Berlin . Wolodymyr Selenskyjs Friedensideen sind bestechend, aber ohne Aussicht auf Erfolg. Putin wird den Krieg fortsetzen, meint unser Autor.
Wolodymyr Selenskyj liefert fast täglich ein neues Meisterstück ab. Mal redet der ukrainische Präsident per Videoschalte den Völkern der Welt ins Gewissen. Dann wieder vermittelt er seinen Landsleuten über das Smartphone Zuversicht und Durchhaltewillen.
Wie nebenbei führt er als Oberbefehlshaber eine Armee, die sich entschlossen der russischen Übermacht entgegenstemmt. Und nun hat Selenskyj auch noch einen möglichen Weg zum Frieden skizziert. Es gibt nur einen Haken: Man kommt nicht ohne den russischen Präsidenten Wladimir Putin ans Ziel.
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Selenskyjs Ideen sind bestechend. Er möchte direkt mit Putin ein Abkommen aushandeln und diesen dadurch in die Pflicht nehmen. Der Vertrag soll die Neutralität der Ukraine festschreiben und folglich den dauerhaften Verzicht auf eine Nato-Mitgliedschaft.
Im Gegenzug sollen einige starke Staaten – allen voran die USA – die territoriale Unversehrtheit der Nachkriegsukraine garantieren. Damit Putin in ein paar Jahren nicht wieder auf die Idee kommt, seine Armee loszuschicken.
Selenskyj quält sich mit Zugeständnissen an Russland
Wesentlich schwieriger sind für Selenskyj die territorialen Fragen. Wer das Interview in voller Länge liest, in dem der ukrainische Präsident seine Ideen ausführt, kann fast am eigenen Leib spüren, wie sich Selenskyj damit quält.
Es sei „extrem schwierig für uns alle“, sagt er und deutet doch die Bereitschaft an, über den künftigen Status der von Russland annektierten Krim und der Donbass-Region zu verhandeln. Man kann das durchaus als verklausuliertes Angebot verstehen, die Gebiete im Zweifel sogar aufzugeben.
Präsident im Krieg: Selenskyj Autorität hat zugenommen
Natürlich weiß Selenskyj, was er seinem leidgeprüften Volk damit zumuten würde. Deshalb verspricht er seinen Landsleuten, dass sie über jeden denkbaren Vertrag am Ende selbst entscheiden sollen. Per Referendum. Und das wäre keineswegs zwingend zum Scheitern verurteilt.
Selenskyj hat in der Ukraine inzwischen eine solche Autorität gewonnen, dass ihm seine Landsleute womöglich folgen würden, wenn er sie um ein Ja bitten würde. Zumal die Perspektive eines Neuanfangs als EU-Beitrittskandidat eine gewisse Strahlkraft entfalten könnte.
Putin und Selenskyj werden sich nicht einigen können
Hätte, wäre, könnte: In westlichen Ohren klingt all das zwar nach einem echten Angebot für Putin. Er könnte zwischen Donbass und Krim sein erträumtes „Neurussland“ schaffen wie einst Katharina die Große, und Russland bekäme womöglich sogar einen Landkorridor zu der Schwarzmeer-Halbinsel.
Dennoch: Es ist derzeit schlicht nicht vorstellbar, dass sich Putin gemeinsam mit Selenskyj auf den Weg zum Frieden macht. Schließlich hat er den jüdischen Präsidenten immer wieder als Nazi bezeichnet, dem er den Garaus machen will.
Hinzu kommt, dass sich Putin auch mit der Übergabe der Krim und der Abspaltung des Donbass kaum zufriedengeben würde. Beides hat er ja de facto vor dem Ukraine-Krieg schon erreicht. Und erst recht nicht würde er sich dem demokratischen Schicksal eines Referendums ausliefern.
Ukraine-Krieg: Friedensideen stehen Putins Gewaltrausch gegenüber
Nein, leider deutet alles darauf hin, dass Putin sein mörderisches Treiben fortsetzen wird. Selenskyjs Friedensideen, die jedem rational denkenden Menschen schnell eingängig sein sollten, sind viel zu vernünftig, um den Kremlherrscher in seinem Gewaltrausch erreichen zu können.
Zumindest gilt das bis auf Weiteres. Denn selbstverständlich hätte Putin jederzeit die Möglichkeit, seinem Volk eine 180-Grad-Wende zu „erklären“. Seine Propagandamaschine hätte keine Schwierigkeiten, morgen als weiß zu verkaufen, was heute noch schwarz ist. Die Frage ist, ob Putin jemals den Willen dazu aufbringen wird. Fast alles spricht dagegen.
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