Berlin. Aus Deutschland werden Pflanzenschutzmittel ausgeführt, die hier verboten sind. Landwirtschaftsminister Özdemir will dies beenden.

Als „Bienenkiller“ ist Imidacloprid in die Kritik geraten. Der Wirkstoff findet sich in Pflanzenschutzmitteln und zählt zu den umstrittenen Neonicotinoiden: Diese hochwirksamen Insektengifte verbreiten sich nach dem Ausbringen in allen Teilen einer Pflanze von den Wurzeln über die Blätter bis in die Blüten und somit in die Pollen und den Nektar. Für Bienen sind Neonicotinoide hochschädlich, sie greifen das Nervensystem der Tiere an und führen in der Regel zum Tod. Umweltschützer führen das in manchen Regionen massive Bienensterben auf die Insektengifte zurück.

Auch andere Insektenpopulationen werden Untersuchungen durch die Substanzen geschädigt. In der Europäische Union ist es daher den Landwirten seit einigen Jahren verboten, Imidacloprid und ähnliche Wirkstoffe auf ihren Feldern zum Einsatz zu bringen. Nicht so in anderen Teilen der Erde: In Brasilien etwa kommen die giftigen Substanzen weiterhin großflächig zum Einsatz – mit den entsprechenden Folgen für Insekten, aber auch Vögel und andere Tiere sowie den Menschen.

Deutschland exportiert gefährliche Pestizide

Die umstrittenen Pflanzenschutzmittel bekommen Brasilien und andere Staaten mit geringeren Schutzstandards trotz des Verbots innerhalb der Europäischen Union auch aus Europa: Denn die Produktion und der Export des Stoffes an Länder außerhalb der EU ist weiterhin erlaubt.

Allein aus Deutschland wurden einer Aufstellung des Agrarministeriums zufolge im vergangenen Jahr 400 Tonnen Imidacloprid ausgeführt. Und die Substanz ist kein Einzelfall, es gibt zahlreiche Stoffe in Pflanzenschutzmitteln, die in der EU zwar nicht mehr zum Einsatz kommen dürfen, deren Verkauf in andere Staaten aber weiterhin möglich ist.

Gesundheitsschädliche Pestizide: Özdemir verbietet Export

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir bereitet ein Exportverbot für gesundheitsschädliche Pflanzenschutzmittel vor, die in Deutschland hergestellt werden. „Es geht nicht an, dass wir nach wie vor Pestizide produzieren und exportieren, die wir bei uns mit Blick auf die Gesundheit der Menschen zurecht verboten haben“, sagte der Grünen-Politiker unserer Redaktion. „Die Menschen haben überall das gleiche Recht auf Gesundheit, das muss auch für die Bäuerinnen und Bauern in anderen Ländern gelten.“

Das Exportverbot für bestimmte Pestizide soll über eine Verordnung nach dem Pflanzenschutzgesetz geregelt werden, wie aus dem Landwirtschaftsministerium verlautet. Ein Referentenentwurf ist für das Jahresende geplant, im Frühjahr 2023 soll die Verordnung in Kraft treten. Deutschland folgt damit dem Beispiel Frankreichs und der Schweiz. Gemeinsam mit Frankreich will sich die Bundesregierung zudem für einen EU-weiten Exportstopp einsetzen.

Özdemir: Wir schaffen ein Stück Fairness im Wettbewerb

Das Verbot habe auch einen positiven Nebeneffekt für die deutschen Landwirte, hob Özdemir hervor. „Denn wir schaffen dadurch auch ein Stück weit mehr Fairness im Wettbewerb, wenn hier verbotene Mittel auch woanders nicht mehr eingesetzt werden dürfen.“

Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben des Hauses von Özdemir insgesamt 53.020 Tonnen Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe aus Deutschland ausgeführt. Darunter seien 8525 Tonnen Wirkstoffe gewesen, die in der EU nicht genehmigt seien. In einer ersten Analyse seien rund 160 Wirkstoffe als potenziell gesundheitsschädlich eingestuft worden.

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385 Millionen Menschen erleiden jedes Jahr eine Pestizidvergiftung

Das Agrarministerium verweist auf Untersuchungen, wonach jedes Jahr rund 385 Millionen weltweit eine Pestizidvergiftung erleiden – 11.000 Menschen sterben daran. Gerade in Ländern des globalen Südens seien oft keine Schutzmaßnahmen wie das Tragen von Schutzausrüstung oder Wartezeiten vor der Ernte vorgeschrieben. Die Zahlen stammen aus einer Studie des Pestizid Aktions-Netzwerks, das den Einsatz der Mittel ablehnt.

Es sei nicht hinnehmbar und deutschen Landwirten nicht zu erklären, resümiert Özdemirs Ministerium, „dass Deutschland Pestizide exportiert, die hierzulande als gesundheitsschädlich eingestuft sind, aber dennoch anderen zur Verfügung gestellt werden“.

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Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.