Sömmerda. Direktkandidaten im Wahlkreis 17 Joachim Bauerle aus Sömmerda tritt für die MLPD für den Thüringer Landtag an

Joachim Bauerle steht zwischen den Mehrgeschossern der Albert-Einstein-Straße in Sömmerda. Dort, wo nicht die Reichen, sondern ganz normale Leute leben, sieht er seinen Platz. Hier wohnt der 63-Jährige seit eineinhalb Jahren mit seiner Frau. In einer kleinen Wohnung, zweckmäßig eingerichtet, ohne Schnickschnack.

Joachim Bauerle tritt im Wahlkreis 17 (Sömmerda II) als Direktkandidat für die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) für den Thüringer Landtag an.

Geboren wurde Joachim Bauerle 1956 in Stuttgart. Er stammt aus einer Bäckerfamilie, die in den 60er-Jahren pleite ging. Seine Eltern seien kleine Angestellte gewesen, er hat drei Geschwister, da stand es um die finanzielle Situation in der Familie nicht immer gut.

Seit der Jugend politisch und gewerkschaftlich aktiv

Nach der Hauptschule erwarb Joachim Bauerle als Legastheniker auf dem zweiten Bildungsweg seine Fachschulreife, absolvierte eine Lehre als Werkzeugmacher bei Mercedes. Dort blieb er sein ganzes berufliches Leben lang. Die meiste Zeit am Fließband in der Motorenmontage.

Seit seiner Jugend habe er gewerkschaftlich und politisch gearbeitet, sagt der 63-Jährige. Er habe es immer als ungerecht empfunden, dass bei Mercedes ungeheuere Werte erarbeitet werden und es andererseits Armut in Deutschland gebe. Dieser Widerspruch habe ihn nie losgelassen.

Thomas Sattelberger (er gehörte zu den Gründern der Revolutionären Jugend Deutschlands) habe ihn damals angesprochen, ob er mitmachen wolle bei den Marxisten-Leninisten. 1972 trat er in den Jugendverband ein.

In den folgenden Jahren bewegte sich Joachim Bauerle im linken politischen Spektrum. Immer im Fokus die Herrschaft der Arbeiterklasse, der „echte Sozialismus“. Er gehört zu den Gründungsmitgliedern der MLPD, war Vertrauensmann, habe viele Streiks organisiert. Höhepunkt sei 1996 der Streik gegen die Abschaffung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gewesen. 450 Montagearbeiter hätten teilgenommen, 32 Millionen Mark Ausfall seien das Resultat gewesen. „Das war doch recht überzeugend“, sagt der 63-Jährige.

Inmerhalb der MLPD sei er in verschiedenen Funktionen gewesen. Die Frage nach Konkretem lächelt er weg. „Genaueres sagen wir da in der Regel nicht.“

Als die Partei sich entschloss, ein stärkeres internationalistisches Bündnis aufzubauen, war Joachim Bauerle von der Idee überzeugt. Inzwischen in der passiven Phase der Altersteilzeit, wollte er sich einbringen. Das Motorenwerk MDC in Kölleda geriet in sein Blickfeld. Er wolle eine Arbeitereinheit zwischen den Werken in Untertürkheim und Thüringen schmieden, sagt er. Nach der Verlagerung eines Motors nach Kölleda habe es eine mentale Spaltung gegeben. Vor dem Werkstor auf der Kiebitzhöhe verteilte er Flyer und eine Zeitung, die von der MLPD unterstützt wird.

Ihn ärgern auch die Lohnunterschiede zwischen den beiden Standorten. „Als ob die Thüringer etwas minderbemittelt wären“, sagt er und verweist auf die schon in DDR-Zeit gezeigten Leistungen der Menschen hier und die Tradition Sömmerdas als Arbeiterstadt.

In diese Stadt zog Joachim Bauerle, um Aufbauarbeit für die MLPD zu leisten. Seine Frau, mit der er ihre zwei Kinder aus erster Ehe großzog, teilt seine politischen Auffassungen. Sie tritt im Nachbarwahlkreis 16 als Direktkandidatin der Internationalistischen Liste/MLPD an.

Joachim Bauerle erinnert sich, wie er das erste Mal aus dem Thüringer Wald in die Ebene gefahren sei und gedacht habe: Das ist alles so flach! Inzwischen sei er durchaus verliebt in Sömmerda. Es gebe recht viel Grün und es herrsche nicht so viel Hektik wie in Stuttgart. Ein bisschen fehle ihm als Schwaben nur die Besenwirtschaft, wo er beim Weinbauern so gerne Trollinger trank.

Wie viele Mitglieder hat die MLPD in Thüringen? „Das sagen wir auch nicht“, antwortet Joachim Bauerle. Es gebe aber in Erfurt, Eisenach und Südthüringen Ortsverbände und in Sömmerda Interessenten, die mitmachen. Und es gebe eine Wählerinitiative, die bestimme, wo es lang gehe, und die die Direktkandidaten kontrolliert. Sie dürfen keine persönlichen Vorteile annehmen und müssen Rechenschaft ablegen, was sie tun. Er mache das gern. Es herrsche das Prinzip Kritik und Selbstkritik. „Wer abdriftet, wird abgesetzt.“

Die Arbeiter müssen in die Politik, dafür stehe er. Der Sozialismus brauche einen neuen Anlauf. Die Kandidatengrundsätze würden eine „Entartung“ verhindern, dass Funktionäre abheben und selbst zu Unterdrückern und Ausbeutern werden. Das sei die Kernfrage, das hätten bisherige sozialistische Systeme gezeigt.

Angleichung von Löhnen, Renten, Arbeitszeit

Sein persönlicher politischer Schwerpunkt sei die Einheit von Ost und West, die Angleichung von Löhnen, Renten, Arbeitszeit. Zudem fordert er Anlauffabriken zur Serienfertigung von schon entwickelten Wasserstoff-Brennstoffzellen sowohl in Untertürkheim als auch in Kölleda. Dann könne man in zwei Jahren eine genauso hohe Stückzahl produzieren wie heute Dieselmotoren. Und das wären Arbeitsplätze im Umweltschutz, betont er.

Dass die MLPD als linksradikal eingeordnet wird, kann Joachim Bauerle nachvollziehen. „Ja, wir sind radikal. Wir gehen dem Übel an die Wurzel. Das bestreiten wir nicht.“ Man wolle das System ändern, das keine Zukunft habe. Auch dass der Verfassungsschutz die Partei beobachtet, sei aus Sicht der Staatsmacht verständlich. Schließlich greife die MLPD die Herrschaft des Finanzkapitals an. Was die Partei aber zurückweise, sei der Terrorismusvorwurf. Im Übrigen trete sie für die Abschaffung des Verfassungsschutzes an. Der pflege sowieso eher die rechte Szene.

Zu den Wahlchancen befragt, sagt der 63-Jährige: „Ein anderer wird das Direktmandat wohl eher bekommen. Aber ein Achtungserfolgt wäre mir schon recht.“

Kurze Fragen

Wie lautet Ihr Lebensmotto?

Wenn ich was bereue, bereue ich was ich noch nicht getan.

Was tun Sie morgens nach dem Aufstehen als erstes?

Pinkeln.

Was war Ihr bisher schönstes Erlebnis?

(Selbstständiger) Streikbeginn 1996, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Und was war Ihr schlimmstes Erlebnis?

Gibt es nicht.

Ihr größtes Hobby?

Computer, arbeiten mit dem Debian-Linux „Kanotix“.

Ihr Lieblingsbuch?

Schwierig zu sagen: Der beste Roman, den ich gelesen habe, war von Victor Hugo „Die Elenden“.

Welche Art von Musik hören Sie am liebsten?

Wenn ich Zeit zum Entspannen habe Klassik.

Ihr Lieblingsessen?

Spätzla.

Was erzürnt Sie?

Dass die Machthaber in der Welt so viel Elend anrichten.

Ihre Stärken?

Handwerkliches.

Ihre Schwächen?

Manchmal bin ich ungeduldig.

Haben Sie Haustiere?

Nein.

Was mögen Sie eher: Sommer oder Winter?

Weder noch. Meine Jahreszeit ist der Herbst.

Wohin fahren Sie im Urlaub: lieber ans Meer oder eher in die Berge?

Das ist nicht alternativ. Ich mag Meer mit Bergen.

Was würden Sie mit auf eine einsame Insel nehmen?

Rotwein, Buch, Motorboot.

Und wen?

Ehefrau.