Berlin. Nach dem Aus für den Mietendeckel müssen viele Menschen höhere Mieten zahlen. Unsere Autorin erzählt, wie hart das Urteil sie trifft.

Der Schock sitzt tief. Als ich am vergangenen Donnerstag die Nachricht lese, dass der Berliner Mietendeckel für nichtig erklärt wurde, stellen sich bei mir die Nackenhaare auf. Sofort hole ich meinen Mietvertrag raus und muss zu meinem Entsetzen feststellen, dass ich von jetzt an deutlich tiefer in den Geldbeutel greifen muss. Und zwar so tief, dass es weh tut.

Von Mai an muss ich fast 400 Euro mehr für meine Wohnung zahlen. Dabei lebe ich in keinem Luxus-Apartment, sondern in einer 50 Quadratmeter großen Ein-Zimmer-Wohnung im Prenzlauer Berg. Durch den Mietendeckel musste ich bisher lediglich 530 Euro Warmmiete zahlen.

Ein Schnäppchen, dachte ich mir damals, als ich den Mietvertrag unterschrieb. Doch in meinem Mietvertrag wurde auch eine sogenannte Schattenmiete vereinbart, die deutlich höher ist als die Summe, die der Mietendeckel erlaubt. Mit meiner Unterschrift verpflichtete ich mich dazu, diese Schattenmiete zahlen zu müssen, falls der Mietendeckel durch das Verfassungsgericht gekippt wird – was am Donnerstag auch geschehen ist.

Gegen „Mietwahnsinn“: Nach der Entscheidung zum Mietendeckel gingen in Berlin Tausende Menschen auf die Straße.
Gegen „Mietwahnsinn“: Nach der Entscheidung zum Mietendeckel gingen in Berlin Tausende Menschen auf die Straße. © dpa | Christoph Soeder

Warum ich den Mietvertrag damals - trotz der vermerkten Schattenmiete - unterschrieben habe? Aus zwei Gründen: Erstens habe ich wegen meines Umzugs nach Berlin schnellstmöglich eine bezahlbare Wohnung gesucht. Zweitens wog ich mich in trügerischer Sicherheit, dass der erst im letzten Jahr vereinbarte Mietendeckel nicht so schnell wieder gekippt wird.

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Noch am selben Tag, an dem der Mietendeckel vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe für nichtig erklärt wurde, informiert mich mein Vermieter, dass ich bei der nächsten Miete den „regulären Satz“ zahlen muss. Von Mai an wird mein kleines Apartment also 900 Euro Miete kosten. Ob ich zusätzlich noch die entstandene Differenz zurückzahlen muss, steht noch nicht fest. Davon gehe ich aber aus.

Ich bin entsetzt. Von einer Sekunde auf die nächste muss ich meinen kompletten Finanzplan umkrempeln, meine Ausgaben überdenken. Dabei befinde ich mich noch in einer privilegierten Situation. Ich beziehe ein geregeltes Einkommen, muss keine Familie ernähren und auch nicht um meinen Job fürchten. Trotzdem muss ich den Gürtel von jetzt an deutlich enger schnallen und auf viele Dinge verzichten.

Wie geht es dann den Menschen, die während der Corona-Pandemie ihre Jobs verloren haben oder in Kurzarbeit gehen mussten? Wie fühlen sich Familien, die in dieser Zeit sowieso schon jeden Cent zweimal umdrehen und jetzt noch für ihre Miete mehr blechen müssen?

Haben die die Politikerinnen und Politiker von der Union und FDP auch an sie gedacht, als sie die Klage beim Verfassungsgericht in Karlsruhe einreichten? Muss ich mir jetzt sofort eine neue Wohnung suchen und wieder umziehen? Finde ich eine bezahlbare Wohnung überhaupt noch? Viele Fragen schwirren mir durch Kopf, auf die ich nicht wirklich eine Antwort finde, die mich aber umso mehr frustrieren.

Ich weiß, dass der Mietendeckel keine Lösung auf Dauer war und nur die Symptome bekämpft hat und nicht die eigentlichen Ursachen des Wohnungsmangels. Ich weiß auch, dass für soziales Mietrecht der Bund zuständig ist und Berlin bei der Gesetzgebung seine Kompetenzen deutlich überschritten hat. Wenn der Mietendeckel jedoch gekippt wird und es keine adäquate Alternative zu ihm gibt, dann fühle ich nur eins – mich vom Staat im Stich gelassen.