Köln. Für Lothar Matthäus waren die DFB-Spieler gegen Japan zum Teil blockiert. Aber auch der Bundestrainer bekommt Kritik ab.

Deutschlands Rekordnationalspieler Lothar Matthäus sieht die Konzentration der DFB-Auswahl auf die sportlichen Aufgaben bei der WM in Katar durch die Nebengeräusche gestört.

„Die vielen Debatten um Menschenrechte, Spielführerbinde, dürfen die Fans ein Bier trinken oder nicht - das geht an den Spielern nicht spurlos vorbei“, sagte Matthäus dem TV-Sender RTL. Er habe das Gefühl gehabt, dass bei der 1:2-Auftaktniederlage gegen Japan „in der zweiten Halbzeit viele Spieler blockiert waren. Zeichen setzen - ja. Aber die Spieler sind bei der WM, um Fußball zu spielen und uns auf dem Platz zu repräsentieren. Deutschland hat sehr viel diskutiert über diese Sachen und wie man Messages senden kann. Da lässt automatisch die Konzentration nach“, betonte der 61-Jährige.

Im zweiten Gruppenspiel gegen Spanien am Sonntag erwartet Matthäus von der DFB-Elf eine Steigerung. „Wir müssen an die Leistungsgrenze gehen, wir müssen kompakt spielen, wir müssen selbstbewusst spielen und wir müssen vor allem die Chancen verwerten“, forderte der Weltmeister von 1990. Es müsse eine Mannschaft auf dem Platz stehen, „die 90 Minuten Gas gibt“.

Auch Bundestrainer Hansi Flick nahm Matthäus nach der Auftaktpleite gegen Japan in die Pflicht. „Wir haben Probleme auf einigen Positionen. Mit den Außenverteidigern bin ich gar nicht zufrieden gewesen. Da ist die Taktik des Trainers nicht aufgegangen. Es hat einiges nicht funktioniert, auch die Wechsel nicht“, kritisierte er.

Pro Füllkrug

Matthäus macht sich Sorgen um die Fitness von Angreifer Thomas Müller und rät Bundestrainer Hansi Flick zu einigen Veränderungen. „Bei Thomas Müller dachte ich an mein letztes Turnier, die EM 2000. Ich kam damals aus einer zweiwöchigen Verletzung und fand nie ins Spiel“, schrieb der 61-Jährige in seiner Kolumne für „Bild“. „Jetzt hatte ich nicht den Eindruck, dass Müller hundert Prozent fit ist. Er war nicht im Spiel.“ Der Angreifer von Bayern München hatte vor der WM länger verletzt pausieren müssen.

Matthäus würde die Elf gegen Spanien auf einigen Positionen verändern: „Ich sage: Günter muss links hinten spielen, Kehrer rechts. Süle muss in die Innenverteidigung - oder Ginter. Gegen Spanien wird eine stabile Abwehr wichtig sein“, schrieb er.

„Goretzka neben Kimmich ins Mittelfeld, auch das stabilisiert. Dann Gündogan nach vorn ziehen und Musiala auf halblinks. Gnabry bleibt rechts. Und wenn Hansi sein bevorzugtes 4-2-3-1-System spielen will, muss Füllkrug als echte 9 rein.“

Mertesacker: „Flick muss Gespür beweisen“

Per Mertesacker hofft im weiteren Verlauf der Fußball-WM in Katar auf Zusammenhalt im deutschen Team. „Ich hoffe, dass alle Spieler nach vorne gehen, nicht die Schuldigen suchen, sondern in den Spiegel schauen“, sagte der TV-Experte im ZDF. „Ich hoffe, dass sich alle schnell auf dem Weg zur Analyse befinden, schnell nach vorne zu schauen und schnell im Kollektiv Lösungen zu finden.“ Bundestrainer Hansi Flick müsse nun Gespür beweisen. „Wenn er was ändert, würde ich jetzt was ändern vor dem Spanien-Spiel, besonders in der Defensive“, sagte er.

Ex-Weltmeister Christoph Kramer wollte den Druck auf die deutsche Elf nicht überbewerten. „Das sind alles Fußballprofis, die lange im Geschäft sind. Wenn die eins kennen, dann Druck“, sagte er. Er habe Hoffnungen, es werde ein ganz anderes Spiel.

Kramer verwies auch auf die zahlreichen Chancen, die sich Deutschland gegen Japan erspielt habe. Es sei nicht alles schlecht gewesen. Für das Auslassen dieser Gelegenheiten könne man nicht alleine das Fehlen eines Mittelstürmers verantwortlich machen. „Wir haben so viele Spieler auf dem Platz, die in der Bundesliga-Saison so viele Tore geschossen haben. Das kann man nicht nur darauf schieben“, sagte Kramer.

Auch Vogts übt Kritik

Der frühere Fußball-Bundestrainer Berti Vogts ist über das Auftreten der DFB-Elf „erschrocken“. „So darf eine deutsche Mannschaft nicht auftreten“, schrieb Vogts in seiner WM-Kolumne für die „Rheinische Post“. Insbesondere bemängelte er viele Ballverluste und Abstimmungsschwierigkeiten in der Defensive.

„Ich habe zu viele Spieler gesehen, die - ohne Namen zu nennen - nur darauf geschaut haben, dass sie mit ihren Offensivaktionen glänzen“, kritisierte Vogts. Im Fußball könne man jedoch auch beim Verteidigen glänzen. „Nur dann hilft man der Mannschaft wirklich.“ Hierfür dürfe man sich nicht zu schade sein, so Vogts.

Der 75-Jährige bemängelte ebenfalls den Zusammenhalt der Mannschaft: „Das ist das A und O bei einer WM, das war immer das Erfolgsgeheimnis deutscher Teams. In diesem Spiel haben das aber nur die Japaner gezeigt.“ Vogts hoffe, dass die Nationalelf die Niederlage als Weckruf sieht.