Berlin. Brunnenbau, Hilfe für Waisenkinder - vordergründig ist an den Aktivitäten von Ansaar International nichts auszusetzen. Dem Verein geht es aber wohl um salafistische Missionierung und Terror-Unterstützung.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat den salafistischen Verein Ansaar International und alle Ableger der islamistischen Vereinigung in Deutschland verboten.

Wie sein Ministerium mitteilte, wurde das Verbot am Mittwochmorgen mit Durchsuchungen und Beschlagnahmungen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hessen vollzogen. Betroffen waren nach Informationen aus Sicherheitskreisen Dutzende Menschen und rund 70 Objekte.

Der Schwerpunkt der Maßnahmen lag in NRW. In den zehn Ländern seien insgesamt mehr als 1000 Beamte im Einsatz gewesen, hieß es aus dem Bundesinnenministerium. Bislang seien etwa 150.000 Euro Bargeld sowie rund 800.000 Euro auf 23 Konten beschlagnahmt worden. Festnahmen gab es nach ersten Erkenntnissen nicht.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte, es handele sich um ein salafistisches Netzwerk mit mehr als 300 Unterstützern. Man werde auch etwaige Nachfolgeorganisationen im Blick haben.

Zur Begründung des Verbots erklärte das Bundesinnenministerium, die Spendensammlungen von Ansaar seien in der Absicht erfolgt, diese an terroristische Vereinigungen im Ausland weiterzugeben, insbesondere an die dem Terrornetzwerk Al-Kaida nahe stehende Al-Nusra-Front in Syrien, die 2017 in der Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) aufgegangen war, an die palästinensische Hamas sowie an Al-Shabaab in Somalia.

Die Unterstützung komme diesen Vereinigungen teilweise direkt zugute. Teilweise würden Hilfsprojekte unterstützt, "die jedoch unmittelbar zum Wirkungskreis der jeweiligen terroristischen Vereinigung zu zählen sind".

Das Ministerium ist der Ansicht, dass die Missionierungsaktivitäten der Gruppe gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstoßen. Hier würden "fortlaufend Feinde einer Weltordnung geschaffen, welche die Menschenwürde Andersgläubiger schützt". Kinder aus Deutschland würden in die von Ansaar im Ausland aufgebauten Einrichtungen geschickt, um "salafistisch-extremistische Inhalte zu verinnerlichen und zurück nach Deutschland zu tragen". Personelle Überschneidungen gibt es dem Vernehmen nach zwischen dem Ansaar-Vereinsgeflecht und dem durch Koran-Verteilaktionen bekannt gewordenen Verein Die Wahre Religion/Lies!, der 2016 verboten worden war.

Zu den Unterstützern sollen auch mehrere sogenannte Gefährder gehören. Das sind Menschen, denen die Polizei Terroranschläge und andere schwere politisch motivierte Straftaten zutraut.

Ansaar International teilte mit, dass der Gründer und Leiter der Organisation, Joel Abdurahman Kayser, Mitte April einen Brief an Seehofer geschrieben habe. Darin hatte er erklärt: "Wir bei Ansaar lieben und leben die Idee der Völkerverständigung". Das Innenministerium überzeugte das Schreiben offensichtlich nicht.

"Wer den Terror bekämpfen will, muss seine Geldquellen austrocknen", sagte Seehofer. "Wer angeblich Spenden für einen guten Zweck sammelt, dann aber Terroristen finanziert, kann sich nicht hinter unserem Vereinsrecht verstecken." Ausgangspunkt für das Verbot war eine Großrazzia bei dem Netzwerk im April 2019, bei der umfangreiches Material beschlagnahmt worden war.

Ansaar International hat seinen Hauptsitz in Düsseldorf, die Teilorganisation WWR-Help im nordrhein-westfälischen Neuss. Etwa die Hälfte der 90 Menschen und Objekte, die damals betroffen waren, befanden sich in NRW.

Zu dem Geflecht von Vereinigungen, die nun verboten wurden, gehören den Angaben zufolge auch die nach dem deutsch-tunesischen Fußballspieler benannte Änis Ben-Hatira Foundation, zudem das Somalische Komitee Information und Beratung in Darmstadt und Umgebung e.V., der Verein Frauenrechte ANS.Justice, "Ummashop" und Helpstore Secondhand UG sowie Better World Appeal. Durch die unwahre Angabe, die Gelder würden ausschließlich humanitären Zwecken zugute kommen, seien Spender betrogen worden, stellte das Innenministerium fest.

Im April diesen Jahres waren in Zusammenhang mit dem Verbotsverfahren wegen des Verdachts der Terrorfinanzierung in Nordrhein-Westfalen und Bayern Wohnungen durchsucht worden. Der Verdacht richte sich gegen drei Beschuldigte im Alter von 32 bis 40 Jahren, teilte die Düsseldorfer Generalstaatsanwaltschaft damals auf Anfrage mit. Man ermittle auch wegen des Verdachts des Betrugs und der Untreue. Bei einem Beschuldigten handele es sich um einen Düsseldorfer Rechtsanwalt.

Seit seinem Amtsantritt 2018 hat Seehofer bereits acht Verbote ausgesprochen. Die früheren Entscheidungen richteten sich gegen die türkisch-nationalistische Straßengang "Osmanen Germania BC", zwei kurdische Vereinigungen, die als Teilorganisationen der in Deutschland verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gelten, die im Libanon verwurzelte Hisbollah, eine Reichsbürger-Vereinigung sowie drei rechtsextremistische Gruppierungen.

"Die Taten vor einem halben Jahr in Dresden und Wien mahnen uns: Der islamistische Terror ist und bleibt eine der größten Gefahren für die innere Sicherheit in Deutschland und Europa", sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg. AfD-Fraktionsvize Beatrix von Storch forderte, Seehofer müsse auch die Muslimbruderschaft verbieten.

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