Berlin. Aus einer Antwort des Finanzministeriums an die Linkspartei geht eine deutliche Steigerung der Steuerbelastung für Rentner hervor.

Lange Jahre mussten sehr viele Rentner gar keine Steuern zahlen, doch inzwischen müssen immer mehr Ruheständler eine Steuererklärung abgeben. Und nicht nur das: Die Steuerbelastung ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen – zum Teil sogar um das Fünffache. Das zeigt eine Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage, die die Linke-Bundestagsfraktion an das Haus von Minister Olaf Scholz (SPD) gerichtet hat.

Aus den Tabellen geht hervor, dass ein Rentner, der im Jahr 2019 in den Ruhestand getreten ist und beispielsweise jeden Monat brutto 1500 Euro Rente erhält, für das gesamte Jahr – also für 18.000 Euro Rente – insgesamt 430 Euro Einkommensteuer zahlen muss. Dagegen musste ein Rentner, der 2010 das erste Mal Altersbezüge bekam, für die gleiche Rente 79 Euro Steuern zahlen.

Grund für die sehr unterschiedlichen Werte ist ein Systemwechsel bei der Steuerpflicht von Rentnern, der seit 2005 gilt. Die Beträge sind also nur bedingt miteinander vergleichbar.

Rente: Immer mehr müssen Steuern zahlen

Aus der Antwort lassen sich unter anderem folgende Fälle konstruieren:

  • Ein Neurentner mit monatlicher Bruttorente von 1500 Euro zahlt jetzt 430 Euro Einkommenssteuer im Jahr – 2010 waren es 79 Euro.
  • Ein Ruheständler mit 1700 Euro Bruttorente pro Monat zahlt jetzt 758 Euro jährlich – 2010 waren es 294 Euro.
  • Für Altersbezüge von monatlich 2000 Euro werden heute jährlich 1326 Euro Einkommensteuer fällig, 2010 waren es 679 Euro.
  • Wer eine Rente von 1200 Euro erhält, zahlt erst ab diesem Jahr Einkommensteuer – nämlich 31 Euro im Jahr.

Hintergrund ist eine 2005 eingeführte Änderung. Bis dahin galt ein Freibetrag von 50 Prozent der Rente. Seitdem steigt die Besteuerungsanteil der Rente um zunächst jährlich zwei Prozentpunkte. Bis zu heute sank der Freibetrag auf 22 Prozent.

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    Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch findet diese Entwicklung trotzdem „inakzeptabel“. Die Rente könne nicht immer stärker besteuert werden, sagt er, wenn gleichzeitig das Rentenniveau sinke – also das Verhältnis der Durchschnittsrente zum Durchschnittslohn der arbeitenden Bevölkerung: „Die Renten vieler Menschen sind zu gering, um noch Steuern zu zahlen“, meint Bartsch. „Wenn Rentner erleben, dass sie einen Teil ihrer Lebensleistung ins Finanzamt tragen müssen, besteht Handlungsbedarf“, glaubt der Chef der Linken-Fraktion und fordert eine „große Rentenreform“. Bei der Besteuerung müssten kleine und mittlere Renten besonders geschützt werden.

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    Das, was der Linke-Politiker kritisiert, ist ein Mechanismus, der vor 14 Jahren nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Kraft gesetzt wurde. Er sorgt dafür, dass die Renten auch in den nächsten Jahren stärker besteuert werden – bis die Alterseinkünfte im Jahr 2040 komplett der Einkommensteuer unterliegen. Was Bartsch bei seiner Kritik nicht erwähnt: Gleichzeitig können Arbeitnehmer als Ausgleich immer mehr Aufwendungen für die Altersvorsorge von der Steuer absetzen. Die Steuerlast verschiebt sich also aus der Zeit des Erwerbslebens in die der Rente. Warum ist das so? Fragen und Antworten zur Besteuerung von Renten:
    Warum zahlen Rentner Steuern?

    Rentner haben schon immer Steuern gezahlt, allerdings viel weniger als Pensionäre. Während ehemalige Beamte und Richter fast ihr ganzes Alterseinkommen versteuern mussten (und müssen), galt das früher für Rentner nur für einen kleinen Teil ihrer Rente. Dahinter stand der Gedanke, dass Beamte ihre Pension nicht selbst finanzieren. Arbeitnehmer dagegen zahlten einen Teil ihres versteuerten Erwerbseinkommens in die Rentenkasse. Die Rente galt deshalb als eine Art Rückerstattung von bereits versteuerten Beiträgen. Das Bundesverfassungsgericht urteilte 2002, dass diese Art der Besteuerung nicht dem Gleichheitsgebot des Grundgesetzes entsprach und forderte eine Gesetzesänderung ab 2005.
    Was änderte sich 2005?

    Es gab einen Systemwechsel. Rentenbeiträge werden jetzt aus steuerfreiem Einkommen geleistet und die Rentenleistungen unterliegen der Besteuerung. Da ein vollständiger Wechsel ab 2005 zu Doppelbesteuerungen geführt hätte, gibt es eine lange Übergangszeit: Die Steuerbefreiung der Beiträge wird von Jahr zu Jahr erhöht, im Gegenzug steigt die Besteuerung der Altersrenten von Jahr zu Jahr.
    Wie stark steigt die Steuerbelastung für Rentner?

    Arbeitnehmer, die 2005 in Rente gingen, mussten nur 50 Prozent ihrer Rente versteuern. Seitdem steigt dieser Prozentsatz jedes Jahr um zwei Punkte: Wer 2006 in Rente ging, musste 52 Prozent versteuern. Neurentner des Jahres 2010 zahlten auf 60 Prozent ihrer Rente Einkommensteuer. Dieses Jahr müssen schon 78 Prozent der Rente versteuert werden. Ab 2020 steigt der Anteil nur noch um einen Prozentpunkt pro Jahr – bis 2040 dann 100 Prozent der Rente zu versteuern sind.
    Müssen Rentner wirklich immer mehr Steuern zahlen?

    Das hängt von der individuellen Situation ab. Es gibt Rentner, die mit kleiner Rente immer unterhalb des steuerlichen Grundfreibetrags bleiben – und daher im Ruhestand nie Einkommensteuer zahlen. Andere haben höhere Bezüge und rutschen in die Steuerpflicht. Haben sie zusätzliches Einkommen, müssen sie es ohnehin versteuern. Zusätzliche Ausgaben für Altersvorsorge können die Steuerlast dagegen mindern.

    Lothar Binding, Finanzexperte der SPD, verteidigt die Besteuerung von Renten. Personen mit derselben wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit müssten gleich besteuert werden – und zwar unabhängig davon, ob das Einkommen durch Gehalt oder eine Rente erzielt wird: „Es wäre einem Geringverdiener nicht vermittelbar, dass sein Gehalt besteuert und eine gleich hohe Rente unbelastet bliebe“, so Binding. „Die Behauptung der Linken, dass die Besteuerung der Altersrenten unzumutbar sei, lässt sich bei einer unvoreingenommenen Betrachtung nicht halten.“

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