstärke der deutschen Wirtschaft anhören muss.

Demonstrative Einigkeit – oder nur Frieden auf Zeit?

Allerdings ist eine derart demonstrativ zur Schau gestellte Einigkeit ein Zeichen dafür, dass die gegenseitige Zuneigung in den vergangenen Monaten nicht so unerschütterlich gewesen ist, wie Scholz und Biden nach dem Antrittsbesuch des Kanzlers glauben machen wollten.

In den USA gab es heftige Verstimmungen über den Kurs der neuen Bundesregierung gegenüber Russland. Nun hat die Regierung von Joe Biden angesichts der bedrohlichen Lage in Osteuropa zumindest für den Moment ihren Frieden mit den Positionen Deutschlands gemacht.

Scholz in Washington: Biden schuf Fakten

Die deutsche Absage an Lieferungen von Waffen an die Ukraine wird von der US-Regierung offenbar akzeptiert, auch wenn die oppositionellen Republikaner Biden weiterhin deswegen innenpolitisch unter Druck setzen werden.

Jan Dörner, Politik-Korrespondent in der Funke-Zentralredaktion
Jan Dörner, Politik-Korrespondent in der Funke-Zentralredaktion © Privat | Privat

In der Frage der umstrittenen Ostseepipeline Nord Stream 2 hat Biden den Besuch des deutschen Kanzlers genutzt, um Fakten zu schaffen. Sollten russische Truppen oder Panzer auf das Gebiet der Ukraine eindringen, "dann wird es kein Nord Stream 2 geben", stellte der US-Präsident klar. Der neben ihm stehende Kanzler widersprach nicht.

Scholz' Besuch hat Diskussion über Deutschlands Verlässlichkeit nicht beendet

Scholz wirkt neben den klaren Aussagen des US-Präsidenten wie ein verdruckster Zauderer, weil er sich auf Fragen nach dem Schicksal der Gasröhre aus unerfindlichen Gründen weiterhin weigert, den Namen der Pipeline überhaupt in den Mund zu nehmen.

Damit läuft der Kanzler Gefahr, dass gerade in der US-Öffentlichkeit die Diskussion über die deutsche Verlässlichkeit unvermindert weitergeführt wird. Das ist taktisch unklug und läuft dem Ziel seines USA-Besuches zuwider, auch wenn Scholz im nächsten Atemzug ein Vorgehen im kompletten Einvernehmen mit der US-Regierung verspricht, sollte der russische Präsident Wladimir Putin einen Angriff auf die Ukraine befehlen.

Deutschland und USA rücken näher zusammen

Wenn es aber zum Ernstfall kommt, wird sich Scholz von Biden an dem gemeinsamen Auftritt im Weißen Haus messen lassen müssen. Zieht die Bundesregierung dann nicht mit, wenn ein Sanktionspaket auch Nord Stream 2 treffen soll, würde Scholz die glühenden Freundschaftsbekundungen als leere Phrasen entblößen.

Erst einmal hat Putin es mit seinen Drohgebärden an der Grenze zur Ukraine aber geschafft, dass Deutschland und die USA näher zusammenrücken. Das stärkt auch die Nato und somit genau das westliche Bündnis, von dem sich der russische Machthaber nach eigenen Worten bedroht fühlt.

Nord Stream 2 bleibt ein Dorn im Auge der USA

Die deutsche Abhängigkeit von russischem Gas wird jedoch ein Konfliktpunkt zwischen den USA und Deutschland bleiben. Es ist das erklärte Ziel von Olaf Scholz und Joe Biden, die aktuelle Krise mit Russland friedlich zu lösen, damit es weder zum Krieg noch zu umfassenden Sanktionen kommt.

Was wird in diesem Fall aus Nord Stream 2? Würde die Bundesregierung dann eine Inbetriebnahme befürworten, ist ihr der Widerstand aus Washington sicher. Schließlich hätte Putin mit der die Pipeline beim nächsten Konflikt ein Druckmittel gegenüber Deutschland in der Hand. Eine Grundsatzentscheidung steht also aus. Da hilft es nicht, dass nicht einmal die Ampel-Koalition eine einheitliche Position zu dem Projekt hat.