Berlin/Washington. Ein US-Abgeordneter stimmt gegen gleichgeschlechtliche Ehen - und feiert dann die Hochzeit seines schwulen Sohnes. Was dahinter steckt.

In den USA hat der konservative Kongressabgeordnete Glenn Thompson gegen ein Gesetz gestimmt, das die gleichgeschlechtliche Ehe unter Schutz stellen will. Zusammen mit 156 seiner Kollegen sprach sich Glenn Thompson gegen den "Respect for Marriage Act" aus. Der soll die Ehe für alle zu Bundesrecht machen und der Gesetzgebung der US-Bundesstaaten entziehen.

Die Gesetzesvorlage fand im Kongress breite Zustimmung: Die Demokraten stimmten geschlossen dafür, auch 47 Republikaner sagten "Ja". Nun wird sich der Senat mit der Vorlage befassen.

Familie Thompson glücklich über schwulen Schwiegersohn

Das alles könnte ein relativ gewöhnlicher Vorgang sein – wenn der Republikaner Thompson, Abgeordneter aus Pennsylvania, nicht Vater eines offen homosexuellen Sohnes wäre. Der hat drei Tage nach der Abstimmung seinen jetzigen Ehemann geheiratet. Auf der Gästeliste standen Vater Glenn mit seiner Ehefrau. Beide hätten den Feierlichkeiten "begeistert" beigewohnt, ließ der Kongressabgeordnete über seine Sprecherin Maddison Stone verbreiten.

"Die Thompsons sind sehr glücklich, ihren neuen Schwiegersohn in ihrer Familie willkommen zu heißen", teilte Stone US-Medien mit. Der Sohn bestätigte die Anwesenheit seines Vaters ebenfalls und sagte dem Sender NBC News, er habe "die Liebe seines Lebens geheiratet".

Glenn Thompson war einem "Buzzfeed"-Bericht zufolge nicht nur anwesend, er hielt auch eine kurze Rede auf das Glück der Eheleute. Eltern hofften und beteten, dass ihre Kinder "die eine wahre Liebe finden, jemanden mit dem sie alt werden können", so Thompson. "Wir sind also wirklich dankbar, dass du da bist", richtete er sich dann an den Ehemann. Den lobte er in hohen Tönen. Sein Sohn habe ein großartiges neues Mitglied in die Familie gebracht, das Thompson in seiner Rede als "neuen Sohn" beschreibt.

Konservative Kritik an Vorlage: "Wahlkampf-Stunt der Demokraten"

Die Rede und die Anwesenheit auf der Hochzeit stehen im krassen Gegensatz nicht nur zum Abstimmungsverhalten des Abgeordneten. Die Gegenstimme für das Recht seines Sohnes, zu heiraten, scheint auch ein Wahlkampfmanöver zu sein.

Thompson hatte, wiederrum über seine Sprecherin Stone, nach der Abstimmung den "Respect for Marriage Act" als einen "Wahlkampf-Stunt der Demokraten im Kongress" kritisiert und diesen vorgeworfen, "nichts gegen die historische Inflation und davongaloppierende Preise an den Zapfsäulen und in Supermärkten zu unternehmen". In den USA stehen im November Kongresswahlen an, die Republikaner zielen darauf, die Mehrheit der Demokraten im Abgeordnetenhaus abzuräumen.

Demokraten versuchen, Menschenrechte zu retten

Bis zur Wahl versuchen die Demokraten nun fieberhaft, Menschenrechte in den USA vor dem Zugriff der US-Bundesstaaten zu sichern und in Bundesrecht zu gießen. Nach dem der Supreme Court das bundesweite Recht auf Abtreibung gekippt hatte, machen sich derzeit republikanisch regierte Staaten daran, Frauen den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen zu erschweren oder nur in speziellen Ausnahmen zu ermöglichen.

Die Entscheidung des Supreme Courts hatte bei Menschenrechtsaktivisten Befürchtungen laut werden lassen, das Gericht könne auch andere Urteile auf den Prüfstand stellen, etwa das Recht auf Verhütung, auf gleichgeschlechtlichen Sex und gleichgeschlechtliche Ehe. Der konservative Richter Clarence Thomas hatte die dazugehörigen Präzedenzfälle als "Fehler" bezeichnet, die das Oberste Gericht "neu verhandeln solle".

Zwar steht Thomas mit dieser Meinung innerhalb des Gerichts bislang allein da. Käme der Supreme Court aber eines Tages zu ähnlichen Schlüssen wir beim Recht auf Schwangerschaftsabbrüche, stünde es den US-Bundesstaaten frei, entsprechende Gesetze zu erlassen, die dann etwa das Recht auf Sex einschränken könnten. Lesen Sie dazu: Supreme Court: USA droht "Revolution der Schwarzen Roben"

US-Bevölkerung steht hinter der Ehe für alle

Der "Respect for Marriage Act" steht indessen vor einer ungewissen Zukunft. Die Vorlage liegt nun im US-Senat, wo die Demokraten 50 von 100 Sitzen halten. Damit sie Gesetz wird, müssten die Demokraten geschlossen dafür stimmen und zehn republikanische Senatorinnen auf ihre Seite ziehen. Ob das gelingt, ist unklar.

Immerhin zeigen jüngste Umfragen, dass die Mehrheit der US-Amerikanerinnen und -Amerikaner hinter dem Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe stehen – selbst unter den Wählern der Republikaner.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.