Berlin Im September und noch mehr im Oktober sind die Sterbezahlen krass gestiegen. Die Gründe dafür sind rätselhaft. Ein Erklärungsversuch.
Karl Lauterbach (SPD) wundert sich. Die hohe Übersterblichkeit im Oktober in Deutschland gibt dem Bundesgesundheitsminister Rätsel auf. Lag es an Corona? Die Gründe seien "nicht endgültig geklärt", räumt der Bundesgesundheitsminister auf Twitter ein.
Der Trend stellte sich arg unvermittelt. Felix zur Nieden, beim Statistischen Bundesamt für die Erfassung der Todesfälle zuständig, hält sich an die Fakten:
- Im Oktober starben laut dem Wiesbadener Bundesamt mehr Menschen als üblich, 92.954;
- Das sind 14.560 – oder 19 Prozent – mehr als im Mittel der vergangenen vier Jahre;
- Der Trend begann bereits im September ein, die Statistiker stufen die Zahlen als „erhebliche Steigerung" ein;
- "Die Zahlen werden sich durch Nachmeldungen noch weiter erhöhen", sagte zur Nieden unserer Redaktion voraus.
- Im November normalisieren sie sich etwas. Echte Erkenntnisse liefert erst später die Todesursachenstatistik.
Schon im September waren die Fallzahlen um zehn Prozent gestiegen. Im Verlauf des Jahres liegen sie im Schnitt neun Prozent über den jeweiligen mittleren Werten zwischen 2018 und 2021.
Übersterblichkeit: Experten suchen nach Erklärungen
Es gibt manchmal naheliegende Erklärungen für die Übersterblichkeit, im Frühjahr beispielsweise mit den Corona-Erkrankungen, im Sommer mit der Hitzewelle. Im Oktober greifen sie etwas zu kurz. Was bleibt, sind Spekulationen. Es gibt viele Erklärungsersuche, die sich ergänzen und potenzieren:
- Laut Robert-Koch-Institut gab es im Oktober mehr Covid-19-Todesfälle als in den beiden Vorjahren;
- Es sei zudem möglich, so Statistiker zur Nieden, dass Todesfälle infolge solcher Infektionen unerkannt bleiben. Die Dunkelziffer könnte hoch sein;
- "Auch die Verbreitung anderer Atemwegserkrankungen kann zu den höheren Sterbefallzahlen beigetragen haben";
- Die Folgen von verschobenen Operationen und Vorsorgeuntersuchungen und vom Personalmangel im Gesundheitswesen;
- Spätfolgen von Corona-Infektionen.
Zur letzten Interpretation scheint auch Lauterbach zu neigen. Er macht darauf aufmerksam, dass die Sterblichkeit derer erhöht sei, die Corona-Infektionen hatten.
Nach Corona geht die Lebenserwartung zurück
In vielen europäischen Staaten, aber auch in den USA geht die Lebenserwartung zurück; nicht zuletzt dort, wo die Impfquote eher niedrig ist. In der Schweiz ist die Sterblichkeit ebenfalls im Herbst stark gestiegen. Auch dort ist man auf der Suche nach zweifelsfreien Erklärungen für die Übersterblichkeit noch nicht fündig geworden.
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In Amerika ist die Lebenserwartung nach Angaben des Nationalen Zentrums für Gesundheitsstatistik so stark gesunken wie seit fast 100 Jahren nicht mehr: Während Frauen und Männer 2019 durchschnittlich 79 Jahre alt wurden, waren es 2021 nur noch 76 Jahre. Für Deutschland wollen die Wiesbadener Statistiker in der kommenden Woche aktuelle Zahlen vorlegen, die nicht zuletzt bei der Rentenversicherung mit Spannung erwartet werden.
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Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.