Berlin. Heiko Maas ist im ersten Wahlgang bei der Wahl des SPD-Vorstands gescheitert. Auch Michael Müller scheiterte.

Wer ein Nettovermögen von zwei Millionen Euro oder mehr hat, soll darauf eine Sondersteuer zahlen. Zum Abschluss des SPD-Parteitages forderten die Delegierten eine Wiedereinführung der Vermögensteuer. Der Steuersatz soll ein Prozent betragen, für „Superreiche“ mehr: 1,5 und zwei Prozent. Dabei sollen Freibeträge von zwei Millionen für Alleinstehende und vier Millionen Euro für Verheiratete sicherstellen, dass die Belastung auf „besonders reiche Teile der Bevölkerung konzentriert“ werde.

SPD-Steuerexperte Lothar Binding sagte, für ein verheiratetes Paar mit einem Nettovermögen von 4,2 Millionen betrüge die Vermögensteuer 2000 Euro im Jahr oder 166 im Monat. Die Union lehnt eine Vermögensteuer ab. Nicht die einzige Konfliktlinie der großen Koalition, die auf dem Berliner Parteitag deutlich wurde.

SPD-Parteitag: Beim Klimaschutz will die SPD „nachsteuern“

Konfliktlinie Klimaschutz: Zwar hält auch Umweltministerin Svenja Schulze an der Koalition mit der Union fest, und doch verhehlte sie nicht, dass es Inhalte gebe, „die mit der Union nicht gehen“. Jetzt komme es darauf an, die sozialdemokratischen Schwerpunkte in der Regierungspolitik noch deutlicher zu machen, etwa in der Klimapolitik, sagte sie „Phoenix“.

Dies gelte etwa auch beim CO2-Preis. „Es muss sozial gerecht laufen, sonst werden viele nicht mitgehen. Es kann nicht einfach so sein, dass nur die Preise teurer werden.“ Mit dem CO2-Preis wolle man das Verhalten von Menschen verändern. „Dann aber muss es Alternativen geben, und die müssen jetzt schnell aufgebaut werden“, so Schulze.

SPD-Parteitag - Mit alter Rose in die neue Zeit

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    Man werde sich in der Bundesregierung die bislang vorgesehenen Ausgleichsmechanismen wie die erhöhte Pendlerpauschale und die Verbilligung von Bahn-Tickets in ihrer Wirkung genau anschauen. „Wenn das nicht reicht, muss nachgesteuert werden“, meinte die Bundesumweltministerin.

    SPD-Generalsekretär: Altmaier bei der Digitalisierung im „Tiefschlaf“

    Beispiel Digitalisierung: SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil kritisierte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Dieser befinde sich im Tiefschlaf, wenn es um die Digitalisierung in Deutschland gehe. „Wir müssen die Machtfrage im digitalen Kapitalismus stellen“, sagte Klingbeil. Es gehe um eine Demokratisierung beim Zugang zu Daten.

    In dem am Sonntag beschlossenen Antrag spricht sich die SPD unter anderem für eine „Datenteilungspflicht für marktbeherrschende Unternehmen auf datengetriebenen Märkten“ aus. Hier sei die Gefahr der Monopolbildung am größten. „In datengetriebenen Märkten werden die marktbeherrschenden Unternehmen daher verpflichtet, ihre Sachdaten sowie ihre anonymisierten Daten über Nutzerpräferenzen (beispielsweise Such-Historien) mit anderen Firmen zu teilen, die in der betreffenden Branche tätig sind oder Produkte für die betreffende Branche entwickeln.“

    SPD will den Fuß von der Schuldenbremse nehmen

    Beispiel Finanzpolitik: Die SPD will für mehr Investitionen die Deckelung der Neuverschuldung lockern. „Deshalb wollen wir die Schuldenbremse in der derzeitigen Form perspektivisch überwinden und mehr Investitionen ermöglichen“, beschloss der Bundesparteitag am Sonntag. Damit setzte sich die Linie des neuen Parteichefs Norbert Walter-Borjans durch. Dies könnte die geplanten Gespräche mit der Union belasten, jedes Rütteln an der Schuldenbegrenzung ablehnt. Für Investitionen in die Zukunft etwa in Schulen und Straßen seien „Kredite die völlig angemessene Größe“, sagte Walter-Borjans.

    SPD-Parteitag bestätigt Esken und Walter-Borjans als neues Spitzenduo

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      „Deswegen sollten wir in den Antrag schreiben, dass wir die Schuldenbremse überwinden müssen.“ Der neue Kurs ist allerdings nicht unumstritten: Die Antragskommission hatte Ablehnung empfohlen. Die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesfinanzminister, Bettina Hagedorn (SPD), sagte, „Schulden zu machen ist für mich nicht links“, sagte Hagedorn. Der Bund profitiere vom Niedrigzinsniveau durch geringere Zinslasten. „Jeder weiß, das wird nicht ewig so sein.“ Die Investitionen lägen auch ohne neue Schulden mit über 40 Milliarden Euro pro Jahr auf einem Rekordniveau.

      Nachdem der Parteikonvent am Freitag eine neue Parteispitze gewählt und am Samstag grundlegende Entscheidungen hat - unter anderem zu Hartz IV, dem Bürgergeld und der Miete –, geht es am Sonntag noch um die Bildungs- und Friedenspolitik. Mit den Einnahmen aus der Vermögensteuer will die SPD die Modernisierung von Schulen und Kitas finanzieren. In der Außen- und Friedenspolitik geht es unter anderem darum, ob sich Deutschland sicherheitspolitisch stärker engagieren muss als bisher, „um sich nicht zunehmend dem wechselnden Verhältnis der Großmächte auszuliefern“.

      SPD-Parteitag: Hartz IV soll in Bürgergeld umbenannt werden

      Bereits am Samstag hatte die SPD hat einige wichtige Weichen gestellt. Sie will eine grundlegende Reform des Sozialstaats in Deutschland erreichen. Das beschloss der Bundesparteitag einmütig. Arbeitslose sollen länger Arbeitslosengeld I beziehen können. Danach soll es kein Hartz IV mehr, sondern ein Bürgergeld geben. Dabei sollen vor allem die möglichen Sanktionen bei Pflichtverletzungen deutlich entschärft werden.

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      In einem ersten Schritt soll ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November umgesetzt werden, nach dem die Jobcenter die monatlichen Leistungen nicht stärker als um 30 Prozent kürzen dürfen. Das sozioökonomische und soziokulturelle Existenzminium soll laut SPD-Beschluss gewahrt bleiben. Strengeren Sanktionen für unter 25-Jährige und Kürzungen von Wohnkosten sollen abgeschafft werden.

      Rechtsanspruch auf Weiterbildung

      Arbeitnehmer sollen einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung erhalten. Mit der Forderung nach einem Arbeitslosengeld Q greift die SPD eine Idee aus dem Jahr 2017 wieder auf: Bei einer Weiterbildungsmaßnahme kann Arbeitslosengeld, und zwar maximal 36 Monaten lang. Heute besteht insgesamt ein Anspruch auf 24 Monate Arbeitslosengeld ab einem Alter von 58.

      Zudem soll laut SPD künftig ein Recht auf mobiles Arbeiten und Homeoffice gesetzlich verankert werden. Der Mindestlohn soll perspektivisch auf 12 Euro angehoben werden. Ferner soll es eine eigenständige Kindergrundsicherung geben, eine Bürgerversicherung in der Pflege und ein stabiles Rentenniveau.

      SPD will Mieten in beliebten Städten quasi einfrieren

      Die SPD will die Mieten in beliebten Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt für fünf Jahre so gut wie einfrieren. Erhöhungen sollen maximal in Höhe der Inflationsrate möglich sein, beschloss der Parteitag am Samstag in Berlin. „Die Mieter brauchen diese Pause“, betonte Bayerns SPD-Vorsitzende Natascha Kohnen. Wohnen sei die soziale Frage des Jahrzehnts. Die SPD will erreichen, dass niemand mehr als 30 Prozent des Nettohaushaltseinkommens für die Miete aufwenden muss.

      Allerdings: Ein solcher Mietendeckel wäre wohl verfassungswidrig. Zu diesem Schluss kommt der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, in einem Gutachten. Sowohl formell als auch materiell würde ein solches Einfrieren gegen das Grundgesetz verstoßen. Das zweite Gutachten gibt es hier im Wortlaut (Bezahlinhalt).

      Die Sozialdemokraten nehmen sich einige Erleichterungen für Mieter vor. So sollen Vermieter, die sich nicht an die Mietpreisbremse halten, künftig sanktioniert werden. Wenn Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt werden, sollen die Mieter überall mindestens zehn Jahre Kündigungsschutz haben. Überprüfen will die SPD, ob die Grundsteuer weiter auf Mieter umgelegt werden soll.

      Die Sozialdemokraten wollen außerdem ein Zehn-Jahres-Programm zum Bau von bezahlbaren Wohnungen und Sozialwohnungen. Mindestens 1,5 Millionen neue Wohnungen sollen so gefördert werden. Damit die Kommunen den Wohnungsbau besser steuern können, soll sie Vorkaufsrechte bekommen und kommunale Grundstücke sollen nicht mehr verkauft, sondern gegen Erbbauzinsen vergeben werden.

      Windkraft: SPD warnt vor zu hohen Mindestabständen

      Die SPD warnte außerdem vor einem Scheitern des geplanten starken Ausbaus erneuerbarer Energien durch zu hohe Mindestabstände von Windrädern zu Kommunen. Pauschale überzogene Mindestabstände seien „nicht geeignet“, nötige Flächen für die Windenergie zur Verfügung zu stellen, heißt es in einem Beschluss, den der Parteitag mit großer Mehrheit fasste.

      Hintergrund ist ein Entwurf für ein Kohleausstiegsgesetz des Wirtschaftsministeriums. Demnach soll ein Mindestabstand von 1000 Metern von Windrädern zur Wohnbebauung schon bei mehr als fünf Häusern greifen.

      Bei Vorstandswahl scheitert Heiko Maas im ersten Wahlgang

      Bei den Vorstandswahlen fielen der bisherige Parteivize Ralf Stegner und Berlins Bürgermeister Michael Müller im ersten Wahlgang durch und traten dann nicht mehr an. Außenminister Heiko Maas scheiterte im ersten Wahlgang, wurde aber im zweiten Wahlgang klar gewählt. Auch Familienministerin Franziska Giffey, Umweltministerin Svenja Schulze und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke wurden gewählt. Nicht in das Gremium schaffte es Außen-Staatsminister Niels Annen.

      Heiko Maas (SPD).
      Heiko Maas (SPD). © dpa | Bernd von Jutrczenka

      Nachbesserungen am bisherigen Koalitionskurs will die SPD zur Voraussetzung für einen Verbleib in der Koalition machen - so ihr Beschluss vom Freitag. Die neue SPD-Chefin Saskia Esken rechnet nun mit raschen ersten Gesprächen mit der Union. „Wir haben Gesprächsbereitschaft signalisiert bekommen“, sagte sie am Rande des Konvents. Der neue SPD-Vize und Juso-Bundeschef Kevin Kühnert forderte einen klar definierten Anfang und ein Ende der Gespräche.

      Walter-Borjans sagte: „Wir werden natürlich möglicherweise auch vor die Bevölkerung treten müssen und sagen müssen: Wer hat denn mehr vor - das ist mit diesem Koalitionspartner nicht zu machen.“

      CDU-Chef Annegret Kramp-Karrenbauer äußerte sich ablehnend zu dem von der SPD geforderten Investitionsprogramm. Es mache keinen Sinn, „weitere Milliarden über Schulden aufzunehmen“, sagte sie der „Bild am Sonntag“. Und beim Klimapaket könne man nicht wieder bei Null anzufangen. Der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz sagte auf einem CDU-Treffen in Magdeburg, die SPD sei im Grunde „in der letzten suizidalen Phase ihrer Existenz als Volkspartei“. Im Interview mit unserer Redaktion zeigt auch CDU-Vize und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner klare Kante gegen mögliche Nachverhandlungen.

      Christian Lindner stellt Sinn der großen Koalition in Frage

      FDP-Chef Christian Lindner hat der SPD einen ‚historischen Linksruck‘ attestiert und den Sinn der großen Koalition infrage gestellt. „Ich warne die Union davor, sich aus Angst vor Neuwahlen zu sozialistischen Experimenten hinreißen zu lassen“, sagte Lindner unserer Redaktion. „Im Zweifel wäre ein Ende der GroKo besser als eine Regierung, die nur die Angst vor dem Machtverlust zusammenhält.“

      „Faktisch haben die Jusos die Macht über die Partei übernommen.“ Das Schicksal Deutschlands dürfe aber nicht an Juso-Chef Kevin Kühnert hängen.

      Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sieht Finanzminister Olaf Scholz derweil weiter als möglichen Kanzlerkandidaten. Scholz verfüge über eine große Anerkennung in der gesamten Gesellschaft, sagte Weil den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

      Im RTL/n-tv-„Trendbarometer“ sank die SPD nach der Stichwahl für Esken und Walter-Borjans gegenüber der Vorwoche um drei Punkte auf 11 Prozent. (dpa/rtr/epd)