Washington. Ex-Sonderermittler Robert Mueller beantwortet am Mittwoch zum ersten und letzten Mal öffentlich Fragen. Wird er Trump gefährlich?

Wenn Robert Mueller bei Privat-Partys seinen Gästen signalisieren möchte, dass er allmählich ins Bett will, macht er in seinem Haus in Washington das Licht kurz an und aus. Kurz darauf gehen in der Regel die Ersten. Man darf getrost davon ausgehen, dass der ehemalige Chef der Bundespolizei FBI an diesem Mittwoch mehrfach in Gedanken den Finger an den Schalter legen wird. Aber alle werden bleiben.

Auf den Ex-Sonderermittler in der Russland-Affäre um Donald Trump warten ab 8.30 Uhr fünf zähe Stunden Vernehmung in zwei Ausschüssen des Repräsentantenhaus, die live im Fernsehen übertragen werden. Eine Premiere. Und ein historischer Moment, der Trump in Nöte bringen kann.

Robert Mueller wollte sich eigentlich nicht öffentlich äußern

Der chronisch allergisch auf Öffentlichkeit und Medien reagierende Mueller hätte beides gerne vermieden. „Keine mündliche Aussage würde über unseren Report hinausgehen”, sagte Mueller nach 22-monatigen Ermittlungen schon bei der Vorstellung des 448 Seiten langen Abschlussberichts Ende Mai. Am Ende beugte sich der für penible Erfüllung der Gesetze bekannte Asket den parlamentarischen Daumenschrauben der Demokraten.

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Sie wollen aus der Befragung, die wie ein Live-Hörbuch zum bereits auf den Bestseller-Listen rangierenden Mueller-Report wirken wird, in den für Justiz und Geheimdienste zuständigen Gremien nach Möglichkeit Honig für ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten saugen. Was aber, wenn Mueller, die personifizierte Äquidistanz zu den politischen Stammeskriegern in Washington, ihnen Saures gibt?

Wollte Mueller dem Kongress eine Steilvorlage geben?

„Bob Mueller ist Amerikas geradester Pfeil“, schreibt sein Biograf Garrett Graf, „es steckt wirklich kein Hauch von Parteilichkeit in ihm.“ Was unter den brisanten Umständen neu zu beweisen wäre.

Mueller hatte bei zwei zentralen Verdachtsmomenten gegen den Präsidenten – Konspiration von Team Trump vor der Wahl 2016 mit Russland plus Behinderung der US-Justiz bei dem Versuch, genau das aufzuklären – zwar keine strafrechtlich verwertbaren Beweise gefunden. Aber einiges sperrangelweit offen gelassen. Und damit die Vermutung genährt, er wolle dem Kongress eine Steilvorlage geben, um Trump parlamentarisch von den Füßen zu holen. Stichwort: Impeachment.

„Wenn wir uns sicher gewesen wären, dass der Präsident bestimmt keine Straftat begangen hat, dann hätten wir das gesagt“, sagt Mueller. Ein Freispruch dritter Klasse für Trump. Erklärbar vor allem durch die eherne Praxis des Justizministeriums: Ein amtierender Präsident wird nicht angeklagt.

Anklageschrift gegen Trump angeblich schon in der Schublade

Die Demokraten werden also nun in zig Varianten nachbohren, ob Mueller bei gleicher Indizienlage einen gewöhnlichen US-Bürger angeklagt hätte. Und ob er es aus Gründen der Staatshygenie für nötig erachtet, dass dies nach Trumps Amtszeit nachgeholt wird.

In seinem neuen Trump-Buch berichtet der Enthüllungs-Autor Michael Wolff, dass Muellers Top-Fahnder den Entwurf einer Anklageschrift gegen den Präsidenten bereits in der Schublade gehabt haben sollen. Als Fingerübung.

Republikaner werden Mueller so oder so diskreditieren wollen

Je nach Tonlage und Körpersprache Muellers könnte sich für die Demokraten in der Anhörung durch die Macht der bewegten Bilder Munition gegen Trump ergeben. Oder – falls Mueller alles Hypothetische von sich weist, wortreich schweigt oder die Fragesteller genervt abbügelt – das Gegenteil.

Den Republikanern ist das egal. Sie werden so oder so Muellers Untersuchung als perfide Attacke des „tiefen Staates“ (deep state) gegen den Anti-Establishment-Präsidenten Trump brandmarken. Dabei hat sie der damalige Vize-Justizminister der Regierung Trump, Rod Rosenstein, persönlich losgetreten.

Mueller geizte stets mit Äußerungen über Privatleben

Der Auftritt wider Willen im Kongress wird Muellers Abschiedsveranstaltung auf der großen Bühne, die ihm immer zuwider war. Niemand seines Ranges ging über Jahrzehnte so geizig mit Privatem um, wie der 1944 in New York City geborene Doktor der Rechtswissenschaften, der einst mit dem späteren Außenminister John Kerry ein Elite-Internat in New Hampshire besuchte.

Mueller führte im Vietnam-Krieg ein Platoon der Marine-Infanterie und erhielt für couragiertes Handeln den „Bronze Star“ und das „Purple Heart“. Später war er zwölf Jahre in San Francisco und Boston als Staatsanwalt tätig. Jobs in privaten Kanzleien folgten Aufgaben im Justizminister und schließlich als Bundesanwalt in Nordkalifornien.

Mueller wurde kurz vor 11. September FBI-Direktor

Eine Woche vor den Terror-Anschlägen vom 11. September 2001 machte Präsident George W. Bush ihn mit einstimmigem Votum des Senats zum FBI-Direktor. Bis 2013 blieb er, obwohl zeitlebens Republikaner, unter dem demokratischen Präsidenten Obama an der Spitze der Bundespolizei.

Sein Nachfolger, der von Trump geschasste James Comey, lobte Mueller als Inbegriff von „Aufrichtigkeit, Hingabe, Integrität, Erfahrung, Urteilsvermögen und Pflichtgefühl“. Es finden sich sehr wenige in Washington, die hier widersprechen.

Mueller: „Man ist nur so gut wie das eigene Wort“

Über den Privatmenschen Mueller weiß man vor allem dies: Er ist seit über einem halben Jahrhundert mit seiner College-Liebe Ann verheiratet, hat in Melissa und Cynthia zwei erwachsene Töchter, fährt einen Subaru Forester, spielt Golf, geht sonntags in die episkopalische Kirche am Weißen Haus und hat im „Salt & Pepper“ ein unspektakuläres Stamm-Restaurant gefunden.

Dort isst der Prototyp des schweigsamen Staatsdieners einmal in der Woche und überlässt anderen das Reden. Nun muss Mueller dagegen beherzigen, was er 2013 in einer wirkungsmächtigen Rede vor Studenten in Virginia als Parole ausgab: „Man ist nur so gut wie das eigene Wort.“