Erfurt. Er folgte der „roten Rosi“, saß am Runden Tisch der Stadt und galt als „Modrow von Erfurt“: Jetzt ist Siegfried Hirschfeld 85-jährig verstorben.

Für sechs Monate war Siegfried Hirschfeld in den Jahren der Veränderung 1989/90 Oberbürgermeister von Erfurt und saß am Runden Tisch der Stadt: Jetzt ist der „Modrow von Erfurt“ im Alter von 85 Jahren verstorben.

Gewählt wurde Hirschfeld am 27. November 1989 von einer damals 225-köpfigen Stadtverordnetenversammlung und trat damit von der zweiten in die erste Reihe der Stadtspitze. „Es waren wilde Zeiten“, erinnerte er sich noch Jahre später an spannende und beispiellose Monate seines Lebens. Rosemarie Seibert, die „rote Rosi“, war Tage zuvor abgetreten.

Als Vorsitzender der Stadtplankommission gewirkt

Neun Jahre war Hirschfeld ihr Stellvertreter gewesen, hatte als Vorsitzender der Stadtplankommission gewirkt und sich Zeit seines Lebens dazu bekannt, die damalige Politik mitgetragen zu haben. Auch die Abrisspläne fürs Andreasviertel. Grund sei der Bedarf an 2000 neuen Wohnungen im Jahr gewesen und fehlende Kapazitäten der Baubetriebe, die oft desolaten Gebäude in der Altstadt herzurichten.

Klar habe es in jenen Tagen Stimmen gegeben, die komplette Verwaltung müsse weg – am Ende aber habe die Einsicht überwogen, dass dies ins Chaos geführt hätte. Zunächst sei es um eine Reformierung des Sozialismus gegangen, der „lebbar“ werden sollte, wie Hirschfeld einst gegenüber dieser Zeitung sagte. „So hat sich der Rat bis zum letzten Tag verantwortlich gefühlt und auch so gehandelt. Wir waren ein gutes Kollektiv.“ Die SED habe in diesen Tagen die Hiebe abgekriegt: „Alle anderen haben sich vom Acker gemacht“, verwies er auf die Blockparteien jener Tage.

Erfurter Finanzamt mit aufgebaut

1963 war Hirschfeld in die SED eingetreten, am 28. Januar 1990 trat er aus und machte dies auch öffentlich: „Ich wollte OB für alle sein.“ Aus der Parteipolitik zog er sich vollends zurück, nachdem er seinem gewählten Nachfolger Manfred Ruge die Amtskette überreicht hatte. Hirschfeld baute daraufhin das Erfurter Finanzamt mit auf, arbeitete für eine Wirtschaftsauskunft, zuletzt war er zehn Jahre lang selbstständig mit einem Inkassobüro.

Sein Rat wurde geschätzt, wie Ruge im vergangenen Jahr formulierte: „Es gab Zeiten, als Andreas Bausewein, mein Vorgänger Herr Hirschfeld und ich unter sechs Augen über aktuelle Themen und Sichtweisen diskutiert haben.“ Dabei sei es um das gegenseitige Verstehen gegangen und darum, warum die Amtsvorgänger mit ihrer Erfahrung diese oder jene Dinge anders sehen als Amtsinhaber Bausewein.