Brüssel. Volkswagen plante, sein neues Osteuropa-Werk in der Türkei zu errichten. Der Einmarsch des Landes in Syrien stoppte das offenbar.

Die Türkei ist in Syrien einmarschiert – das hat nicht nur in dem kriegsgebeutelten Land Folgen, sondern auch für deutsche Unternehmen. So liegen die Pläne für ein VW-Werk in der Türkei offenbar erst einmal auf Eis. Dass berichtet das „Handelsblatt“ unter Berufung auf „Konzernkreise“.

Demnach seien die Papiere für den Bau des Werkes nahe Izmir unterschriftsreif. Nun machten die Wolfsburger aber laut der Zeitung einen Rückzieher – zu unklar die Lage, zu groß die Gefahr eines Image-schadens. Ein Sprecher erklärte dem „Handelsblatt“: „Wir beobachten die Situation mit großer Sorge.“ Die Standortentscheidung befinde sich in der „finalen Phase“, Details wurden nicht genannt.

Grundsätzlich gebe es aber weiterhin Interesse an einem Bau in dem Land. So sich die Lage beruhigt. Die „FAZ“ hatte vorab berichtet, der Bau des Werks stehe auf der Kippe, dies ist offenbar nicht der Fall.

VW-Werk in der Türkei verschoben? Plan verärgerte schon die EU

Die Pläne von Volkswagen, das neue Osteuropa-Werk des Konzerns in der Türkei zu bauen, stießen zuvor im EU-Parlament fraktionsübergreifend auf heftige Kritik. Abgeordnete der christdemokratischen EVP, der Grünen und der Liberalen äußerten gegenüber unserer Redaktion den Verdacht, die Türkei habe mit der Zusage hoher Staatsbeihilfen für VW gegen Verpflichtungen im Rahmen der Zollunion mit der EU verstoßen und sich so einen Wettbewerbsvorteil gegenüber EU-Staaten verschafft.

In einem Schreiben an die EU-Kommission, das unserer Redaktion vorliegt, brachten die sieben Parlamentarier eine Untersuchung im gemeinsamen Assoziationsrat der EU und der Türkei ins Gespräch. Die niedersächsische Grünen-Abgeordnete Viola von Cramon-Taubadel, die zu den Unterzeichnern gehört, appellierte zugleich an den VW-Aufsichtsrat, das Projekt zu stoppen.

VW investiert wohl rund eine Milliarde Euro

Volkswagen hatte Ende September bestätigt, dass die Verhandlungen über die Investition in der Türkei nahe Izmir kurz vor dem Abschluss stünden. Der VW-Aufsichtsrat habe bereits eine Grundsatzentscheidung für das Werk getroffen, in dem künftig der Passat und der Skoda Superb für den Export nach Osteuropa gebaut werden sollen, hieß es; die Investitionssumme liegt nach inoffiziellen Informationen bei rund einer Milliarde Euro.

Auch das benachbarte EU-Land Bulgarien hatte sich um die Ansiedlung bemüht, war bei Fördermittelzusagen aber durch EU-Vorschriften beschränkt. Die EU-Abgeordneten – neben Cramon auch der Chef der CDU/CSU-Gruppe, Daniel Caspary, der Vorsitzende der Europa-Grünen, Reinhard Bütikofer, und die FDP-Politikerin Svenja Hahn- , stützten sich in ihrer Kritik auf Informationen, nach denen die türkischen Behörden eine staatliche Beihilfe von 400 Millionen Euro und eine Garantie über den Ankauf von 40.000 Autos jährlich gegeben hätten, um VW von der Investition in der Türkei zu überzeugen.

Dabei habe sich die Türkei im Zollunions-Abkommen verpflichtet, die EU-Regeln für staatliche Beihilfen einzuhalten, schreiben die Abgeordneten in ihrer Anfrage an die Kommission. Die Investitionspläne von VW sind aber auch wegen der Menschenrechtssituation in der Türkei umstritten.

Standortwahl von VW für Grüne ein „verheerendes Signal“

Die Grünen-Abgeordnete Cramon-Taubadel sagte unserer Redaktion, Volkswagen stärke mit der Standortauswahl „das autokratische Regime von Erdogan“ und sende zugleich ein „verheerendes Signal“ an den Mitbewerber Bulgarien.

„VW scheint aus den letzten Skandalen nichts gelernt zu haben“, sagte die Grünen-Politikerin. Sie fügte hinzu: „Wer angesichts der aktuellen instabilen und höchst kritischen politischen Situation in der Türkei meint, sich auf finanzielle Zusagen von Präsident Erdogan verlassen zu können, wird für das finanzielle Risiko eines solchen Investments möglicherweise noch teuer bezahlen müssen.“

Die Türkei hat Städte in Nordsyrien angegriffen, Trump fordert Waffenruhe – was man wissen muss. Neben der Frage nach dem Standort des neuen Werkes hat Volkswagen noch ein anderes Problem: Nach dem VW-Dieselskandal will das Landgericht weitere Ermittlungen. (mit rtr)