Cherson/Berlin. Die Stadt Cherson ist wieder unter ukrainischer Kontrolle. Doch die Furcht vor einem Sabotageakt an einem riesigen Staudamm wächst.

Nach der Rückeroberung der südukrainischen Gebietshauptstadt Cherson hat Präsident Wolodymyr Selenskyj die Befreiung weiterer von Russland besetzter Gebiete angekündigt. „Wir vergessen niemanden, wir werden niemanden zurücklassen“, erklärte er in einer Videoansprache.

Sein Berater Mykhailo Podolyak sagte unserer Redaktion: „Das war auf jeden Fall ein militärischer Sieg. Etwa 50 Städte und Dörfer wurden befreit. Und die Russen haben verstanden, dass sie diese Region nicht halten können, dass sie keinen Nachschub haben.“

Mykhailo kündigte weitere Offensiven an. „Die Ukraine hat absolut keinen Grund und keine Möglichkeit, diese Offensive zu beenden. Wenn die Ukraine aufhört, wird Russland diese Zeit nutzen, um Truppen zu trainieren, diese Truppen in die Ukraine zu schicken, diese Truppen für Offensiven zu nutzen, seine Positionen zu stärken.“

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Ukraine sorgt sich um Unterstützung ihrer Partner

Die Ukraine macht auch Druck, weil sie sich um die Unterstützung ihrer Partner sorgt. Der Selenskyj-Berater sagt dazu: „Wenn die ukrainische Offensive ins Stocken gerät oder sich verlangsamt, werden die westlichen Partner der Ukraine kriegsmüde werden und auf Verhandlungen drängen. Russland will keine Verhandlungen, solange es nicht militärisch völlig unterlegen ist. Und deshalb geht die Deokkupation weiter.“

In Cherson haben bereits ukrainische Polizisten und Vertreter der Militärverwaltung das Kommando übernommen. Spezialisten hätten schon 2000 Sprengsätze in Cherson und Umgebung entschärft. Eine Frau und zwei Kinder wurden durch die Explosion einer Mine verletzt.

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Bewohner berichten von zahlreichen Plünderungen durch russische Soldaten in der Stadt. Sogar Tiere aus dem Zoo von Cherson seien gestohlen worden. Für Russland stellte der Abzug eine herbe Niederlage dar. Cherson war die einzige Regionalhauptstadt, die die russischen Truppen erobert hatten.

Die russischen Besatzer, die sich auf die Seite südöstlich des Dnipro zurückgezogen haben, kündigten dort die Räumung der Stadt Nowa Kachowka an. Das schürt große Sorgen vor einem möglichen Sabotageakt am dortigen Wasserkraftwerk. Sollte der riesige Staudamm zerstört werden, rechnen Experten mit einer tödlichen Welle, die weite Gebiete – auch russisch besetzte – überfluten würde.

Russische Besatzer fordern zum Verlassen des Gebiets auf

Die russischen Besatzer haben die Zivilbevölkerung bereits aufgefordert, das Gebiet in einem festgelegten Radius von 15 Kilometern zu verlassen. Laut „t-online“ ist es bereits zu schweren Explosionen am Staudamm gekommen, was Videoaufnahmen zeigen sollen, deren Echtheit allerdings nicht verifiziert ist.

Zu sehen sind ein Einschlag und Beschädigungen an der Staudammmauer. Russen und Ukrainer werfen sich seit Wochen gegenseitig vor, eine militärische Provokation am Wasserkraftwerk zu planen.

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Zum 67. Jahrestag der Bundeswehr-Gründung sind am Wochenende im Verteidigungsministerium rund 400 neue Soldaten feierlich in die Truppe aufgenommen worden.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte bei der Veranstaltung in Berlin zu den Rekrutinnen und Rekruten, sie legten ihr Gelöbnis in einer Zeit ab, „die von einer überwunden geglaubten Unsicherheit gezeichnet ist, geprägt auch von der Sorge vor einem Flächenbrand in Europa“. Krieg in Europa sei heute wieder eine relevante, vielleicht sogar die größte Bedrohung für Freiheit und Demokratie. (mit dpa/fmg)

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de