Berlin. Die Türkei greift mutmaßliche Stellungen der Kurdenmiliz YPG in Syrien mit Bomben an. Die USA warnt Ankara. Jetzt meldet sich Russland.
Am Mittwoch telefonierte der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar mit seinem US-amerikanischen Kollegen Lloyd James Austin. Minister Austin habe zu einer Deeskalation aufgerufen und „entschiedene Ablehnung“ gegenüber einer neuen türkischen Militäroperation in Syrien geäußert, heißt es in einer Mitteilung des Pentagon.
Die kurdischen YPG-Milizen sind ein wichtiger Verbündeter der USA im Kampf gegen den so genannten Islamischen Staat, dessen Zellen in Syrien immer noch aktiv sind. Dagegen sieht die Türkei in der YPG einen syrischen Ableger der kurdischen PKK – und betrachtet sie wie diese als Terrororganisation. Ankara macht beide Gruppen für den Mitte November verübten Anschlag in Istanbul verantwortlich, bei dem sechs Menschen getötet wurden. PKK und YPG bestreiten jede Beteiligung.
Wenige Tage nach dem Attentat hatte die Türkei mit Luftangriffen auf kurdischen Stellungen im Nordirak und Nordsyrien begonnen. Zugleich kündigte Erdogan einen Vorstoß mit Bodentruppen an. Er will eine etwa 30 Kilometer breite „Sicherheitszone“ auf der syrischen Seite der Grenze schaffen, um die kurdischen Milizen aus dieser Region zu vertreiben.
Türkei brauch für eine Invasion die Duldung Moskaus
Die Türkei hat seit 2016 bereits drei Bodenoffensiven in Nordsyrien durchgeführt und hält Teile der Grenzregion besetzt. Die YPG kontrolliert aber weiterhin wichtige Gebiete an der Grenze zur Türkei, vor allem die Gegenden um die Städte Kobane, Manbidsch und Tell Rifaat. Russland, der wichtigste politische und militärische Verbündete des syrischen Machthabers Baschar al-Assad, kontrolliert den Luftraum über weiten Teilen Syriens. Die Türkei braucht deshalb für eine Invasion zumindest die Duldung Moskaus.
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Hinter den Kulissen bemüht sich Russland nun um einen Kompromiss, berichten Diplomaten, die in die Gespräche eingeweiht sind. Der Plan sieht vor, dass Russland die kurdischen Milizen zum Rückzug aus Tell Rifaat bewegen soll. Im Gegenzug könnte die syrische Regierung die Kontrolle über die Region übernehmen. Das würde eine Stärkung des syrischen Regimes bedeuten und zugleich den Sicherheitsinteressen der Türkei dienen. Lesen Sie auch: Innenministerin Faeser in Ankara – Eskalation verhindern
Erdogan: Treffen mit Syriens Machthaber Assad "möglich"
Wenn Ankara sich jetzt mit Russland einigt, wäre das eine Kehrtwende in Erdogans Syrienpolitik. Seit über zehn Jahren unterstützt die Türkei die syrische Opposition im Kampf gegen das Assad-Regime. Nun erklärt Erdogan, ein Treffen mit Assad sei möglich. In der Politik gebe es „keinen Groll“.
Ganz freiwillig kommt die neue Milde aber wohl nicht. In den vergangenen Monaten hat Erdogan bereits eine Annäherung an Saudi-Arabien und die Emirate eingeleitet. Während diese Öffnung vor allem von der Suche nach dringend benötigten Devisen diktiert ist, muss Erdogan in der Syrienpolitik auf die Interessen Russlands als wichtigstem Energie-Lieferanten der Türkei Rücksicht nehmen.
Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.