Washington. Machtwechsel im Repräsentantenhaus und herber Rückschlag für Joe Biden. Die Republikaner haben sich eine knappe Mehrheit gesichert.

Herber Rückschlag mit Zeitverzögerung für US-Präsident Joe Biden und seine Demokraten. Acht Tage nach den „midterms” hat die Stimmenauszählung ergeben, dass die oppositionellen Republikaner mindestens 218 Mandate und damit die Mehrheit im 435-köpfigen Repräsentantenhaus erobert haben.

Das meldeten am Mittwochabend die dafür tonangebenden Institute wie „Edison Research” und die Nachrichten-Agentur „ap”.

Dass die Demokraten in der ersten Kammer des US-Kongresses, wo unter anderem alle wichtigen Budget-Fragen geregelt werden, die Gestaltungsfreiheit verlieren würden, hatte sich seit Tagen abgezeichnet.

Allerdings fällt der Stimmenzuwachs für die Konservativen entschieden geringer aus als zunächst. Es wurde mit einer „roten Welle” gerechnet.

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Nach vorläufigem Stand werden die Republikaner auf 221 Sitze, die Demokraten auf 214 Mandate kommen.

Weil die Partei von Präsident Biden durch Siege in Schlüssel-Bundesstaaten wie Pennsylvania und Nevada ihre knappe Mehrheit im Senat verteidigen konnte, kommt es nach der Vereidigung des neuen Kongresses am 3. Januar nächsten Jahres zu dem, was die Amerikaner „divided government” nennen: geteilte Macht beim Regieren.

Repräsentantenhaus: Biden geht auf Republikaner zu

Das Repräsentantenhaus wird alle zwei Jahre neu gewählt.
Das Repräsentantenhaus wird alle zwei Jahre neu gewählt. © Patrick Semansky/AP/dpa

Durch den Wachwechsel im Repräsentantenhaus bekommen die Republikaner für die Restlaufzeit von Bidens Präsidentschaft bis Anfang 2025 ein veritables Blockade-Instrument in die Hand.

Sie können analog zu bereits gemachten Ankündigungen die Regierung zu milliardenschweren Ausgaben-Kürzungen zwingen; etwa im großen Klimaschutz-Paket, mit dem Biden die USA auf den Weg der CO2-Emmissionsfreiheit bringen will.

Biden ging noch am Abend in einer Stellungnahme auf den politischen Gegner zu: „Das amerikanische Volk will, dass wir die Dinge angehen. Ich werde mit jedem zusammenarbeiten, ob Republikaner oder Demokrat, der bereit ist, mit mir zusammenzuarbeiten, um Ergebnisse für die Amerikaner zu erzielen.”

Viel Spielraum für Kompromisse zeichnet sich vor allem angesichts der knappen Mehrheit der „Grand Old Party” aber nicht ab. Der mögliche Nachfolger von „House”-Sprecherin Nancy Pelosi, Kevin McCarthy (Kalifornien), wird alle Hände voll damit zu tun haben, den erstarkten rechten, Trump-nahen Fraktionsflügel zu befrieden.

Dort hatte die Schlüssel-Abgeordnete Marjorie Taylor-Greene (Georgia) als erste Amtshandlung einer neuen republikanischen Mehrheit die Einleitung eines (angesichts der Kräfteverhältnisse im zustimmungspflichtigen Senat) zum Scheitern verurteilten Amtsenthebungsverfahrens gegen Biden angekündigt. Begründung: Betrug bei der Wahl 2020.

„Speaker”: Wer wird Nr. 3 im amerikanischen Staatsgefüge

Für den moderaten Teil der Fraktion ist der Gedanke daran ein Grund zum Augenrollen. „Sämtliche Gerichte haben den von Trump erhobenen Vorwurf zurückgewiesen. Welchen Nutzen haben unsere Wähler davon, wenn wir das leidige Thema jetzt erneut hochziehen?”, heißt es dort.

Taylor-Greene und zwei Dutzend weiteren Radikalen auf dem rechten Flügel wird zugetraut, die eigene Fraktions-Spitze hinsichtlich ihres Abstimmungsverhaltens bei anderen Themen zu erpressen, sollten sie im Fall „impeachment/Biden” nicht zum Zug kommen.

Kevin McCarthy geht dabei auf dünnem Eis. Um „Speaker” zu werden, was gleichbedeutend ist mit der Nr. 3 im amerikanischen Staatsgefüge nach Präsident und Vize-Präsidentin, benötigt er am 3. Januar mindestens 218 Stimmen.

Bei einer Probeabstimmung in den eigenen Reihen entfielen in dieser Woche nur 188 Voten auf den Kalifornier. 31 Abgeordnete aus dem Spektrum um Taylor-Greene stimmten für den Trump-nahen Rechtspopulisten Andy Biggs; ein Warnschuss.

Personalie Hunter Biden birgt Sprengstoff

Joe Biden (l.), damals Vizepräsident der USA, und sein Sohn Hunter sehen sich im Januar 2010 ein Basketballspiel an.
Joe Biden (l.), damals Vizepräsident der USA, und sein Sohn Hunter sehen sich im Januar 2010 ein Basketballspiel an. © dpa

Auch wollen die Republikaner die Einwanderungspolitik der Regierung, die zuletzt binnen eines Jahres mit rund 2,3 Millionen Flüchtlingen an der Grenze zu Mexiko zu kämpfen hatte, und den opferreichen Abzug der US-Truppen aus Afghanistan im Sommer 2021 in Quasi-Untersuchungsausschüssen unter die Lupe nehmen.

Ebenso das Geschäftsgebaren von Präsidenten-Sohn Hunter Biden.

Diese Personalie birgt besonderen Sprengstoff. Der 52-Jährige führte lange Zeit ein Achterbahn-Leben mit Alkohol, Drogen und Entzug. Er wird von etlichen Republikanern, darunter Donald Trump, korrupter wirtschaftlicher Aktivitäten in der Ukraine und in China bezichtigt, von denen auch Joe Biden persönlich profitiert haben soll. Belege dafür gibt es bisher nicht.

Biden Junior war 2014 Mitglied des Verwaltungsrats des ukrainischen Gasunternehmens Burisma. Joe Biden war zur gleichen Zeit als US-Vizepräsident unter Barack Obama für das Ukraine-Dossier zuständig. Obwohl selbst eine von den Republikanern veranlasste Prüfung keine Hinweise darauf ergab, dass Biden sein Amt missbraucht haben könnte, um dem Sohn die Taschen zu füllen, wollen die Konservativen ihre neue Ausschuss-Hoheit im Repräsentantenhaus für eine medienwirksame Rekapitulation der Vorwürfe nutzen.

Ziel der Republikaner ist es erklärtermaßen, Biden im Anlauf zur Wahl 2024 (wo er erneut auf Donald Trump treffen könnte, der just seine Kandidatur offiziell angemeldet hat) so zu beschädigen, dass der dann 82-Jährige von den Wählern vor allem als „politischer Totalschaden” wahrgenommen wird.

Konzeptionell will die „Grand Old Party” neben dem Anspruch, die finanziell angespannten sozialen Sicherungssysteme schlank zu sparen und landesweit ein Abtreibungsverbot vorzubereiten, die unter Joe Biden forcierten Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels ausbremsen und fossilen Energieträgern neue Bedeutung einräumen. Außerdem: Das Mindestalter für den Bezug staatlicher Altersrenten soll ab dem Jahr 2040 auf 70 angehoben und das Tragen von Waffen im öffentlichen Raum (noch) weiter erleichtert werden.

Weil im Senat für viele dieser Vorhaben keine Mehrheit absehbar ist, wird es oft bei Symbol-Politik bleiben. Wem der daraus resultierende Stillstand bei der Gesetzgebung bei der Wahl in zwei Jahren mehr schaden wird, ist offen.

Dieser Artikel ist zuerst bei morgenpost.de erschienen.