Eichsfeld. Leserpost eines Eichsfelders: „Ich habe das Empfinden, dass ich in der Sorge um die Demokratie nicht allein stehe.“

Im Eichsfeld wird am kommenden Sonntag gewählt, die Kommunalwahlen stehen an. Ein Heiligenstädter hat sich einige Gedanken zu den aktuellen Ereignissen gemacht:

Eine gute Speise zeichnet sich durch gute Zutaten aus, die nach einem überlegten und erprobten Rezept zusammengebracht wurden. In die Kochbücher gelangt das Rezept aber erst, wenn es eine längere Zeit der Bewährung bei einer größeren Interessentenschar durchstanden hat. Ebenso tragen renommierte Köche wesentlich dazu bei, dass ein Rezept weithin populär wird. In der Regel werden Rezepte von Einzelpersonen kreiert. Würden mehrere Personen ihre Zutaten nach Belieben und Gutdünken in ein und dieselbe Speise einbringen, wäre ein Erfolg als Rezept sehr fraglich oder die Speise gar ungenießbar. Viele Köche haben dann die Suppe versalzen, den Brei verdorben, wie ein Sprichwort sagt. Solches passiert auch, wenn das Rezept im Nachhinein verändert wird.

Die Sorge um den Fortbestand der Demokratie habe ich noch nie so stark empfunden, wie derzeit. Ich erfahre auch immer wieder, dass ich damit nicht allein stehe. Es mag viele Gründe geben, warum das so ist. Einen Grund empfinde ich angesichts einer nahezu sprunghaften bundesweiten Zunahme politisch aktiver Gruppen in ländlichen Räumen. Daher erscheint mir das zuvor aufgezeigte Bild als eine sehr treffende Metapher.

Eine Erinnerung an die Geschichte der Demokratie

Unsere Mütter und Väter haben nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur den sichtbaren Ruin überwunden, sondern auch den zukunftsträchtigen Weg der Demokratie installiert. Das konnte nur geschehen, weil es eine starke Mitte gab, die auf die Wohlfahrt des Volkes ausgerichtet war. Dies war aber nicht ein Geschenk, das vom Himmel fiel, sondern ein mühsamer Prozess, der in der Auseinandersetzung der Volksparteien erfolgreich bewältigt wurde. Als Wirtschaftswunder (Soziale Marktwirtschaft) schaffte es Deutschland unter die führenden Industrienationen und mehrte damit auch den Wohlstand seiner Bevölkerung.

Die Menschen der DDR konnten diesen enormen Aufschwung nicht erleben. Sie waren infolge der herrschenden Diktatur der Arbeiterklasse nicht nur von der freien Welt abgeschnitten, sondern waren auch ihrer persönlichen Freiheit durch vielerlei Zwänge beraubt worden. Ihre politische Mitwirkung in der Deutschen Demokratischen(?) Republik bestand allein in der umfassenden Akzeptanz der Politik der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Dazu gab es keine Alternative. Denn die Nationale Front, in der die anderen Parteien mit eingebunden waren, diente als demokratisches Feigenblatt der Mitbestimmung zur Bestätigung der alleinigen Macht der SED.

Erst im Herbst 1989 bildeten sich nach der Gründung des Neuen Forums Initiativen, die das herrschende System schließlich zu Fall brachten und die Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland bewirkten. Viele Angehörige der Initiativen schlossen sich den in der Bundesrepublik bestehenden Parteien an. Überschätzung, Naivität, Unerfahrenheit, aber auch unlautere Machenschaften erzeugten nach dem 3. Oktober 1990 Verärgerung, Enttäuschung, Ängste und Resignation, deren Nachwirkungen immer noch spürbar sind.

Bewährte Erfahrungen erscheinen nicht mehr als zeitgemäß

Mit der Koalition von SPD, FDP und Grünen (Ampel) als regierende Kraft wachsen erneut landesweit Initiativen zur Mitwirkung an politischen Veränderungen. Vielleicht sind die Auswirkungen des mannigfaltigen und rasanten technischen Fortschritts mit Ursache dafür, dass bewährte Erfahrungen im gesamten politischen Diskurs nicht mehr als zeitgemäß erscheinen. Die sozialen Medien geben einer solchen Auffassung Raum. Oder man entschließt sich, den eigenen Weg zur Macht zu suchen, um dem „Ticken“ bisheriger Gremien und Weggefährten zu entgehen und mehr eigenes Selbstbewusstsein zu demonstrieren.

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Blicke ich auf die sich zur Wahl stellenden Gruppierungen und Initiativen im Landkreis, so ist es mir, aufgrund vieler mir bekannter Personen, nicht erklärbar, dass diese, mit wenigen Ausnahmen, fundamental neue Grundsätze, Ziele und damit eine Politik verfolgen, zu der sie alte Parteien nicht in der Lage sehen. Ob in den Kommunen, im Landkreis, in Thüringen oder in der Bundesrepublik, ich sehe diese Entwicklung letztlich als Verhinderung einer starken Mitte auf Landes- und Bundesebene. Koalitionen mehrerer Parteien, wie auch regierende Minderheitsgremien können auf Dauer keinen soliden zukunftsträchtigen Weg der Wohlfahrt sichern, erprobte demokratische Strukturen nur erschwert durchhalten, oder sie unterliegen am Ende gar den nach Autokratie strebenden Kräften.

Es empfiehlt sich daher, Köche und Zutaten zu prüfen, damit wir am Ende nicht eine uns nicht schmeckende Suppe auslöffeln müssen.

Hans-Gerd Adler, Heiligenstadt

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