Jekaterinburg. Wer darf Schach-Weltmeister Magnus Carlsen Ende des Jahres zum Duell um die WM-Krone herausfordern? Diese Frage wollen acht Kandidaten in den kommenden drei Wochen im russischen Jekaterinburg klären. Ein Chinese reiste aus einem Moskauer Sanatorium an.

Schach matt? Nicht in Jekaterinburg, der russischen Millionenmetropole am Ural. Denn trotz der weltumspannenden Coronavirus-Krise machen dort acht Schachspieler beim WM-Kandidatenturnier am Dienstag hochmotiviert ihre ersten Züge.

Während die Sportwelt gelähmt ist, fast alle Veranstaltungen unterbricht oder absagt, hält der Internationale Schachverband (Fide) standhaft wie das letzte gallische Dorf am Eliteturnier fest. Der Sieger erkämpft sich das Recht, Norwegens Weltmeister Magnus Carlsen Ende des Jahres im WM-Duell herauszufordern.

Die Fide versicherte, dass alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen wurden, um einen geregelten Ablauf des Turniers zu garantieren. Und hat gute Argumente dafür: Nur acht Spieler, kaum Zuschauer und die in Russland im Vergleich zu China und Resteuropa schwache Ausbreitung der Coronavirus-Pandemie. "Wir befinden uns in Kontakt mit den Behörden und überwachen die Situation. Alle nötigen Sicherheitsmaßnahmen wurden getroffen", sagte Fide-Präsident Arkadi Dworkowitsch auf der russischen Webseite "Sport24".

Aus Sicht des Weltverbands "sind die Maßnahmen ausreichend", der Spielsaal im Hotel "Hyatt Regency" ist von den Zuschauern abgetrennt. Die acht Teilnehmer spielen in 14 Runden je zweimal gegeneinander - Start ist jeweils um 12.00 Uhr MEZ. Ein Tiebreak ist möglich.

Der Chinese Ding Liren ist die Nummer drei der Weltrangliste und nominell nach dem Italo-Amerikaner Fabiano Caruana der Spieler, dem die Experten die größten Siegchancen einräumen. Der 27-Jährige bereitete sich nach Ausbruch der Pandemie im Elternhaus in Wenzhou - zehn Autostunden vom Krisenzentrum Wuhan entfernt - auf das Turnier vor. Im Gegensatz zu seinen sieben Konkurrenten reiste der Großmeister schon am 2. März nach Russland. Dort war er bis zum Turnierbeginn in einem Sanatorium in Moskau untergebracht.

Top-Favorit ist aber Caruana. Der WM-Finalist von 2018 siegte zu Beginn des Jahres beim Superturnier in Wijk aan Zee mit zwei Punkten Vorsprung auf Weltmeister Carlsen - eine Kampfansage. Das WM-Duell hatte der Amerikaner vor zwei Jahren erst im Schnellschach-Tiebreak mit 0:3 verloren. Danach brauchte Caruana lange Zeit, um sich von der Niederlage zu erholen. "Ich war ausgebrannt für viele, viele Monate. Da war ich wirklich nicht motiviert, überhaupt Schach zu spielen", sagte er dem niederländischen Schachmagazin "New In Chess". Erst vor einiger Zeit habe er das Gefühl bekommen, "dass ich zurück bin".

Die drei russischen Großmeister konnten sich in heimischen Gefilden ohne Reisestrapazen und völlig ungestört vorbereiten. Alexander Grischtschuk ist mit 36 Jahren der erfahrenste Spieler im Feld, während Jan Nepomnjaschtschi mit seinen 29 Jahren zum ersten Mal dabei ist. Markenzeichen der beiden ist ihr kompromissloses Spiel auf Sieg. Zudem legten sie nach der Qualifikation für das Kandidatenturnier eine lange Pause ein und traten in diesem Jahr kaum in Erscheinung.

Der Russe Kirill Alexejenko ist krasser Außenseiter: Der mit 22 Jahren jüngste Teilnehmer - nur die Nummer 39 der Weltrangliste - profitierte von einer Wildcard der Veranstalter.

Das WM-Finale zwischen Carlsen und Großmeister X soll im Rahmen der Expo 2020 in Dubai stattfinden - über Weihnachten und Neujahr. Die Fide hat diesen Termin allerdings noch nicht bestätigt.