Washington. Piers Morgans Interview mit Trump ist ein Auftritt zweier Narzissten. Was Trump zu Putin und seiner erneuten Kandidatur 2024 sagt.

Man muss stark sein und abgehärtet, um diese Ego-Show zu überstehen. Geschlagene 12 Minuten und 30 Sekunden dauert die vor Eitelkeit triefende Einleitung der Premieren-Sendung des einst auf amerikanischen Mattscheiben geduldeten britischen Medien-Flüchtlings Piers Morgan.

Der Mann, der Königshaus-Mitglied Meghan Markle als Lügnerin bezeichnete und darüber seinen Job in einer britischen Frühstücks-Fernsehshow verlor, darf inzwischen auf der grünen Insel bei "Talk.TV", einer krawalligen Kreatur des Fox News-Erfinders Rupert Murdoch, wieder vor Kamera und Mikrofon.

Zum Auftakt begrüßt der 57-Jährige, seit Tagen durch halbgar inszenierte Histörchen über einen angeblichen Eklat beworben, einen abgehalfterten amerikanischen Politiker-Unternehmer. Bei Morgan hört sich das so an: "Der kontroverseste Mensch in der Geschichte des Planeten…in seinem wahrscheinlichen explosivsten Interview." Ladies and Gentlemen: Donald Trump.

Trump bei Piers Morgan: Grenzenloser Narzissmus

Was beide Männer bei allen Kontrasten verbindet, ist schon nach den ersten wie Ballwechsel beim Ping Pong geschnittenen Dialogen der Sendung mit dem Titel "Piers Morgan Uncensored“ offenkundig. Der von seiner eingebildeten Grandezza wie betrunken wirkende Morgan, der einmal in Trumps TV-Show "Celebrity Apprentice" den Jackpot abräumte und sich heute als Gralshüter der ungefiltert freien Rede aufführt, und sein Gesprächspartner teilen einen grenzenlosen Narzissmus.

Wie ist das Leben so als Ex-Prez, will Morgan wissen. "Interessant, schön und komplex", lautet die Antwort und verliert sich in den Echo-Kammern, die nur Trump selbst bewohnt. Von hohen Benzinpreisen schließt der 75-Jährige, dessen schlecht gepuderte Nase im Scheinwerferlicht glänzt, auf die Ukraine. Und dekretiert: "Unter mir hätte es diesen Krieg nie gegeben."

Trump wiederholt, dass er Wladimir Putins Vorgehen im Februar nur solange für "brillant" gehalten habe, bis der Kremlchef nicht nur zigtausende Soldaten der Grenze zur Ukraine Aufstellung nehmen ließ – sondern den Befehl zum Einmarsch gab. Heute hält Trump Putin für das, was Morgan über den Russen sagt: "Ein teuflisches, völkermordendes Monster."

Trump: USA werden "von dummen Menschen" regiert

Den Krieg bezeichnet Trump mal als "dumm", mal als "schreckliche Verschwendung". Seine kühne gedankliche Brücke zu den USA: Wäre hier nicht die Präsidentschaftswahl 2020 "verpfuscht" worden, hätte es all die Toten in der Ukraine nicht gegeben. Wie bitte? Na, unter Trump, sagt Trump, hätte sich Putin das alles nicht getraut.

Morgan lässt Trump unwidersprochen sagen, dass die Regierung von Joe Biden, die Amerika in Grund und Boden regiere, mit zu viel Furcht auf Putin reagiere. Ständige drohe der Russe mit dem "N-Wort". N wie nuklear. Vulgo: Atombombe. Er, Trump, würde dem einstigen KGB-Mann sagen: "Amerika ist viel stärker. Benutze das N-Wort nicht noch ein einziges Mal." Sonst? Fehlanzeige.

Auch als Trump behauptet, er habe zu Amtszeiten Putin (wegen der Ukraine) mit schwersten Konsequenzen gedroht ("Ich habe ihn bedroht, wie er noch nie zuvor bedroht wurde"), lässt der Moderator ihn ohne größeres Nachsetzen davonkommen.

Amerika werde sich im Rückblick schämen für das, was es im Ukraine-Krieg gemacht beziehungsweise unterlassen habe, findet Trump. Weil das Land von "dummen Menschen" regiert werde, sei die Eskalation in einen Weltkrieg nicht auszuschließen. Ohnehin hätte Putin ohne den schmählichen Abgang Amerikas aus Afghanistan im vergangenen Sommer, nie den Mumm zum Angriff auf das Nachbarland gehabt.

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Piers Morgan Interview: Kandidiert Trump nochmal bei Präsidentschaftswahl?

Also will Morgan wissen, ob Trump 2024 noch mal ins Rennen um das Weiße Haus geht. Umfragen sagten angeblich, dass er Biden mit sechs Prozent und Vizepräsidentin Kamala Harris mit elf Prozent Vorsprung schlagen würde, wären heute Wahlen. "Treten Sie an?" Trump greift zur Standard-Ausweich-Antwort der vergangenen Monate: Wegen der strengen Wahlkampffinanzierungsgesetze sei es ihm nicht gestattet, etwas dazu zu sagen. Nur so viel: "Ich denke, viele Leute werden sehr happy sein."

Träte er an, bescheinigt sich Trump gute Gewinnchancen gegen den Amtsinhaber. "Jeder im Moment würde Biden schlagen, sogar Du, Piers." Der will nun wissen, ob Trump 2024 genauso aggressiv und unversöhnlich auftreten würde wie Trump 2016: "Hängt davon ab, wie ich empfangen würde", sagt Trump und deutet an, er wäre gerne weniger angriffslustig. In seiner ersten Amtszeit sei ihm aber keine andere Wahl geblieben. "Ich wurde ständig attackiert und musste zwei Sachen machen: das Land gut führen und die Angriffe der Medien überleben." Morgan nickt verständnisvoll.

Danach zerfasert das Interview, zu dem Trump den Briten in sein Florida-Domizil Mar-a-Lago eingeladen hatte. Plötzlich kriegt Altkanzlerin Angela Merkel ihr Fett weg. Trump will ihr bei einem G 7- oder G 20-Gipfel eine "weiße Fahne der Kapitulation" in Form einer "luxuriösen Serviette" an den Tisch geschickt habe, weil sie die Energieabhängigkeit Deutschlands von Russland zementiert habe.

Später, nachdem Trump seinen ehemaligen Vize Mike Pence "dumm und schwach" nennt, landet der Fragesteller auf Umwegen beim britischen Königshaus. Trump ist als Hobby-Society-Analytiker in seinem Element und drischt wie schon früher auf die Exil-Royals Prinz Harry und Gattin Herzogin Meghan (Markle) ein.

Harry werde an der Nase herumgeführt, sagt Trump und prophezeit der Ehe dies: "Es wird enden, und es wird böse enden.“ Er frage sich, ob "Harry dann auf Knien zurück nach London kriechen und um Vergebung bitten wird“. Der Queen macht der zum dritten Mal verheiratete und mehrerer Affären bezichtigte Milliardär zum Vorwurf, dass sie der Brut nicht längst alle Titel entzogen hat. Wer sich beim Zuhören fragt, was Trump zu diesen Ansichten befähigt, bleibt ratlos zurück.

Weniger heimelig zwischen den Medien-Profis wurde es nur in der Causa Wahlsieg/Wahlbetrug. Piers Morgan hält Biden für den fairen Gewinner. Worauf Trump zurückgibt: "Nur ein Narr glaubt, dass diese Wahl nicht getürkt war. Sie war getürkt und gestohlen. Nicht ein bisschen – zu hundert Prozent." Wo sind die Beweise, will Morgan wissen. Amerika, sagt Trump, sei hier wie ein "kommunistisches" Land. "Die Beweise sind da. Aber die Medien berichten nicht darüber."

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.