Possen. Der Glaube an den Rechtsstaat und die Stärkung des Ehrenamts sind Ziele von Iris Martin-Gehl, die für die Linke zur Landtagswahl am 27. Oktober als Direktkandidatin im Kyffhäuserkreis antritt.

Am frühen Morgen ist vom Trubel, der auf dem Possen auch zu Herbstbeginn herrscht, noch nicht viel zu spüren. Nur wenige Autos stehen auf dem Parkplatz. Eine Gruppe von Schülern läuft über die Wiesen. Vor dem Jagdschloss steht die Landtagsabgeordnete die Linken, Iris Martin-Gehl, und wartet schon auf die Zeitung.

Die 62-Jährige war schon zum Sonnenaufgang da, hat die ersten Bilder der jungen Geparden gesehen, ein Gespräch mit dem Revierförster geführt, mit den Possen-Betreibern geplaudert und war mit ihrem Foxterrier spazieren. Für die Weimarerin ist der Possen ein Ort der Lebensfreude. „Hier ist eigentlich immer was los, und ich bin gern mittendrin“, sagt Iris Martin-Gehl. Seit April 2015 ist sie das auch in der Landespolitik.

Für den zum Ministerpräsidenten gewählten Bodo Ramelow rückt sie am 1. April 2015 ins Parlament nach. Die Juristin, die zuvor am Verfassungsgericht Richterin war, startet neu, auch im Kyffhäuserkreis. Dessen Betreuerin sie wird, als die Fraktion für jeden Landkreis ohne Abgeordneten jemanden sucht. „Ich kannte Sondershausen, da lag es nah“, erklärt sie ihre Wahl. Sie eröffnet ein Wahlkreisbüro in Sondershausen, stellt Mitarbeiter ein und versucht, den kompletten Landkreis kennenzulernen, der ja aus zwei Wahlkreisen besteht. Sie geht auf Sommertour, knüpft Kontakte, auch wenn sie nicht überall gleichzeitig sein kann. „Politiker müssen zuhören“, lautet ihr Anspruch.

Auch in Erfurt gilt es, „Fuß zu fassen“, erzählt Iris Martin-Gehl. Justizpolitische Sprecherin für die Linke wird sie. Arbeitet im Justizausschuss und in zwei Untersuchungsausschüssen (Immelborn und Lauinger) mit. Wenn sie über die Arbeit im Landtag redet, dann über ehrenamtliche Richter, die angespannte Situation im Strafvollzug oder die Ausbildung von Polizisten.

Viel habe sie gelernt in ihren vier Jahren im Landtag, auch, dass es selten Erfolgserlebnisse gibt. Eines ist die Finanzierung der Weiterbildung von Schöffen in Thüringen. Im kommenden Doppelhaushalt sei dafür erstmals Geld eingestellt. Dabei benötigen die Laienrichter, für deren Stellen es ohnehin zu wenig Bewerber gebe, keine Rechtseinweisungen, sondern Kommunikationstraining. „Sie fühlen sich oft nicht ernst genommen, trauen sich nicht, vor Gericht zu fragen“, erzählt Iris Martin-Gehl. In Gesprächen mit der Vereinigung ehrenamtlicher Richter Mitteldeutschlands habe sie das erfahren. Der Verein habe bislang versucht, Weiterbildungen selbst zu finanzieren. Eine große Lobby aber hätte er nicht. Nun könne der Verein auch Besuche in Justizvollzugsanstalten organisieren. Der Einblick in ein Gefängnis sei für die Arbeit eines Schöffen ebenfalls wichtig, sagt die Juristin, die als Richterin früher selbst mit Schöffen an ihrer Seite gearbeitet hat. Impulse von außen benötige auch die Politik.

Die müsse dringend zuhören und handeln beim Thema Sicherheit. Die Menschen verlieren den Glauben an den Rechtsstaat, befürchtet Iris Martin-Gehl. Da seien die Angriffe gegen Polizisten, Feuerwehrleute werden bei der Arbeit behindert, Häftlinge brechen aus Gefängnissen aus, Gerichtsverfahren dauern zu lange, Urteile bleiben unverständlich. „Aber wenn die Menschen nicht mehr an den Rechtsstaat glauben, dann komme es zur Demontage der Justiz, und wir bekommen Verhältnisse wie in der Türkei“, warnt Iris Martin-Gehl. Mehr Transparenz und Aufklärung bei Gerichtsurteilen hält sie für wichtig. Und dass die neu geschaffenen Stellen in der Polizeiausbildung und an den Gerichten ankommen. Ängste nehmen und zuhören, gehöre ebenso dazu. Aufs Zuhören kommt Iris Martin-Gehl immer wieder zurück. Das handhabe sie auch bei der Wahlkreisarbeit so.

40 Termine hat sie im Rahmen der Sommertour. Es geht auch um ihre Wiederwahl. Im westlichen Kyffhäuserkreis und in drei Orten im Eichsfeld stellt sie sich Ende Oktober als Direktkandidatin der Wahl. Der letzte Konsum, der schließt, die Feuerwehr, die noch immer keinen Wasseranschluss hat, Busse, die viel zu selten fahren, natürlich auch die fehlenden Ärzte – das seien die Themen, die die Menschen bewegen.

Und für die es Lösungen braucht. Aber nicht an den Menschen vorbei. Dass der viel beschworene Rufbus auf Vorbehalte trifft, habe sie beispielsweise gelernt. „Die Leute steigen nicht bei irgendjemanden ein, den sie nicht kennen.“ Je kleiner das Fahrzeug, umso größer muss das Vertrauen sein, so die Politikerin. Hier geschickt das Ehrenamt zu fördern, hält sie für eine Möglichkeit. Die, die sich schon und gern kümmern, bräuchten mehr Wertschätzung, und die könne doch auch finanzieller Natur sein. Rentenpunkte fürs Ehrenamt. Finanzielle Unterstützung für ehrenamtliche Bibliothekare, dass diese den Besuchern auch mal einen Kaffee zum Lesenachmittag spendieren können. Geld für Kommunen, die den Engagierten kostenlose Eintritte ins Freibad oder in andere Einrichtungen gewähren. „Ideen habe sie viele“, sagt Iris Martin-Gehl. Sie halte das frei nach Walt Disney, man müsse auch träumen können.