Berlin. Laut einer Studie nimmt die „Generation Mitte“ immer mehr Aggressionen war. Dabei gibt es einen einfachen Rat, den wir befolgen können.

Es kommt selten vor, dass eine Studie die eigene Lebenswelt derart zielgenau trifft, dass man zusammenzuckt. Gerade dann, wenn die Umfrageergebnisse nicht besonders angenehm sind. Aber was soll’s, bei dieser Studie ist es so: Die neue Allensbach-Umfrage zum Lebensgefühl der „Generation Mitte“ trifft einen wunden Punkt. Die Bundesbürger zwischen 30 und 59 Jahren beklagen wachsenden Egoismus, Respektlosigkeit und Aggressivität. Kurz: Die Ellenbogen sind ausgeklappt. Nachsicht, Rücksicht, Vorsicht findet man immer seltener.

Julia Emmerich kommentiert die Studie zur „Generation Mitte“.
Julia Emmerich kommentiert die Studie zur „Generation Mitte“. © Reto Klar | Reto Klar

Das ist bitter. Umso mehr, weil es Deutschland eigentlich vergleichsweise gut geht. Das ist das eine. Das andere ist: Dieser Trend fällt nicht vom Himmel. Dieser Trend ist selbst gemacht. Wir sind es, die darunter leiden, aber wir sind es auch, die unsere Ellenbogen ausklappen. Doch woran liegt das?

Die „Generation Mitte“ sieht aggressive Gesellschaft – Woran das liegt

Es gibt zwei Antworten.

Die eine lautet: Deutschland geht es zwar ökonomisch gut, die Arbeitslosigkeit ist niedrig, der Wohlstand hoch. Doch im All- tag stehen die meisten Frauen und Männer in der Generation zwischen 30 und 59 unter höherem Druck als die Generationen davor. Schon deshalb, weil sie mehr wollen – und mehr sollen als früher: Wir sollen Beruf und Familie nicht nur irgendwie stemmen. Wir sollen bitte schön als partnerschaftliches Elternduo, als gelassene Erzieher und engagierte Arbeitnehmer alles aus uns herausholen.

Wir wollen oder sollen dabei nicht nur bis ins hohe Alter gut aussehen, körperlich fit sein und täglich zu Hause gesunde Mahlzeiten kochen, sondern auch noch ehrenamtlich aktiv sein, die Umwelt schützen und uns um Menschen kümmern, die alles das nicht allein schaffen. Und bei allem wollen wir natürlich immer pünktlich sein, verlässlich und ausgeruht. Egal ob die Straßen verstopft sind, der Bus voll ist oder die S-Bahn ausfällt.

Herkules, der antike Held mit den übermenschlichen Kräften, hätte bei einem solchen Mammutprogramm abgewinkt – „Nein, danke. Zu anstrengend.“ Die Generation Mitte dagegen kocht sich einen grünen Tee oder stürzt einen Schnaps runter und macht weiter. Weil es ja alle machen. Und weil jeder einzelne Programmpunkt ja für sich genommen sinnvoll und erfüllend sein kann. Wenn man zwischendurch nur mal zum Durchatmen käme.

Kurz und gut: Dieser Druck muss irgendwo hin. Mal kriegen es die Kinder ab, mal der Partner. Doch vieles landet eben auch draußen: im Straßenverkehr, in der U-Bahn, in der Schlange beim Bäcker. Es fängt an mit einem „Herrje, wie lange soll das hier noch dauern?“, geht über in ruppiges Rempeln auf der Rolltreppe und endet mit lebensgefährlichen Manövern am Steuer oder am Fahrradlenker. Je mehr von uns sich so gehen lassen, desto roher werden die Sitten.

Das Private unterliegt immer mehr ökonomischen Prinzipien

Die andere Antwort schürft tiefer. Es ist die Antwort der Sozialforscher, die beobachten, wie sich ökonomische Prinzipien gerade bis in die letzten Verästelungen des Privaten vorarbeiten. Gut sein, besser sein, am besten sein – das sind Kategorien von Konkurrenz und Optimierung, die nicht nur im Job, bei der Partnerwahl oder bei der Erziehung der Kinder gelten.

Diese Maximen gelten auch für die Likes der eigenen Social-Media-Profile. Und damit rund um die Uhr. Die Folge: Eine Generation, die andauernd und überall messbare Erfolge erreichen will, steht unter permanentem Druck.

• Hintergrund: Deutsche beklagen aggressiver werdende Gesellschaft

Doch was hilft? Es wäre schon mal ein Anfang, statt über die wachsende Verrohung zu klagen, Verantwortung dafür zu übernehmen. Und umzusteuern. Denn: Leben wir unseren Kindern weiterhin Dauerdruck als Normalfall des Lebens vor, drehen die als Erwachsene endgültig am Rad.