Eisenach. Rund 200 Bürger der Stadt nehmen an Kundgebung und Marsch teil.

„Menschen, die heute mit uns sein sollten, fehlen in unserer Mitte“ – das Gedenkwort, mit dem Eisenachs Oberbürgermeisterin Katja Wolf (Die Linke) zur Kundgebung an der ehemaligen Synagoge am Samstagabend an den Pogrom erinnerte, fiel sehr persönlich aus und ging zu Herzen. Versammelt hatten sich knapp 200 Menschen, um des unvorstellbaren Geschehens vor 81 Jahren zu gedenken.

In konzertierter Aktion überfielen die Nazis am 9. November 1938 jüdische Einrichtungen in ganz Deutschland, wurden jüdische Bürger inhaftiert und Synagogen angezündet. Die Pogromnacht war der Auftakt zur industriellen Vernichtung von Juden in ganz Europa; am Ende der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft und ihres Raubkrieges waren acht Millionen ermordet worden.

Auch das jüdische Gotteshaus in der Karl-Marx-Straße fiel in dieser folgenschweren Nacht bis auf seine Grundmauern dem NS-Wahn zum Opfer, die Eisenacher Juden wurden gequält, deportiert und ermordet.

Vor der Gefahr, dass Neid und Schikane bis heute die Gemeinschaft verseuchen, warnte der katholische Pfarrer Heinz-Josef Durstewitz. „Wir ehren die Opfer, ihr Erbe möge unser Auftrag sein“, schloss er seine geistliche Andacht. Musikalisch umrahmt von Almuth Heintze und Thomas Riehl, legten dann die Versammelten erstmals alle einzeln eine weiße Rose vor der Mahntafel nieder, bevor alle zum Bahnhof aufbrachen.

Geleitet von der Koffer-tragenden Clara, einer jungen Darstellerin aus dem Theater am Markt, und unter Polizeieskorte erreichten die Teilnehmer schließlich die Bahnhofshalle, wo die Schauspielerin aus dem fiktiven Tagebuch der Erika Fackenheim (die spätere Eisenacher Ehrenbürgerin Avital Ben-Chorin) rezitierte. Vor allem durch solche emotionsgeladenen Schilderungen, die in Form von Tagebucheinträgen aus der Feder des Stadtarchivars Reinhard Brunner stammten, werden Schicksale lebendig gehalten, wird die Erinnerung gewahrt. Dass die Stadt und ihre Bürger dieses Andenken aufrichtig wahrnehmen und ehren, wurde nicht nur Samstagabend sichtbar – mit Achava-Festspielen, Sonderausstellung im Lutherhaus, jüdischer Gedenk-Ecke in der Goetheschule und Sommertheater im Schlosshof ist das Thema dieses Jahr facettenreich und kreativ umgesetzt worden.