Erfurt. Wie bleiben wir trotz kontroverser Meinungen miteinander im Gespräch? Ein Barcamp in Erfurt brachte viele Themen rund um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zur Sprache.

Eine Tagung, die eigentlich keine sein will – bei einem Barcamp reden Interessierte offen und weitgehend ohne Themenvorgaben über Fragen, die sie bewegen. Zum zweiten Mal hatte das Bundespresseamt im Namen der Bundesregierung zu einer solchen Nichtkonferenz eingeladen. Die erste zur Kommunikation im digitalen Raum fand während der Corona-Pandemie noch online statt. Für das Präsenz-Treffen kurz vor dem Tag der Deutschen Einheit nahm man nunmehr den gesamten Erfurter Zughafen in Beschlag. Durch jüngste Krisen, ausgelöst etwa durch die Flüchtlingsströme, die Pandemie oder den russischen Überfall auf die Ukraine, gerate das Vertrauen in die Demokratie unter Druck, sagte Presseamtsvize Johannes Dimroth zur Begrüßung. Darüber, wie man trotzdem gesellschaftlichen Zusammenhalt organisiere und sichere, wolle man reden.

Tatsächlich machten Vertreter von Vereinen und Bürgerinitiativen aus ganz Deutschland von der Einladung, eigene Probleme, Ideen und Thesen für sogenannte Sessions einzubringen, rege Gebrauch. „Wie bunt ist die deutsche Einheit“, fragte Said Haider von der Berliner Initiative Yana, die Opfer von Diskriminierung unterstützt. Perspektiven von Gastarbeitern, Jüdinnen, Feministinnen und anderen Minderheiten blieben beim Thema Wiedervereinigung unterrepräsentiert. In Haiders Workshop ging es darum, wie marginalisierte Gruppen beim Nationalfeiertag besser repräsentiert werden könnten.

Was Radikalisierung kennzeichnet und was sich dagegen tun lässt, stellten Tobias Rothmund und seine Mitstreiter vom Zentrum für Rechtsextremismusforschung, Demokratiebildung und gesellschaftliche Integration der Uni Jena zur Diskussion. Hinweise erhofften sich die Wissenschaftler dazu, wie sich das Zulassen kritischer Meinungen auf der einen Seite und die von Radikalen ausgehende Bedrohung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt auf der anderen Seite demokratisch austarieren lassen.

Rückschläge bei Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderung registriert Evelyn Froitzheim von Streitgut-Coaching. Aus dem Miteinander sei während der Pandemie wieder ein Neben- und Gegeneinander geworden. Teilnehmer ihrer Session suchten nach neuen Ansätzen, „ohne über alles nachdenken zu müssen“ wieder besser zusammenzufinden.

„Kleiner Fünf“ heißt eine Initiative, die mit ihren Aktionen Rechtspopulisten bei Wahlen unter der 5-Prozent-Hürde halten will. Inzwischen biete man auch Workshops zum Umgang mit Verschwörungsmythen, berichtet Barbara Djassi. Ihr Workshop thematisierte, warum es sinnvoll und wie ist es möglich ist, radikal höflich zu bleiben, wenn Menschen im näheren Umfeld Verschwörungserzählungen glauben.

Rieke Smit, Jungredakteurin bei der dpa und Mitinitiatorin des Projektes #UseTheNews, wollte darüber sprechen, warum Menschen ihrer Generation zwischen 14 uns 24 kaum noch Nachrichten wahrnehmen und sich lieber in sozialen Netzwerken orientieren. Um Fakenews ging es bei Annkatrin Kaiser. Ihre Initiative Lie Detectors will Schüler in Mitteldeutschland zu „Lügendetektoren“ machen, die Falschmeldungen und Polarisierung eigenständig erkennen.