Gera. Der Geraer Olaf Ludwig gewann bei den Olympischen Sommerspielen Gold und Silber und feierte nun seinen 60. Geburtstag.

Dreimal war Olaf Ludwig, der am Montag seinen 60. Geburtstag feierte, bei Olympischen Spielen am Start. Als 20-Jähriger erlebte der Geraer die Spiele von Moskau, fuhr im Mannschaftszeitfahren über 100 Kilometer und im Straßenrennen. „Das Mannschaftszeitfahren ist eine schöne Disziplin – zum Zuschauen. Ich bin die einhundert Kilometer gefahren, da war ich der Beste im Quartett und ich bin sie gefahren, da war ich der Schlechteste. Egal wie, am Ende ist man immer sehr kaputt.“ Gestartet wurde das Mannschaftszeitfahren 1980 in Moskau auf der Minsker Chaussee. „Wir konnten vier bis fünf Kilometer schauen, der Kurs war leicht wellig“, erinnert sich Olaf Ludwig.

Was er noch vor Augen hat: „Auf den ersten Kilometern standen alle paar Meter Polizisten und Armeeangehörige“. Die Russen hatten vor dem Mannschaftszeitfahren, dem Straßenrennen und dem Marathon großen Respekt, weil sie diese drei Wettbewerbe nicht komplett absichern konnten. Das hatte zur Folge, „dass egal wer, ob er zur Mannschaft gehörte oder nicht, nicht an die Strecke rankam und wir keine Vergleichszeiten hatten.“

1980 in Moskau Silberim Mannschaftszeitfahren

Die DDR war als Weltmeister von 1979 als letzte Mannschaft ins Rennen gegangen. „Das war eigentlich eine gute Ausgangsposition. Aber die ersten Zwischenzeiten haben wir erst nach 25 Kilometern bekommen. Da war es schwer, noch zu reagieren und die Russen waren schon weit vorn.“ Die Gastgeber (2:01:21,7 h/Stundenmittel 49,933 km/h) waren nicht zu schlagen. Es ging an diesem Tag nur noch um Silber. Und das DDR-Quartett mit Falk Boden, Bernd Drogan, Hans-Joachim Hartnick und Olaf Ludwig war in 2:02,53,2 Stunden nur 0,7 Sekunden schneller als die CSSR – das waren umgerechnet keine 90 Zentimeter Vorsprung.

Schaut sich Olaf Ludwig die Bilder von vor 40 Jahren an, muss er schmunzeln: „Wie wir alle aussahen, der Aufzug der Funktionäre, die Kleidung, die Autos. Doch was das Material anging, da waren wir schon ganz weit vorn.“ Schon 1979 waren die Sportler in Dresden-Klotzsche im Windkanal gewesen, wurde der Radsportler aerodynamisch als Ganzes gesehen, entwickelte die DDR gedrückte, ovale Rahmenrohre, Flachspeichen und Tropfenfelgen.

Bei der Junioren-WM 1978 in der Schweiz bekam der Nachwuchs das Material der Männer zur Verfügung gestellt. „Das waren die ersten Rennräder mit den flach gedrückten, ovalen Rahmenrohren“, erinnert sich Olaf Ludwig. Ein Schweizer Mechaniker schaute vorbei und fragte, was denn mit den Rahmen passiert sei. Ludwigs Geraer Mannschaftsgefährte Thomas Barth entgegnete: „Da ist der Bus drüber gefahren.“ Und der Eidgenosse entgegnete: „Oh, da ist er aber schön gleichmäßig gefahren.“ Schmunzeln ringsum.

Nach dem Mannschaftszeitfahren 1980 ging es für Olaf Ludwig noch einmal heimwärts. Training. Kurz vor dem Straßenrennen war er wieder in Moskau. Doch in Krylatskoje holten sich die Gastgeber durch Sergej Suchorutschenkow den Olympiasieg. „Keine Chance auf Gold“, fasst Olaf Ludwig das 189 km lange Rennen zusammen. „Der Kurs war wie ein Waschbrett, rauf und runter.“

Straßen-Gold in Seoul als vorweggenommene Wiedervereinigung

Anders das Rennen acht Jahre später in Seoul. Olaf Ludwig triumphierte vor Bernd Gröne und Christian Henn. „Drei deutsche Radsportler aus Ost und West auf dem Podest. Für mich war das die vorweggenommene deutsche Wiedereinigung.“ Und dabei hing Ludwigs Einsatz im Straßenrennen am seidenen Faden. Sein Start im Punktefahren ging in die Hose, die Funktionäre stellten Ludwig und dessen Form in Frage. „Ich hatte schon innerlich mit meiner Laufbahn abgeschlossen“, sagt er. Doch dann doch Grünes Licht für das Straßenrennen und Olympiagold für den Mann aus Thüringen. „Seoul war ein tolles Erlebnis. Carl Lewis oder Gabriela Sabatini, die man sonst nur im Fernsehen sah, liefen durch das olympische Dorf, saßen einfach so im Speisesaal. Das machte für mich diese Olympischen Spiele aus.“

Nach der Wende startete Olaf Ludwig seine erfolgreiche Profikarriere, fuhr im Team Telekom. Und 1996 ergab sich die Möglichkeit, noch einmal bei Olympia zu starten. 1995 war Ludwig bei der Tour de France, seiner sechsten, aus dem Zeitlimit geflogen. Für ihn stand fest: keine Tour mehr.

„Doch wo suche ich meine Motivation, weiter zu machen.“ Als es anders als 1992 in Barcelona, die Möglichkeit gab, in Atlanta zu starten, waren Motivation und Ziel wieder da. „Als ich mein Ansinnen formulierte, da war man beim BDR nicht begeistert.“ Doch das olympische Rennen war erstmals offen für Amateure und Profis. Für eine Medaille hat es nicht mehr gereicht, als 16. wurde Olaf Ludwig bester Deutscher. „Als die Entscheidung in dem Rennen fiel, war ich da, wo ich sein musste, aber war nicht mehr stark genug“, sagt er. Ohne die drei Wochen Tour die France in den Beinen zu haben, „hast du nicht die Klasse, um bei Olympia ganz vorn zu sein.“

Am 3. Oktober 1996 fuhr Olaf Ludwig sein Abschiedsrennen. Mehr Zuschauer waren seitdem in Gera bei keinem Radrennen auf den Beinen. Seit geraumer Zeit wohnt er wieder an der Elster und beging am Ostermontag seinen 60. Geburtstag. In Corona-Zeiten allerdings anders als gedacht.