Berlin. 2022 sinkt die laufende Verzinsung von Lebensversicherungen erstmals unter zwei Prozent. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Die niedrigen Zinsen schmälern die private Altersvorsorge auch in diesem Jahr. Erstmals liegt jetzt die durchschnittliche Überschussbeteiligung von privaten Lebens- und Rentenversicherungen für das laufende Jahr unter zwei Prozent, wie aus der alljährlichen Umfrage des "Hamburger Abendblatts" bei den 40 größten Lebensversicherern hervorgeht. Was heißt das für die Rente?

Damit müssen sich die Kunden erneut auf eine sinkende Verzinsung ihres Sparkapitals einstellen, das in einer klassischen Lebens- oder Rentenversicherung angespart wird. Welche Gesellschaften behaupten sich im Zinstief? Wer kürzt am stärksten? Welche Kunden profitieren von einer höheren Überschussbeteiligung? Weitersparen oder kündigen? Die wichtigsten Fragen und Antworten zu der noch immer am weitesten verbreiteten Altersvorsorge der Deutschen.

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Lebensversicherung: Welche Entwicklung gibt es 2022?

Im Durchschnitt beteiligen die Versicherungen ihre Kunden mit einer Überschussbeteiligung von 1,99 Prozent. Im Vorjahr waren es noch 2,06 Prozent. Diese laufende Verzinsung des Sparanteils der Versicherten wird jedes Jahr von den Assekuranzen in Abhängigkeit von ihrer Wirtschaftslage und ihren Anlageerfolgen neu festgelegt. Mit einem Rückgang von im Schnitt nur 0,07 Prozentpunkten fallen die Kürzungen etwas geringer als im Vorjahr aus (minus 0,17 Prozentpunkte).

Das liegt vor allem daran, dass 23 von 40 Anbietern ihre Verzinsung stabil gehalten haben – wie Marktführer Allianz, Axa, LV 1871 oder die Hamburger Versicherung Hanse Merkur. Im Vorjahr boten nur 13 Gesellschaften eine stabile Verzinsung. „Dank unserer finanziellen Stabilität und Stärke, dem großen globalen Know-how in der Kapitalanlage und unserem aktiven Risikomanagement halten wir unsere Überschussbeteiligung auf hohem Niveau“, sagt Axa-Vorstand Thilo Schumacher.

21 Lebensversicherer liegen in diesem Jahr mit ihrer Überschussbeteiligung noch über dem Durchschnittswert. Unter den zehn größten Anbietern des Marktes hat die Axa mit 2,60 Prozent die höchste Überschussbeteiligung, gefolgt von der Allianz mit 2,30 Prozent und der Nürnberger mit 2,25 Prozent.

Rente: Welche Versicherer bewähren sich in der Zinsflaute?

Viele Gesellschaften wie die Axa, Allianz oder Europa bemühen sich, ihre Überschussbeteiligung wenigstens für zwei Jahre stabil zu halten. Schwieriger ist es, den Kunden über drei oder mehr Jahre stabile Verzinsungen zu bieten. So hält die LV 1871 seit fünf Jahren ihre Überschussbeteiligung von 2,40 Prozent stabil. „Diese attraktive Überschussbeteiligung verdanken wir auch in Zeiten von Null- und Niedrigzins sowie Corona-Pandemie unserer auf Kontinuität und Langfristigkeit ausgerichteten Geschäftspolitik und Kapitalanlage“, teilt die Versicherung mit.

Seit sieben Jahren behauptet sich die Swiss Life mit einer Überschussbeteiligung von 2,25 Prozent. „Das zeigt, wie verantwortungsvoll wir unsere Überschusspolitik betreiben und gerade in Zeiten niedrigster Zinsen dazu beitragen, unsere Kundinnen und Kunden bei der Vorsorge für ein selbstbestimmtes Leben zu unterstützen“, sagt Daniel von Borries, Vorstand von Swiss Life Deutschland.

Die Hannoversche weist die 2,25 Prozent laufende Verzinsung ebenfalls konstant seit fünf Jahren aus, ebenso die Gothaer mit einem Wert von 1,80 Prozent. Seit drei Jahren stabile Überschussbeteiligungen haben Bayerische Beamten (2,50 Prozent), Nürnberger (2,25) und Württembergische (2,15).

Ganz anders dagegen agiert die R+V AG. Im vergangenen Jahr wurde die überdurchschnittliche Kürzung um 0,55 Prozentpunkte begründet als „eine weitsichtige strategische Entscheidung, die die Zinsentwicklung der kommenden Jahre vorwegnimmt“. Doch in diesem Jahr kürzte die Gesellschaft nach Angaben von policendirekt.de erneut um 0,20 Prozentpunkte und hat nur noch eine laufende Verzinsung von 1,50 Prozent.

Lebensversicherung: Wer bietet den Kunden am meisten?

Die höchste Überschussbeteiligung haben die kleinen Gesellschaften Ideal und Athora Leben mit drei Prozent. Ideal profitiert von einem hohen Anteil an Immobilien im Portfolio. Insgesamt liegt der Immobilienanteil bei 24 Prozent, während die Branche im Durchschnitt nur auf vier bis fünf Prozent kommt. Wesentliche Elemente des Ansatzes von Athora­ Leben sind die Fokussierung des Investments auf internationale und breit gestreute Unternehmenskredite.

Debeka und Signal Iduna kürzen am stärksten

Die höchsten Kürzungen unter den befragten Gesellschaften nehmen mit 0,35 Prozentpunkten die Debeka und die Signal Iduna aus Hamburg vor. Die Debeka erreicht nur noch eine Überschussbeteiligung von 0,90 Prozent, der niedrigste Wert unter den Umfrageteilnehmern.

Lebensversicherungen: Warum sinkt die Verzinsung?

Das Problem der Branche sind die hochverzinsten Altverträge, weil in der Zinsflaute die Versprechen der Vergangenheit erfüllt werden müssen. Staatsanleihen mit guter Bewertung, die als sicher gelten, werfen so gut wie nichts mehr ab. Die Versicherer sind stark von Anleihen abhängig, in denen im Schnitt 83 Prozent ihrer Kapitalanlagen stecken.

„Um die Garantien der Kunden auch in einem langfristigen Niedrigzinsumfeld zu sichern, wurde bereits 2011 die Zinszusatzreserve eingeführt“, sagt Lars Heermann von der Ratingagentur Assekurata. Das ist für die Versicherungen eine Art Kapitalpuffer, den sie mit eigenen Mitteln auffüllen müssen. Die Lebensversicherer haben bereits 87 Milliarden Euro in der Zinszusatzreserve zurückgelegt. Das Geld, um Altverträge mit hohem Garantiezins abzusichern, fehlt aber dann für die eigentliche Überschussbeteiligung der Kunden.

Besserung ist nicht in Sicht: Bis 2027 muss die Branche insgesamt den Kapitalpuffer mit 130 Milliarden Euro befüllen. Auch von der Zinspolitik der Europäischen Zen­tralbank (EZB) können die Versicherer kaum Unterstützung erwarten. „Die EZB schließt anders als die angelsächsischen Notenbanken höhere Leitzinsen 2022 aus“, sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank.

Rente: Für wen gelten die Tabellenwerte?

Die Überschussbeteiligungen gelten vor allem für Kunden, die eine Kapital­lebens- oder Rentenversicherung mit einem Garantiezins von 1,25 oder 0,90 Prozent abgeschlossen haben, also ab Januar 2015 (siehe Grafik). Die Werte gelten in der Regel auch für Kunden mit einem staatlich geförderten Riester-Vertrag – bei gleichem Garantiezins. Wenn eine Gesellschaft in der Tabelle nicht auftaucht, kann es daran liegen, dass sie keine Angaben gemacht hat.

Lebensversicherung: Erhalten manche Kunden höhere Zinsen?

Ja. Denn in jedem Fall erhalten Kunden ihren Garantiezins, dessen Höhe sich nach dem Jahr des Abschlusses richtet. Bis zu vier Prozent Verzinsung sind so möglich. „Der Garantiezins ist den Kunden zugesichert“, sagt Heermann. „Man kann davon ausgehen, dass mehr als die Hälfte der Kunden eine höhere Überschussbeteiligung bekommt.“

Soll ich meinen Lebensversicherungs-Vertrag kündigen?

„Verträge mit einem hohen Garantiezins sollten fortgeführt werden“, sagt Sandra Klug von der Verbraucherzentrale Hamburg. Zur relativ hohen Verzinsung kommt bei Verträgen, die vor 2005 abgeschlossen wurden, noch die Steuerfreiheit der Erträge. „Aber grundsätzlich kann es keine pauschale Empfehlung geben, weil man jeden Vertrag einzeln bewerten muss“, sagt Klug.

Man könne die Verträge auch optimieren, indem man von monatlicher auf jährliche Zahlweise umstellt oder Zusatzversicherungen kündigt, nicht aber unbedingt eine in­tegrierte Berufsunfähigkeitsversicherung. Das spart Kosten. Die laufende Beitragszahlung kann auch gestoppt werden, ohne den Vertrag zu kündigen. Von Neuabschlüssen rät Klug allerdings ab. „Für die Altersvorsorge sind die Verträge zu unflexibel, und die Abschluss- und Vertriebskosten sind zu hoch.“